Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

Bild:
<< vorherige Seite

Eingreifen ins Leben, du hättest jenes früher haben können. Ich bin
begierig, ob du nicht, wenn du kommst, als Weltmann mir ähnlicher
geworden erscheinst; ich sollt es aber denken, da dich die vornehmsten
Personen kühner hinaufgebildet.

Herzlich freu' ich mich auf deine künftige Freude an meinen drei5
durchaus unähnlichen, aber unverdorben aufknospenden Kindern;
und es wäre mir schwer, deine Auswahl zu weissagen. Ach wärest
du nur da! -- Und doch kann ich nichts wünschen, als was dein
künftiges Glück ausbauet. Laß ja in diesen entwaffnenden Zeiten
Griff und Heft nicht fahren, sobald du einmal die Faust darin hast10
wie jetzt! Auf Große verlass' ich mich keine Minute länger als meine
Gegenwart dauert; eine schwache Allmacht, da man so oft zur
Thüre hinaus und fort muß, und wär's nur, um das zu pissen, was
man drinnen getrunken.

Ein Koffer voll Briefe an mich wartet auf dich; auch von deinen15
hieher hab' ich gehört, sie selber aber nicht; die schlechtesten Christen
wissen jetzt mehr aus den Briefen der Apostel als ich und Emanuel
aus deinen. Und doch ist Amöne vielleicht weiter und kecker zu
Werk gegangen als du gewünscht; hundert Menschen, nicht blos
hier, schon unterwegs durften jedes Wort von dir lesen, das du auf20
den -- Umschlag geschrieben. Auch außen solltest du dir gleich bleiben
und nicht für alle Welt schreiben.


Nachschrift

Was half Groß-Quart? Ich habe doch nicht Platz genug für25
meine Worte; -- den hat blos der Bogengang in der Eremitage.
Ich beneide dich um dein durchgearbeitetes Stück Leben (nur den
Flucht-Anfang ausgenommen); wie ideen- und kräfte-arm sind
dagegen 10 Stuben-Jahre! In deinem Schicksale ist etwas -- fast
wie in meinem --; nämlich ein wachsendes Erhöhen und Vertiefen;30
aber jede Tiefe ist kleiner als die vorige, und folglich steigt die Er-
höhung. Dieser Krieg sollte dir viel Vertrauen auf einen freundlichen
Genius deines Lebens geben. --

Erkundige dich doch recht nach Hamann und schreibe von ihm.
Du könntest gerade zu zu seinem natürlichen Sohne gehen und ihn35
von mir grüßen und fragen, wenn einmal diese[s] grüne Gewölbe

Eingreifen ins Leben, du hätteſt jenes früher haben können. Ich bin
begierig, ob du nicht, wenn du kommſt, als Weltmann mir ähnlicher
geworden erſcheinſt; ich ſollt es aber denken, da dich die vornehmſten
Perſonen kühner hinaufgebildet.

Herzlich freu’ ich mich auf deine künftige Freude an meinen drei5
durchaus unähnlichen, aber unverdorben aufknoſpenden Kindern;
und es wäre mir ſchwer, deine Auswahl zu weiſſagen. Ach wäreſt
du nur da! — Und doch kann ich nichts wünſchen, als was dein
künftiges Glück ausbauet. Laß ja in dieſen entwaffnenden Zeiten
Griff und Heft nicht fahren, ſobald du einmal die Fauſt darin haſt10
wie jetzt! Auf Große verlaſſ’ ich mich keine Minute länger als meine
Gegenwart dauert; eine ſchwache Allmacht, da man ſo oft zur
Thüre hinaus und fort muß, und wär’s nur, um das zu piſſen, was
man drinnen getrunken.

Ein Koffer voll Briefe an mich wartet auf dich; auch von deinen15
hieher hab’ ich gehört, ſie ſelber aber nicht; die ſchlechteſten Chriſten
wiſſen jetzt mehr aus den Briefen der Apoſtel als ich und Emanuel
aus deinen. Und doch iſt Amöne vielleicht weiter und kecker zu
Werk gegangen als du gewünſcht; hundert Menſchen, nicht blos
hier, ſchon unterwegs durften jedes Wort von dir leſen, das du auf20
den — Umſchlag geſchrieben. Auch außen ſollteſt du dir gleich bleiben
und nicht für alle Welt ſchreiben.


Nachſchrift

Was half Groß-Quart? Ich habe doch nicht Platz genug für25
meine Worte; — den hat blos der Bogengang in der Eremitage.
Ich beneide dich um dein durchgearbeitetes Stück Leben (nur den
Flucht-Anfang ausgenommen); wie ideen- und kräfte-arm ſind
dagegen 10 Stuben-Jahre! In deinem Schickſale iſt etwas — faſt
wie in meinem —; nämlich ein wachſendes Erhöhen und Vertiefen;30
aber jede Tiefe iſt kleiner als die vorige, und folglich ſteigt die Er-
höhung. Dieſer Krieg ſollte dir viel Vertrauen auf einen freundlichen
Genius deines Lebens geben. —

Erkundige dich doch recht nach Hamann und ſchreibe von ihm.
Du könnteſt gerade zu zu ſeinem natürlichen Sohne gehen und ihn35
von mir grüßen und fragen, wenn einmal dieſe[s] grüne Gewölbe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0235" n="219"/>
Eingreifen ins Leben, du hätte&#x017F;t jenes früher haben können. Ich bin<lb/>
begierig, ob du nicht, wenn du komm&#x017F;t, als Weltmann mir ähnlicher<lb/>
geworden er&#x017F;chein&#x017F;t; ich &#x017F;ollt es aber denken, da dich die vornehm&#x017F;ten<lb/>
Per&#x017F;onen kühner hinaufgebildet.</p><lb/>
        <p>Herzlich freu&#x2019; ich mich auf deine künftige Freude an meinen drei<lb n="5"/>
durchaus unähnlichen, aber unverdorben aufkno&#x017F;penden Kindern;<lb/>
und es wäre mir &#x017F;chwer, deine Auswahl zu wei&#x017F;&#x017F;agen. Ach wäre&#x017F;t<lb/>
du nur da! &#x2014; Und doch kann ich nichts wün&#x017F;chen, als was dein<lb/>
künftiges Glück <hi rendition="#g">ausb</hi>auet. Laß ja in die&#x017F;en entwaffnenden Zeiten<lb/>
Griff und Heft nicht fahren, &#x017F;obald du einmal die Fau&#x017F;t darin ha&#x017F;t<lb n="10"/>
wie jetzt! Auf Große verla&#x017F;&#x017F;&#x2019; ich mich keine Minute länger als meine<lb/>
Gegenwart dauert; eine &#x017F;chwache Allmacht, da man &#x017F;o oft zur<lb/>
Thüre hinaus und fort muß, und wär&#x2019;s nur, um das zu pi&#x017F;&#x017F;en, was<lb/>
man drinnen getrunken.</p><lb/>
        <p>Ein Koffer voll Briefe an mich wartet auf dich; auch von deinen<lb n="15"/>
hieher hab&#x2019; ich gehört, &#x017F;ie &#x017F;elber aber nicht; die &#x017F;chlechte&#x017F;ten Chri&#x017F;ten<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en jetzt mehr aus den Briefen der Apo&#x017F;tel als ich und <hi rendition="#aq">Emanuel</hi><lb/>
aus deinen. Und doch i&#x017F;t <hi rendition="#aq">Amöne</hi> vielleicht weiter und kecker zu<lb/>
Werk gegangen als du gewün&#x017F;cht; hundert Men&#x017F;chen, nicht blos<lb/>
hier, &#x017F;chon unterwegs durften jedes Wort von dir le&#x017F;en, das du auf<lb n="20"/>
den &#x2014; Um&#x017F;chlag ge&#x017F;chrieben. Auch außen &#x017F;ollte&#x017F;t du dir gleich bleiben<lb/>
und nicht für alle Welt &#x017F;chreiben.</p><lb/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#right">23 M[ai]</hi> </dateline><lb/>
          <head> <hi rendition="#g">Nach&#x017F;chrift</hi> </head><lb/>
          <p>Was half Groß-Quart? Ich habe doch nicht Platz genug für<lb n="25"/>
meine Worte; &#x2014; den hat blos der Bogengang in der Eremitage.<lb/>
Ich beneide dich um dein durchgearbeitetes Stück Leben (nur den<lb/>
Flucht-Anfang ausgenommen); wie ideen- und kräfte-arm &#x017F;ind<lb/>
dagegen 10 Stuben-Jahre! In deinem Schick&#x017F;ale i&#x017F;t etwas &#x2014; fa&#x017F;t<lb/>
wie in meinem &#x2014;; nämlich ein wach&#x017F;endes Erhöhen und Vertiefen;<lb n="30"/>
aber jede Tiefe i&#x017F;t kleiner als die vorige, und folglich &#x017F;teigt die Er-<lb/>
höhung. Die&#x017F;er Krieg &#x017F;ollte dir viel Vertrauen auf einen freundlichen<lb/>
Genius deines Lebens geben. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Erkundige dich doch recht nach <hi rendition="#aq">Hamann</hi> und &#x017F;chreibe von ihm.<lb/>
Du könnte&#x017F;t gerade zu zu &#x017F;einem natürlichen Sohne gehen und ihn<lb n="35"/>
von mir grüßen und fragen, wenn einmal die&#x017F;e[s] grüne Gewölbe<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0235] Eingreifen ins Leben, du hätteſt jenes früher haben können. Ich bin begierig, ob du nicht, wenn du kommſt, als Weltmann mir ähnlicher geworden erſcheinſt; ich ſollt es aber denken, da dich die vornehmſten Perſonen kühner hinaufgebildet. Herzlich freu’ ich mich auf deine künftige Freude an meinen drei 5 durchaus unähnlichen, aber unverdorben aufknoſpenden Kindern; und es wäre mir ſchwer, deine Auswahl zu weiſſagen. Ach wäreſt du nur da! — Und doch kann ich nichts wünſchen, als was dein künftiges Glück ausbauet. Laß ja in dieſen entwaffnenden Zeiten Griff und Heft nicht fahren, ſobald du einmal die Fauſt darin haſt 10 wie jetzt! Auf Große verlaſſ’ ich mich keine Minute länger als meine Gegenwart dauert; eine ſchwache Allmacht, da man ſo oft zur Thüre hinaus und fort muß, und wär’s nur, um das zu piſſen, was man drinnen getrunken. Ein Koffer voll Briefe an mich wartet auf dich; auch von deinen 15 hieher hab’ ich gehört, ſie ſelber aber nicht; die ſchlechteſten Chriſten wiſſen jetzt mehr aus den Briefen der Apoſtel als ich und Emanuel aus deinen. Und doch iſt Amöne vielleicht weiter und kecker zu Werk gegangen als du gewünſcht; hundert Menſchen, nicht blos hier, ſchon unterwegs durften jedes Wort von dir leſen, das du auf 20 den — Umſchlag geſchrieben. Auch außen ſollteſt du dir gleich bleiben und nicht für alle Welt ſchreiben. 23 M[ai] Nachſchrift Was half Groß-Quart? Ich habe doch nicht Platz genug für 25 meine Worte; — den hat blos der Bogengang in der Eremitage. Ich beneide dich um dein durchgearbeitetes Stück Leben (nur den Flucht-Anfang ausgenommen); wie ideen- und kräfte-arm ſind dagegen 10 Stuben-Jahre! In deinem Schickſale iſt etwas — faſt wie in meinem —; nämlich ein wachſendes Erhöhen und Vertiefen; 30 aber jede Tiefe iſt kleiner als die vorige, und folglich ſteigt die Er- höhung. Dieſer Krieg ſollte dir viel Vertrauen auf einen freundlichen Genius deines Lebens geben. — Erkundige dich doch recht nach Hamann und ſchreibe von ihm. Du könnteſt gerade zu zu ſeinem natürlichen Sohne gehen und ihn 35 von mir grüßen und fragen, wenn einmal dieſe[s] grüne Gewölbe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/235
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/235>, abgerufen am 02.05.2024.