Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

Bild:
<< vorherige Seite
339. An Hauptmann von Müffling.

... Seit der ganzen, mehr Herz- als Länder-zertrümmernden
Periode dacht' ich unaufhörlich an Sie, nicht etwa an Ihren mög-
lichen Unglücksfall sondern an die gewissen Schmerzen, die Ihre5
patriotische Seele, oft aus Freundes und Feindes Händen zugleich
treffen mußten. Nun die Täuschung, vielleicht die Krebskrankheit
eines ganzen Staates ist vorüber, und erst jetzt ist ihm Bahn zu
neuem Glück gemacht.... Wir sahen den Tod auf seinem Triumph-
wagen (dem Pulverwagen) nur selten vorüberziehen und hörten erst,10
daß und wo er seine Wetterwolken angezündet. Aber an Ihre Gattin
dachten ich und die meinige anders als an Sie; denn die liebende Frau
daheim in der unbeschirmten Ruhe hat keinen Trost der Thätigkeit
wie der Mann; und tausend Kugeln, die diesen nicht treffen, gehen
durch ihr Herz und Eine Wunde desselben hat sie von jedem Zeitungs-15
blatt und Nachttraum vorausempfangen.

340. An Emanuel.

Guten Morgen! Aber sehr kalt war es doch, Scherzvogel! --
Schon zweimal hab' ich heute wie immer Erinnerungen zu meiner20
Frau hinuntergetragen, Emma früher anzuziehen als Loew kommt
-- Jetzt bin ich mit dem Schreiben fertig, aber nicht sie mit dem
Anziehen. Können Sie anbrummen: so thun Sie es doch einmal in
meinem Namen, mein guter Alter.

Christophs Brief hat mich unendlich erfreuet.25

341. An Cotta.

Hier, lieber Cotta, send' ich schon wieder zwei Aufsätze. Welchen
man für den bessern hält, der mag voranstehen. Künftig, obgleich
nicht bald, schick' ich Ihnen vielleicht einen ernsthaften Aufsatz.30
Dem Zensor der Teufels Beichte nehm' ichs gar nicht übel, daß er
diesen vom Beichtstuhl abgewiesen. In meinen "vermischten Werk-
chen" die zu Michaelis herauskommen, wird es ohne Anstoß durch-
laufen; aber in einer täglich herauskommenden Tagsschrift, die

339. An Hauptmann von Müffling.

... Seit der ganzen, mehr Herz- als Länder-zertrümmernden
Periode dacht’ ich unaufhörlich an Sie, nicht etwa an Ihren mög-
lichen Unglücksfall ſondern an die gewiſſen Schmerzen, die Ihre5
patriotiſche Seele, oft aus Freundes und Feindes Händen zugleich
treffen mußten. Nun die Täuſchung, vielleicht die Krebskrankheit
eines ganzen Staates iſt vorüber, und erſt jetzt iſt ihm Bahn zu
neuem Glück gemacht.... Wir ſahen den Tod auf ſeinem Triumph-
wagen (dem Pulverwagen) nur ſelten vorüberziehen und hörten erſt,10
daß und wo er ſeine Wetterwolken angezündet. Aber an Ihre Gattin
dachten ich und die meinige anders als an Sie; denn die liebende Frau
daheim in der unbeſchirmten Ruhe hat keinen Troſt der Thätigkeit
wie der Mann; und tauſend Kugeln, die dieſen nicht treffen, gehen
durch ihr Herz und Eine Wunde deſſelben hat ſie von jedem Zeitungs-15
blatt und Nachttraum vorausempfangen.

340. An Emanuel.

Guten Morgen! Aber ſehr kalt war es doch, Scherzvogel! —
Schon zweimal hab’ ich heute wie immer Erinnerungen zu meiner20
Frau hinuntergetragen, Emma früher anzuziehen als Loew kommt
— Jetzt bin ich mit dem Schreiben fertig, aber nicht ſie mit dem
Anziehen. Können Sie anbrummen: ſo thun Sie es doch einmal in
meinem Namen, mein guter Alter.

Chriſtophs Brief hat mich unendlich erfreuet.25

341. An Cotta.

Hier, lieber Cotta, ſend’ ich ſchon wieder zwei Aufſätze. Welchen
man für den beſſern hält, der mag voranſtehen. Künftig, obgleich
nicht bald, ſchick’ ich Ihnen vielleicht einen ernſthaften Aufſatz.30
Dem Zenſor der Teufels Beichte nehm’ ichs gar nicht übel, daß er
dieſen vom Beichtſtuhl abgewieſen. In meinen „vermiſchten Werk-
chen“ die zu Michaelis herauskommen, wird es ohne Anſtoß durch-
laufen; aber in einer täglich herauskommenden Tagsſchrift, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0157" n="142"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>339. An <hi rendition="#g">Hauptmann von Müffling.</hi></head><lb/>
        <byline>[Kopie]</byline>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 3. April 1807]</hi> </dateline><lb/>
        <p>... Seit der ganzen, mehr Herz- als Länder-zertrümmernden<lb/>
Periode dacht&#x2019; ich unaufhörlich an Sie, nicht etwa an Ihren mög-<lb/>
lichen Unglücksfall &#x017F;ondern an die gewi&#x017F;&#x017F;en Schmerzen, die Ihre<lb n="5"/>
patrioti&#x017F;che Seele, oft aus Freundes und Feindes Händen zugleich<lb/>
treffen mußten. Nun die Täu&#x017F;chung, vielleicht die Krebskrankheit<lb/>
eines ganzen Staates i&#x017F;t vorüber, und er&#x017F;t jetzt i&#x017F;t ihm Bahn zu<lb/>
neuem Glück gemacht.... Wir &#x017F;ahen den Tod auf &#x017F;einem Triumph-<lb/>
wagen (dem Pulverwagen) nur &#x017F;elten vorüberziehen und hörten er&#x017F;t,<lb n="10"/>
daß und wo er &#x017F;eine Wetterwolken angezündet. Aber an Ihre Gattin<lb/>
dachten ich und die meinige anders als an Sie; denn die liebende Frau<lb/>
daheim in der unbe&#x017F;chirmten Ruhe hat keinen Tro&#x017F;t der Thätigkeit<lb/>
wie der Mann; und tau&#x017F;end Kugeln, die die&#x017F;en nicht treffen, gehen<lb/>
durch ihr Herz und Eine Wunde de&#x017F;&#x017F;elben hat &#x017F;ie von jedem Zeitungs-<lb n="15"/>
blatt und Nachttraum vorausempfangen.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>340. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 6. April 1807]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Guten Morgen! Aber &#x017F;ehr kalt war es doch, Scherzvogel! &#x2014;<lb/>
Schon zweimal hab&#x2019; ich heute wie immer Erinnerungen zu meiner<lb n="20"/>
Frau hinuntergetragen, <hi rendition="#aq">Emma</hi> früher anzuziehen als <hi rendition="#aq">Loew</hi> kommt<lb/>
&#x2014; Jetzt bin ich mit dem Schreiben fertig, aber nicht &#x017F;ie mit dem<lb/>
Anziehen. Können Sie anbrummen: &#x017F;o thun Sie es doch einmal in<lb/>
meinem Namen, mein guter Alter.</p>
        <p>Chri&#x017F;tophs Brief hat mich unendlich erfreuet.<lb n="25"/>
</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>341. An <hi rendition="#g">Cotta.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Bayreuth d. 6. Apr.</hi> 1807</hi> </dateline><lb/>
        <p>Hier, lieber <hi rendition="#aq">Cotta,</hi> &#x017F;end&#x2019; ich &#x017F;chon wieder zwei Auf&#x017F;ätze. Welchen<lb/>
man für den be&#x017F;&#x017F;ern hält, der mag voran&#x017F;tehen. Künftig, obgleich<lb/>
nicht bald, &#x017F;chick&#x2019; ich Ihnen vielleicht einen ern&#x017F;thaften Auf&#x017F;atz.<lb n="30"/>
Dem Zen&#x017F;or der Teufels Beichte nehm&#x2019; ichs gar nicht übel, daß er<lb/>
die&#x017F;en vom Beicht&#x017F;tuhl abgewie&#x017F;en. In meinen &#x201E;vermi&#x017F;chten Werk-<lb/>
chen&#x201C; die zu Michaelis herauskommen, wird es ohne An&#x017F;toß durch-<lb/>
laufen; aber in einer täglich herauskommenden Tags&#x017F;chrift, die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0157] 339. An Hauptmann von Müffling. [Kopie][Bayreuth, 3. April 1807] ... Seit der ganzen, mehr Herz- als Länder-zertrümmernden Periode dacht’ ich unaufhörlich an Sie, nicht etwa an Ihren mög- lichen Unglücksfall ſondern an die gewiſſen Schmerzen, die Ihre 5 patriotiſche Seele, oft aus Freundes und Feindes Händen zugleich treffen mußten. Nun die Täuſchung, vielleicht die Krebskrankheit eines ganzen Staates iſt vorüber, und erſt jetzt iſt ihm Bahn zu neuem Glück gemacht.... Wir ſahen den Tod auf ſeinem Triumph- wagen (dem Pulverwagen) nur ſelten vorüberziehen und hörten erſt, 10 daß und wo er ſeine Wetterwolken angezündet. Aber an Ihre Gattin dachten ich und die meinige anders als an Sie; denn die liebende Frau daheim in der unbeſchirmten Ruhe hat keinen Troſt der Thätigkeit wie der Mann; und tauſend Kugeln, die dieſen nicht treffen, gehen durch ihr Herz und Eine Wunde deſſelben hat ſie von jedem Zeitungs- 15 blatt und Nachttraum vorausempfangen. 340. An Emanuel. [Bayreuth, 6. April 1807] Guten Morgen! Aber ſehr kalt war es doch, Scherzvogel! — Schon zweimal hab’ ich heute wie immer Erinnerungen zu meiner 20 Frau hinuntergetragen, Emma früher anzuziehen als Loew kommt — Jetzt bin ich mit dem Schreiben fertig, aber nicht ſie mit dem Anziehen. Können Sie anbrummen: ſo thun Sie es doch einmal in meinem Namen, mein guter Alter. Chriſtophs Brief hat mich unendlich erfreuet. 25 341. An Cotta. Bayreuth d. 6. Apr. 1807 Hier, lieber Cotta, ſend’ ich ſchon wieder zwei Aufſätze. Welchen man für den beſſern hält, der mag voranſtehen. Künftig, obgleich nicht bald, ſchick’ ich Ihnen vielleicht einen ernſthaften Aufſatz. 30 Dem Zenſor der Teufels Beichte nehm’ ichs gar nicht übel, daß er dieſen vom Beichtſtuhl abgewieſen. In meinen „vermiſchten Werk- chen“ die zu Michaelis herauskommen, wird es ohne Anſtoß durch- laufen; aber in einer täglich herauskommenden Tagsſchrift, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/157
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/157>, abgerufen am 07.05.2024.