Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.Meine Achtung -- meine Erinnerungen -- meine Wünsche -- 244. An Friedrich von Oertel in Leipzig. Bayreuth d. 19 Sept. 1806Mein guter alter Freund!5 Ich habe alles erhalten, auch deine beiden Briefe, wovon mir der Für den Druck derselben ist weder die jetzige Kriegs- und Handels- Eigentlich gab mir der annahende Krieg die Frage auf, ob ich Wahrscheinlich sehen wir uns doch bald. Wer wird dann von uns30 Einmal wirst du doch meine drei verschieden blühenden Kinder35 Meine Achtung — meine Erinnerungen — meine Wünſche — 244. An Friedrich von Oertel in Leipzig. Bayreuth d. 19 Sept. 1806Mein guter alter Freund!5 Ich habe alles erhalten, auch deine beiden Briefe, wovon mir der Für den Druck derſelben iſt weder die jetzige Kriegs- und Handels- Eigentlich gab mir der annahende Krieg die Frage auf, ob ich Wahrſcheinlich ſehen wir uns doch bald. Wer wird dann von uns30 Einmal wirſt du doch meine drei verſchieden blühenden Kinder35 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0120" n="105"/> <p>Meine Achtung — meine Erinnerungen — meine Wünſche —<lb/> kennen Sie. — Leben Sie wol!</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>244. An <hi rendition="#g">Friedrich von Oertel in Leipzig.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Bayreuth</hi> d. 19 Sept. 1806</hi> </dateline><lb/> <salute> <hi rendition="#right">Mein guter alter Freund!</hi> <lb n="5"/> </salute> <p>Ich habe alles erhalten, auch deine beiden Briefe, wovon mir der<lb/> erſte das hier zurückfolgende Manuſkript verſprach und durch Er-<lb/> warten deſſelben meine Antwort verſchob. Habe Herzens-Dank für<lb/> deine Gabe und Erinnerung an mich, für dieß Stück alter Zeit. Dieſe<lb/> mir zugeflatterten Blüten aus deinem Eden beweiſen mir freilich<lb n="10"/> ein größeres Genießen deines Lebens als die bloße Dichtkunſt gibt —<lb/> und dieß that mir in deine Seele hinein wol; — indeß ſeh’ ich dich doch<lb/> in Einſeitigkeit Eines Gefühls oder Gedankens — da auch der<lb/> größte nicht den Menſchen erſchöpft oder erfüllt — eingeſenkt, wo-<lb/> gegen ich dir äußere Thätigkeit — oder Menſchenhören — oder<lb n="15"/> ganz entgegengeſetzte Wiſſenſchaften rathen möchte. Denn deine<lb/> Blätter ſind die einer einſamen Laube. Ich find’ es nicht gut. Der<lb/> Menſch iſt aller Kräfte und Umgebungen, welche der Himmel wie<lb/> die einander einſchränkenden Welten-Anziehungen, um ihn ver-<lb/> ſammelt hat, benöthigt, um ſich im Gleichgewichte zu erhalten.<lb n="20"/> </p> <p>Für den Druck derſelben iſt weder die jetzige Kriegs- und Handels-<lb/> zeit günſtig, noch ſind ſie ſelber, in dieſen unverknüpften Formen ge-<lb/> ſammelt, auf der rechten Stelle des Einwirkens. Ganz anders und beſſer<lb/> würde aber jeder einzelne Aufſatz treffen, wenn du ihn einſam in<lb/> irgend eine Zeitſchrift ſtellteſt. Nur ſchäme dich des Freimüthigen;<lb n="25"/> dieſer hat keinen würdigen Boden für dich.</p><lb/> <p>Eigentlich gab mir der annahende Krieg die Frage auf, ob ich<lb/> dir nicht ſelber deine Blätter wiederbringen könnte. Und dieß<lb/> entſchuldigt wieder mein Zögern.</p><lb/> <p>Wahrſcheinlich ſehen wir uns doch bald. Wer wird dann von uns<lb n="30"/> beiden ſich am meiſten verändert haben? — Wahrſcheinlich ich. —<lb/> Um unveränderlich zu bleiben, müßte man das Beſte ſein; und da<lb/> iſt mir nur Ein Mann <hi rendition="#g">der</hi> Art bekannt im ſämmtlichen Uni-<lb/> verſum.</p><lb/> <p>Einmal wirſt du doch meine drei verſchieden blühenden Kinder<lb n="35"/> erblicken, worunter der Junge zwiſchen zwei Mädchen als ein guter<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [105/0120]
Meine Achtung — meine Erinnerungen — meine Wünſche —
kennen Sie. — Leben Sie wol!
244. An Friedrich von Oertel in Leipzig.
Bayreuth d. 19 Sept. 1806
Mein guter alter Freund! 5
Ich habe alles erhalten, auch deine beiden Briefe, wovon mir der
erſte das hier zurückfolgende Manuſkript verſprach und durch Er-
warten deſſelben meine Antwort verſchob. Habe Herzens-Dank für
deine Gabe und Erinnerung an mich, für dieß Stück alter Zeit. Dieſe
mir zugeflatterten Blüten aus deinem Eden beweiſen mir freilich 10
ein größeres Genießen deines Lebens als die bloße Dichtkunſt gibt —
und dieß that mir in deine Seele hinein wol; — indeß ſeh’ ich dich doch
in Einſeitigkeit Eines Gefühls oder Gedankens — da auch der
größte nicht den Menſchen erſchöpft oder erfüllt — eingeſenkt, wo-
gegen ich dir äußere Thätigkeit — oder Menſchenhören — oder 15
ganz entgegengeſetzte Wiſſenſchaften rathen möchte. Denn deine
Blätter ſind die einer einſamen Laube. Ich find’ es nicht gut. Der
Menſch iſt aller Kräfte und Umgebungen, welche der Himmel wie
die einander einſchränkenden Welten-Anziehungen, um ihn ver-
ſammelt hat, benöthigt, um ſich im Gleichgewichte zu erhalten. 20
Für den Druck derſelben iſt weder die jetzige Kriegs- und Handels-
zeit günſtig, noch ſind ſie ſelber, in dieſen unverknüpften Formen ge-
ſammelt, auf der rechten Stelle des Einwirkens. Ganz anders und beſſer
würde aber jeder einzelne Aufſatz treffen, wenn du ihn einſam in
irgend eine Zeitſchrift ſtellteſt. Nur ſchäme dich des Freimüthigen; 25
dieſer hat keinen würdigen Boden für dich.
Eigentlich gab mir der annahende Krieg die Frage auf, ob ich
dir nicht ſelber deine Blätter wiederbringen könnte. Und dieß
entſchuldigt wieder mein Zögern.
Wahrſcheinlich ſehen wir uns doch bald. Wer wird dann von uns 30
beiden ſich am meiſten verändert haben? — Wahrſcheinlich ich. —
Um unveränderlich zu bleiben, müßte man das Beſte ſein; und da
iſt mir nur Ein Mann der Art bekannt im ſämmtlichen Uni-
verſum.
Einmal wirſt du doch meine drei verſchieden blühenden Kinder 35
erblicken, worunter der Junge zwiſchen zwei Mädchen als ein guter
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(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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