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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

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222. An K. J. Lange in Berlin.

Leben Sie wol in einer Zeit, die für Könige und Autoren nicht die
beste ist und an ihnen nichts vermehrt als die Zahl.

223. An Graf von der Goltz.5

Ihr Brief gab mir einen Konzertabend wieder zurück, nicht den
musikalischen, sondern den geistigen. Wir sind über alles einig und
es fehlt nichts dazu als die Einigkeit des Schicksals. Der größte
Feind der schönen R[osalie] ist der König von Schweden, der10
Preussen im Panzer erhält. Wie wol würd' es uns allen thun,
Sie statt unter November- und Kriegswolken mitten im Frühling,
der uns mit seinen Gärten und Bergen umringt, zu sehen. Ihr Brief
war der 2te, ja einzige Frühling für die leidende R., welche, wie die
Liebe thut, auch dann zu misfallen fürchtete, wo sie nur sich auf-15
opferte. Sie nahmen ihr diese Furcht. Jetzt lächelt sie still vor den
Eltern, um keinen Schmerz zu zeigen und zu geben, und leidet ver-
hüllt. Sie hat mehr Erinnerung des Glücks als Hoffnung desselben.
Nur daß sie weiß, daß ich an Sie schreibe -- obwol dieß nichts
in der festen Lage der Sache ändern kann -- dieß ist für sie ein Ge-20
rüst [?] der öden Gegenwart; und wär' es auch nur dadurch daß
ich nach Ihrer Antwort ihr sagen könnte, wie Sie jetzt leben.

Möge die Freude Sie unter Ihrem Zeit- und Amtsdruck trösten
und möge Ihnen ein Frühling kommen, den Sie vertheilen und ver-doppeln können!25

224. An Emanuel.

Recht guter Emanuel! Daß Sie heute wieder anlangen, erinnert
uns -- obwol wider Ihren Willen -- an den andern Tag, wo Sie in
Bayreuth zum allerersten mal ankamen. Warum soll uns die Freude30
nicht gegönnt sein, einen Tag zu wissen und zu ehren, der so vielen
guten Menschen einen der besten gab? -- Vergeben Sie mir nur
dieses Blättchen; ich will gern in Ihrer Gegenwart nur stumm an Sie
denken und mich ohne Worte freuen, daß ich Sie habe und behalte.

R.35
222. An K. J. Lange in Berlin.

Leben Sie wol in einer Zeit, die für Könige und Autoren nicht die
beſte iſt und an ihnen nichts vermehrt als die Zahl.

223. An Graf von der Goltz.5

Ihr Brief gab mir einen Konzertabend wieder zurück, nicht den
muſikaliſchen, ſondern den geiſtigen. Wir ſind über alles einig und
es fehlt nichts dazu als die Einigkeit des Schickſals. Der größte
Feind der ſchönen R[osalie] iſt der König von Schweden, der10
Preuſſen im Panzer erhält. Wie wol würd’ es uns allen thun,
Sie ſtatt unter November- und Kriegswolken mitten im Frühling,
der uns mit ſeinen Gärten und Bergen umringt, zu ſehen. Ihr Brief
war der 2te, ja einzige Frühling für die leidende R., welche, wie die
Liebe thut, auch dann zu misfallen fürchtete, wo ſie nur ſich auf-15
opferte. Sie nahmen ihr dieſe Furcht. Jetzt lächelt ſie ſtill vor den
Eltern, um keinen Schmerz zu zeigen und zu geben, und leidet ver-
hüllt. Sie hat mehr Erinnerung des Glücks als Hoffnung deſſelben.
Nur daß ſie weiß, daß ich an Sie ſchreibe — obwol dieß nichts
in der feſten Lage der Sache ändern kann — dieß iſt für ſie ein Ge-20
rüſt [?] der öden Gegenwart; und wär’ es auch nur dadurch daß
ich nach Ihrer Antwort ihr ſagen könnte, wie Sie jetzt leben.

Möge die Freude Sie unter Ihrem Zeit- und Amtsdruck tröſten
und möge Ihnen ein Frühling kommen, den Sie vertheilen und ver-doppeln können!25

224. An Emanuel.

Recht guter Emanuel! Daß Sie heute wieder anlangen, erinnert
uns — obwol wider Ihren Willen — an den andern Tag, wo Sie in
Bayreuth zum allererſten mal ankamen. Warum ſoll uns die Freude30
nicht gegönnt ſein, einen Tag zu wiſſen und zu ehren, der ſo vielen
guten Menſchen einen der beſten gab? — Vergeben Sie mir nur
dieſes Blättchen; ich will gern in Ihrer Gegenwart nur ſtumm an Sie
denken und mich ohne Worte freuen, daß ich Sie habe und behalte.

R.35
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[93/0108] 222. An K. J. Lange in Berlin. [Kopie][Bayreuth, 17. Juni 1806] Leben Sie wol in einer Zeit, die für Könige und Autoren nicht die beſte iſt und an ihnen nichts vermehrt als die Zahl. 223. An Graf von der Goltz. 5 [Kopie][Bayreuth, 17. Juni 1806] Ihr Brief gab mir einen Konzertabend wieder zurück, nicht den muſikaliſchen, ſondern den geiſtigen. Wir ſind über alles einig und es fehlt nichts dazu als die Einigkeit des Schickſals. Der größte Feind der ſchönen R[osalie] iſt der König von Schweden, der 10 Preuſſen im Panzer erhält. Wie wol würd’ es uns allen thun, Sie ſtatt unter November- und Kriegswolken mitten im Frühling, der uns mit ſeinen Gärten und Bergen umringt, zu ſehen. Ihr Brief war der 2te, ja einzige Frühling für die leidende R., welche, wie die Liebe thut, auch dann zu misfallen fürchtete, wo ſie nur ſich auf- 15 opferte. Sie nahmen ihr dieſe Furcht. Jetzt lächelt ſie ſtill vor den Eltern, um keinen Schmerz zu zeigen und zu geben, und leidet ver- hüllt. Sie hat mehr Erinnerung des Glücks als Hoffnung deſſelben. Nur daß ſie weiß, daß ich an Sie ſchreibe — obwol dieß nichts in der feſten Lage der Sache ändern kann — dieß iſt für ſie ein Ge- 20 rüſt [?] der öden Gegenwart; und wär’ es auch nur dadurch daß ich nach Ihrer Antwort ihr ſagen könnte, wie Sie jetzt leben. Möge die Freude Sie unter Ihrem Zeit- und Amtsdruck tröſten und möge Ihnen ein Frühling kommen, den Sie vertheilen und ver-doppeln können! 25 224. An Emanuel. [Bayreuth, 20. Juni 1806] Recht guter Emanuel! Daß Sie heute wieder anlangen, erinnert uns — obwol wider Ihren Willen — an den andern Tag, wo Sie in Bayreuth zum allererſten mal ankamen. Warum ſoll uns die Freude 30 nicht gegönnt ſein, einen Tag zu wiſſen und zu ehren, der ſo vielen guten Menſchen einen der beſten gab? — Vergeben Sie mir nur dieſes Blättchen; ich will gern in Ihrer Gegenwart nur ſtumm an Sie denken und mich ohne Worte freuen, daß ich Sie habe und behalte. R. 35

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/108>, abgerufen am 28.04.2024.