Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.Seine Achtung für dich hat er im Anti-Nikolai *) bekant. Aber wäh- Wenn schenkt mir Gott den Genus Eines philosophischen Blattes In Weimar hab' ich verlernt, über die hippelsche Koppelhut des *) wogegen jezt Nikolai (ein noch schlafferer Mensch als Autor) eine parziale35
Sündfluth -- die selber die Sünde ist -- aus dem Dintenfas schüttet. Seine Achtung für dich hat er im Anti-Nikolai *) bekant. Aber wäh- Wenn ſchenkt mir Gott den Genus Eines philoſophiſchen Blattes In Weimar hab’ ich verlernt, über die hippelsche Koppelhut des *) wogegen jezt Nikolai (ein noch ſchlafferer Menſch als Autor) eine parziale35
Sündfluth — die ſelber die Sünde iſt — aus dem Dintenfas ſchüttet. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0096" n="90"/> Seine Achtung für dich hat er im Anti-Nikolai <note place="foot" n="*)">wogegen jezt Nikolai (ein noch ſchlafferer Menſch als Autor) eine parziale<lb n="35"/> Sündfluth — die ſelber die Sünde iſt — aus dem Dintenfas ſchüttet.</note> bekant. Aber wäh-<lb/> rend er andern das Nicht-Verſtehen ſeiner Dogmen vorrükt, fält<lb/> er ins ähnliche der fremden. Ich hab’ z. B. gegen meinen kantiſchen<lb/> Schwiegervater, der Fichten fichtiſch zu reden ſchien, 30 <hi rendition="#aq">Champ[agner]<lb/> Bouteillen</hi> gegen 1. gewettet, daß F. ihn falſch in ſein Ich überſezt<lb n="5"/> habe — und gewan auf ein zweites Fragen. Hier liegt ein Blätgen von<lb/> ihm. Er iſt als Menſch liberal und <hi rendition="#g">ſanft,</hi> ja ſogar <hi rendition="#g">temporiſierend;</hi><lb/> und ſeine Zunge iſt keine ſo groſſe Dialektikerin wie ſeine Feder. —<lb/> Alles von Reinhold leſ’ ich jezt froher als ſonſt. Der Beitrag von<lb/><hi rendition="#aq">Köppen</hi> hatte für mich tiefer hinein immer mehr Gold, oben etwas<lb n="10"/> Blei. Der Aufſaz im Merkur iſt ein Trokar-Stich in die Klee-Auf-<lb/> blähung der Zeit; ein wahres götliches Wort an alle Engel, die zu<lb/> Teufeln fallen wollen durch Hochmuth. Allerdings iſts eine Predigt<lb/> über deinen Text <hi rendition="#aq">p.</hi> 35 im Briefe. — Lies <hi rendition="#aq">Schleiermachers</hi> Predigten,<lb/> kein gemeines Herz hat hier ſeine Kanzel und kein hölzerner h. Geiſt<lb n="15"/> ſchwebt darüber; ich achte den freien, das Götliche in der Philoſophie<lb/> nur achtenden, und vielſinnigern Menſchen (als Fichte iſt). —</p><lb/> <p>Wenn ſchenkt mir Gott den Genus Eines philoſophiſchen Blattes<lb/> von dir, es ſei gedrukt, oder geſchrieben oder geſchmiert oder unleſer-<lb/> lich? Bruder, gieb! — <hi rendition="#aq">Herder</hi> (ich antworte immerfort auf deinen<lb n="20"/> Brief) erbietet ſich froh und eiferſüchtig zur Edizion Hamans, wenn<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd4_103">[103]</ref></note>du ihm die Reliquien ſchikſt; er wil eine Vorrede dazu machen, und<lb/> hinter jedes unveränderte Stük eine Nach-leitung. Thu’ es nur einer;<lb/> aber giebſt du, ſo mache ihm die ſchnelleſte Herausgabe zur Bedingung.<lb/> — Mein Freund, bei 750 abgeſezten Exemplaren von einem <hi rendition="#g">ſo</hi> philoſo-<lb n="25"/> phiſchen Briefe wie deinem mus Perthes nicht ſagen <hi rendition="#g">nur</hi> ſondern<lb/><hi rendition="#g">ſchon.</hi></p><lb/> <p>In <hi rendition="#aq">Weimar</hi> hab’ ich verlernt, über die <hi rendition="#aq">hippelsche</hi> Koppelhut des<lb/> Engels und Teufels zu erſtaunen. Es liegt in der (dichteriſch oder<lb/> philoſophiſch) darſtellenden Natur; mein Roquairol hat jene ganz, und<lb n="30"/> ich kan dich über dieſe doppelten Handelsbücher im menſchlichen Herz<lb/> auf einen recht guten Autor verweiſen, der meines Wiſſens dieſe<lb/> Beſonnenheit der Sünde tiefer und fürchterlicher als einer gemalt —<lb/> auf dich im Alwil. Aber doch ſind 2 Entſchuldigungen noch da: 1. Die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [90/0096]
Seine Achtung für dich hat er im Anti-Nikolai *) bekant. Aber wäh-
rend er andern das Nicht-Verſtehen ſeiner Dogmen vorrükt, fält
er ins ähnliche der fremden. Ich hab’ z. B. gegen meinen kantiſchen
Schwiegervater, der Fichten fichtiſch zu reden ſchien, 30 Champ[agner]
Bouteillen gegen 1. gewettet, daß F. ihn falſch in ſein Ich überſezt 5
habe — und gewan auf ein zweites Fragen. Hier liegt ein Blätgen von
ihm. Er iſt als Menſch liberal und ſanft, ja ſogar temporiſierend;
und ſeine Zunge iſt keine ſo groſſe Dialektikerin wie ſeine Feder. —
Alles von Reinhold leſ’ ich jezt froher als ſonſt. Der Beitrag von
Köppen hatte für mich tiefer hinein immer mehr Gold, oben etwas 10
Blei. Der Aufſaz im Merkur iſt ein Trokar-Stich in die Klee-Auf-
blähung der Zeit; ein wahres götliches Wort an alle Engel, die zu
Teufeln fallen wollen durch Hochmuth. Allerdings iſts eine Predigt
über deinen Text p. 35 im Briefe. — Lies Schleiermachers Predigten,
kein gemeines Herz hat hier ſeine Kanzel und kein hölzerner h. Geiſt 15
ſchwebt darüber; ich achte den freien, das Götliche in der Philoſophie
nur achtenden, und vielſinnigern Menſchen (als Fichte iſt). —
Wenn ſchenkt mir Gott den Genus Eines philoſophiſchen Blattes
von dir, es ſei gedrukt, oder geſchrieben oder geſchmiert oder unleſer-
lich? Bruder, gieb! — Herder (ich antworte immerfort auf deinen 20
Brief) erbietet ſich froh und eiferſüchtig zur Edizion Hamans, wenn
du ihm die Reliquien ſchikſt; er wil eine Vorrede dazu machen, und
hinter jedes unveränderte Stük eine Nach-leitung. Thu’ es nur einer;
aber giebſt du, ſo mache ihm die ſchnelleſte Herausgabe zur Bedingung.
— Mein Freund, bei 750 abgeſezten Exemplaren von einem ſo philoſo- 25
phiſchen Briefe wie deinem mus Perthes nicht ſagen nur ſondern
ſchon.
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In Weimar hab’ ich verlernt, über die hippelsche Koppelhut des
Engels und Teufels zu erſtaunen. Es liegt in der (dichteriſch oder
philoſophiſch) darſtellenden Natur; mein Roquairol hat jene ganz, und 30
ich kan dich über dieſe doppelten Handelsbücher im menſchlichen Herz
auf einen recht guten Autor verweiſen, der meines Wiſſens dieſe
Beſonnenheit der Sünde tiefer und fürchterlicher als einer gemalt —
auf dich im Alwil. Aber doch ſind 2 Entſchuldigungen noch da: 1. Die
*) wogegen jezt Nikolai (ein noch ſchlafferer Menſch als Autor) eine parziale 35
Sündfluth — die ſelber die Sünde iſt — aus dem Dintenfas ſchüttet.
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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