Hab' ich dir schon geschrieben, daß mir die Königin bei der Nachricht meiner Verlobung ein ganz silbernes Thee- und Kaffeeservice -- etwan 300 Thaler werth - geschenkt?
96. An Emilie von Berlepsch in Redwin.
Berlin. d. 13. März 1801.5
Theuerste! Ich bekam alle Ihre Briefe, aber antworten wird mir -- bevor ich aus den Berlinischen Lust-Kongressen komme und aus meinem Arbeitshause -- jezt fast unmöglich; und ich bin ein Schuldner der ganzen Schreibwelt. Im Mai zieh' ich sogleich nach der Kopulazion nach Meinungen mit Caroline. Zu andern Reisen geben mir meine10 Bücher keine Musse. Für diese bekomm' ich zwar immer mehr Geld, aber auch für dieses immer mehr insolvente Schuldner. -- O ich möchte noch so gerne vor meiner Flucht aus diesem Sande, meine geliebteste Freundin -- die mir jezt durch ihr Glük und dessen schönen Genus noch näher wird -- an meiner Brust festhalten; aber diesen15 [59]Wunsch kan ich noch schwerer als Sie erfüllen. Vielleicht kehr' ich nie wieder; und darum sehn' ich mich so sehr nach der lezten Umarmung. --
Es ist ein sonderbares Geschik, daß wir beide gerade dieselben uns unentbehrlichen Seelen gefunden. Ihr Geliebter gefält mir aus dem- selben Grunde, warum mir meine Geliebte gefället. Jezt wissen Sie20 vielleicht, wie viel das werth ist was ich sonst vertheidigen muste. Ein so sehr gebildeter und zarter und doch so energischer, reiner und feuriger Man ist in diesem Occident eine orientalische Perle. Sagen Sie ihm meine innigste Bruderliebe und Achtung und die Entschuldigung meines Schweigens. Nichts ist weicher als die Liebe gegen den Ge-25 liebten einer Freundin. Martern Sie ihn nicht mit Weissagungen Ihrer Krankheit; die Ruhe und Wärme des Herzens wird wie ein warmes Klima Ihre Nerven ausheilen. -- So wie Sie werd' auch ich von der Verläumdung auf die Schädelstätte geführt und gekreuzigt; was kan man gegen die Welt thun als sie auslachen und sich mehr und30 ihr weniger trauen? --
Hier hat man mich schon oft verlobt oder gar verheirathet mit -- Verheiratheten.
Dank sei der Vorsehung für das Otaheiti, an dessen Ufer Sie jezt landen. Sogar Ihr litterarischer Geist wird neue Flügelfedern treiben35 (In der Litteraturzeitung sagt der Rezensent der Gedichte der Mereau,
Hab’ ich dir ſchon geſchrieben, daß mir die Königin bei der Nachricht meiner Verlobung ein ganz ſilbernes Thee- und Kaffeeſervice — etwan 300 Thaler werth – geſchenkt?
96. An Emilie von Berlepſch in Redwin.
Berlin. d. 13. März 1801.5
Theuerſte! Ich bekam alle Ihre Briefe, aber antworten wird mir — bevor ich aus den Berliniſchen Luſt-Kongreſſen komme und aus meinem Arbeitshauſe — jezt faſt unmöglich; und ich bin ein Schuldner der ganzen Schreibwelt. Im Mai zieh’ ich ſogleich nach der Kopulazion nach Meinungen mit Caroline. Zu andern Reiſen geben mir meine10 Bücher keine Muſſe. Für dieſe bekomm’ ich zwar immer mehr Geld, aber auch für dieſes immer mehr inſolvente Schuldner. — O ich möchte noch ſo gerne vor meiner Flucht aus dieſem Sande, meine geliebteſte Freundin — die mir jezt durch ihr Glük und deſſen ſchönen Genus noch näher wird — an meiner Bruſt feſthalten; aber dieſen15 [59]Wunſch kan ich noch ſchwerer als Sie erfüllen. Vielleicht kehr’ ich nie wieder; und darum ſehn’ ich mich ſo ſehr nach der lezten Umarmung. —
Es iſt ein ſonderbares Geſchik, daß wir beide gerade dieſelben uns unentbehrlichen Seelen gefunden. Ihr Geliebter gefält mir aus dem- ſelben Grunde, warum mir meine Geliebte gefället. Jezt wiſſen Sie20 vielleicht, wie viel das werth iſt was ich ſonſt vertheidigen muſte. Ein ſo ſehr gebildeter und zarter und doch ſo energiſcher, reiner und feuriger Man iſt in dieſem Occident eine orientaliſche Perle. Sagen Sie ihm meine innigſte Bruderliebe und Achtung und die Entſchuldigung meines Schweigens. Nichts iſt weicher als die Liebe gegen den Ge-25 liebten einer Freundin. Martern Sie ihn nicht mit Weiſſagungen Ihrer Krankheit; die Ruhe und Wärme des Herzens wird wie ein warmes Klima Ihre Nerven ausheilen. — So wie Sie werd’ auch ich von der Verläumdung auf die Schädelſtätte geführt und gekreuzigt; was kan man gegen die Welt thun als ſie auslachen und ſich mehr und30 ihr weniger trauen? —
Hier hat man mich ſchon oft verlobt oder gar verheirathet mit — Verheiratheten.
Dank ſei der Vorſehung für das Otaheiti, an deſſen Ufer Sie jezt landen. Sogar Ihr litterariſcher Geiſt wird neue Flügelfedern treiben35 (In der Litteraturzeitung ſagt der Rezenſent der Gedichte der Mereau,
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Hab’ ich dir ſchon geſchrieben, daß mir die Königin bei der Nachricht
meiner Verlobung ein ganz ſilbernes Thee- und Kaffeeſervice —
etwan 300 Thaler werth – geſchenkt?
96. An Emilie von Berlepſch in Redwin.
Berlin. d. 13. März 1801. 5
Theuerſte! Ich bekam alle Ihre Briefe, aber antworten wird mir
— bevor ich aus den Berliniſchen Luſt-Kongreſſen komme und aus
meinem Arbeitshauſe — jezt faſt unmöglich; und ich bin ein Schuldner
der ganzen Schreibwelt. Im Mai zieh’ ich ſogleich nach der Kopulazion
nach Meinungen mit Caroline. Zu andern Reiſen geben mir meine 10
Bücher keine Muſſe. Für dieſe bekomm’ ich zwar immer mehr Geld,
aber auch für dieſes immer mehr inſolvente Schuldner. — O ich
möchte noch ſo gerne vor meiner Flucht aus dieſem Sande, meine
geliebteſte Freundin — die mir jezt durch ihr Glük und deſſen ſchönen
Genus noch näher wird — an meiner Bruſt feſthalten; aber dieſen 15
Wunſch kan ich noch ſchwerer als Sie erfüllen. Vielleicht kehr’ ich nie
wieder; und darum ſehn’ ich mich ſo ſehr nach der lezten Umarmung. —
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Es iſt ein ſonderbares Geſchik, daß wir beide gerade dieſelben uns
unentbehrlichen Seelen gefunden. Ihr Geliebter gefält mir aus dem-
ſelben Grunde, warum mir meine Geliebte gefället. Jezt wiſſen Sie 20
vielleicht, wie viel das werth iſt was ich ſonſt vertheidigen muſte. Ein
ſo ſehr gebildeter und zarter und doch ſo energiſcher, reiner und feuriger
Man iſt in dieſem Occident eine orientaliſche Perle. Sagen Sie
ihm meine innigſte Bruderliebe und Achtung und die Entſchuldigung
meines Schweigens. Nichts iſt weicher als die Liebe gegen den Ge- 25
liebten einer Freundin. Martern Sie ihn nicht mit Weiſſagungen
Ihrer Krankheit; die Ruhe und Wärme des Herzens wird wie ein
warmes Klima Ihre Nerven ausheilen. — So wie Sie werd’ auch
ich von der Verläumdung auf die Schädelſtätte geführt und gekreuzigt;
was kan man gegen die Welt thun als ſie auslachen und ſich mehr und 30
ihr weniger trauen? —
Hier hat man mich ſchon oft verlobt oder gar verheirathet mit —
Verheiratheten.
Dank ſei der Vorſehung für das Otaheiti, an deſſen Ufer Sie jezt
landen. Sogar Ihr litterariſcher Geiſt wird neue Flügelfedern treiben 35
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/58>, abgerufen am 16.07.2024.
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