Ich hatte mich freilich sehr gefreuet. Gestern hättest du mich nicht gefunden. Heute ess' ich bei dem Minister Hardenberg (um 3 Uhr) und abends (d. h. gleich hinter her) bei Tiek in der Gelehrtengesel-5 schaft. Ich weis nicht, Liebe, wie ich wieder an dein Herz gelangen kan. Hat uns die Bernhard nicht alle verstrikt: so komm' ich freilich morgen. Am Donnerstag bin ich bei der Berg versagt. Ich bin heiter und kräftig. Wenn ich dich nur an mir hätte! Der Frühlingstag leuchtet über unsere künftige Reise hin und das ganze Herz wird helle Hofnung!10 Sie sei in deinem lebendig!
95. An Gottlieb Richter in Sparneck.
Berlin. d. 13. März 1801.
Warum solt' ich auf dich böse sein, lieber Bruder? Aber Briefe kosten mich -- ausser den 8 gr. Porto -- noch so viele Zeit, die ich15 jezt unter so vielen Arbeiten und Besuchen, die ich mache und bekomme, nicht habe. Aller Welt bleib' ich sie schuldig. -- Wilst du von Zeit zu Zeit Neuigkeiten von mir wissen: so frage blos Otto in Bayreuth. Verheirathen werd' ich mich im Mai und nach Meinungen ziehen. Ob ich gleich hier so viele Freunde habe, von den Ministern an bis20 herab und oft 14 Tage hinter einander abends und mittags ausser[58] Hause esse: so zieh ich doch weg, weil hier keine schöne Gegend, kein Bier und keine Wohlfeilheit ist. -- Eine 1te Amtmansstelle bekömst du nicht; und vergeblich bitt' ich nie; also warte, bis eine wahr- scheinlichere Hofnung sich zeigt. Vorgestern lies mich Hardenberg25 zum Essen bitten; im Falle einer Wahrscheinlichkeit wend' ich mich dan an ihn. --
Dem Hohlkopf Adam sage, daß er nie in meine Nähe rücke; und dem Samuel, daß ich, ob ich gleich jezt mehr an seine Besserung glaube, doch ihn mit keinem Gelde -- weil ich selber nicht genug30 habe -- versehen könne; mit dem verschwendeten hätt' er studieren können: jezt ists vorbei. Doch kan er einmal so wie du in ein warmes Nest verpflanzet werden. -- In Meinungen bin ich euch näher. -- Und so lebe wohl; und grüsse meine liebe Frau Schwägerin, der ich für ihr Andenken an mich danke.35
Jean Paul Fr. Richter
4*
94. An Karoline Mayer.
[Berlin, 10. März 1801. Dienstag]
Ich hatte mich freilich ſehr gefreuet. Geſtern hätteſt du mich nicht gefunden. Heute eſſ’ ich bei dem Miniſter Hardenberg (um 3 Uhr) und abends (d. h. gleich hinter her) bei Tiek in der Gelehrtengeſel-5 ſchaft. Ich weis nicht, Liebe, wie ich wieder an dein Herz gelangen kan. Hat uns die Bernhard nicht alle verſtrikt: ſo komm’ ich freilich morgen. Am Donnerſtag bin ich bei der Berg verſagt. Ich bin heiter und kräftig. Wenn ich dich nur an mir hätte! Der Frühlingstag leuchtet über unſere künftige Reiſe hin und das ganze Herz wird helle Hofnung!10 Sie ſei in deinem lebendig!
95. An Gottlieb Richter in Sparneck.
Berlin. d. 13. März 1801.
Warum ſolt’ ich auf dich böſe ſein, lieber Bruder? Aber Briefe koſten mich — auſſer den 8 gr. Porto — noch ſo viele Zeit, die ich15 jezt unter ſo vielen Arbeiten und Beſuchen, die ich mache und bekomme, nicht habe. Aller Welt bleib’ ich ſie ſchuldig. — Wilſt du von Zeit zu Zeit Neuigkeiten von mir wiſſen: ſo frage blos Otto in Bayreuth. Verheirathen werd’ ich mich im Mai und nach Meinungen ziehen. Ob ich gleich hier ſo viele Freunde habe, von den Miniſtern an bis20 herab und oft 14 Tage hinter einander abends und mittags auſſer[58] Hauſe eſſe: ſo zieh ich doch weg, weil hier keine ſchöne Gegend, kein Bier und keine Wohlfeilheit iſt. — Eine 1te Amtmansſtelle bekömſt du nicht; und vergeblich bitt’ ich nie; alſo warte, bis eine wahr- ſcheinlichere Hofnung ſich zeigt. Vorgeſtern lies mich Hardenberg25 zum Eſſen bitten; im Falle einer Wahrſcheinlichkeit wend’ ich mich dan an ihn. —
Dem Hohlkopf Adam ſage, daß er nie in meine Nähe rücke; und dem Samuel, daß ich, ob ich gleich jezt mehr an ſeine Beſſerung glaube, doch ihn mit keinem Gelde — weil ich ſelber nicht genug30 habe — verſehen könne; mit dem verſchwendeten hätt’ er ſtudieren können: jezt iſts vorbei. Doch kan er einmal ſo wie du in ein warmes Neſt verpflanzet werden. — In Meinungen bin ich euch näher. — Und ſo lebe wohl; und grüſſe meine liebe Frau Schwägerin, der ich für ihr Andenken an mich danke.35
Jean Paul Fr. Richter
4*
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94. An Karoline Mayer.
[Berlin, 10. März 1801. Dienstag]
Ich hatte mich freilich ſehr gefreuet. Geſtern hätteſt du mich nicht
gefunden. Heute eſſ’ ich bei dem Miniſter Hardenberg (um 3 Uhr)
und abends (d. h. gleich hinter her) bei Tiek in der Gelehrtengeſel- 5
ſchaft. Ich weis nicht, Liebe, wie ich wieder an dein Herz gelangen kan.
Hat uns die Bernhard nicht alle verſtrikt: ſo komm’ ich freilich morgen.
Am Donnerſtag bin ich bei der Berg verſagt. Ich bin heiter und
kräftig. Wenn ich dich nur an mir hätte! Der Frühlingstag leuchtet
über unſere künftige Reiſe hin und das ganze Herz wird helle Hofnung! 10
Sie ſei in deinem lebendig!
95. An Gottlieb Richter in Sparneck.
Berlin. d. 13. März 1801.
Warum ſolt’ ich auf dich böſe ſein, lieber Bruder? Aber Briefe
koſten mich — auſſer den 8 gr. Porto — noch ſo viele Zeit, die ich 15
jezt unter ſo vielen Arbeiten und Beſuchen, die ich mache und bekomme,
nicht habe. Aller Welt bleib’ ich ſie ſchuldig. — Wilſt du von Zeit zu
Zeit Neuigkeiten von mir wiſſen: ſo frage blos Otto in Bayreuth.
Verheirathen werd’ ich mich im Mai und nach Meinungen ziehen.
Ob ich gleich hier ſo viele Freunde habe, von den Miniſtern an bis 20
herab und oft 14 Tage hinter einander abends und mittags auſſer
Hauſe eſſe: ſo zieh ich doch weg, weil hier keine ſchöne Gegend, kein
Bier und keine Wohlfeilheit iſt. — Eine 1te Amtmansſtelle bekömſt
du nicht; und vergeblich bitt’ ich nie; alſo warte, bis eine wahr-
ſcheinlichere Hofnung ſich zeigt. Vorgeſtern lies mich Hardenberg 25
zum Eſſen bitten; im Falle einer Wahrſcheinlichkeit wend’ ich mich
dan an ihn. —
[58]
Dem Hohlkopf Adam ſage, daß er nie in meine Nähe rücke; und
dem Samuel, daß ich, ob ich gleich jezt mehr an ſeine Beſſerung
glaube, doch ihn mit keinem Gelde — weil ich ſelber nicht genug 30
habe — verſehen könne; mit dem verſchwendeten hätt’ er ſtudieren
können: jezt iſts vorbei. Doch kan er einmal ſo wie du in ein warmes
Neſt verpflanzet werden. — In Meinungen bin ich euch näher. —
Und ſo lebe wohl; und grüſſe meine liebe Frau Schwägerin, der ich
für ihr Andenken an mich danke. 35
Jean Paul Fr. Richter
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/57>, abgerufen am 16.07.2024.
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