Einen Arnim aus Culmbach, der dich und A[möne] sehr kennt und liebt, sprach ich diesen Morgen mit Vergnügen auf meinem Thabors Berg.*) -- Wer Zähne hat, knirschet sie -- damit beissen wäre freilich besser -- sobald er kaiserliche Majestät in Gallien hört. Doch hass' ich Bon[aparte] nicht so sehr als ich die Franzosen verachte; und Göthe5 war weitsichtiger als die Welt, da er schon den Anfang der Revolu- zion so verachtete als wir das Ende.
Die Aesthetik wird 40 Bogen stark; ich bin mit ihr zufrieden; aber sie ist fast leichter zu befolgen als aufzustellen.
Lebe wohl! Les' ich oder hör' ich deine Antwort? -- Frage Amöne,10 ob sie einen Gruß von mir begehrt. Sagt sie ja: so sage: da! --
R.
478. An Christian Otto.
Coburg d. längsten Tag [21. Juni] 1804
den kürzesten Brief; denn ich habe 3 zu schreiben; wovon dieser der15 1te, der an die Harms, die dich morgen abends zu sehen wünscht, der 2te und der an Emanuel der 3te ist, den du lesen sollst, weil [du] viel- leicht den Emanuel antizipieren kannst. -- Im letztern war ich, lieber Otto, vielleicht wider Wissen wild; ich kam eben aus dem Arbeits- Feuer heraus. -- Lebewohl, cura ut -- scribas, ego scribo.20
R.
479. An Emanuel.
Eiligst
C[oburg] d. 21. Jun. 1804 [Donnerstag].
Lieber Emanuel! und Hiob! Die Hiobspost des Logis martert Sie und mich. Ich bleibe nicht hier und sollte mich die Noth nach Nürnberg25 oder Erlang jagen. Könnte man denn nicht auf meine Kosten die Frage ins Zeitungsblatt inserieren? Thuts! -- Eine Magd -- bei Gott, es ist zu arg -- brauchen wir auch; da die Mutter ihre herrliche Tochter mit einem Madonnengesicht (Thümmel sah sie neulich un-[335] verrückt an) und mit einem durchaus vollendeten Betragen nicht30 mit ziehen lässet. -- Künftigen Dienstag schreib ich wieder und lang- samer. Mög' es Ihnen wohl ergehen! Der physische Himmel wenig- stens schließt Ihnen sein Herz und Auge nicht zu. -- Das Bier hier hat
*) bei dem 2ten Perioden darauf unterbrach er mich selber.
Einen Arnim aus Culmbach, der dich und A[möne] ſehr kennt und liebt, ſprach ich dieſen Morgen mit Vergnügen auf meinem Thabors Berg.*) — Wer Zähne hat, knirſchet ſie — damit beiſſen wäre freilich beſſer — ſobald er kaiſerliche Majeſtät in Gallien hört. Doch haſſ’ ich Bon[aparte] nicht ſo ſehr als ich die Franzoſen verachte; und Göthe5 war weitſichtiger als die Welt, da er ſchon den Anfang der Revolu- zion ſo verachtete als wir das Ende.
Die Aeſthetik wird 40 Bogen ſtark; ich bin mit ihr zufrieden; aber ſie iſt faſt leichter zu befolgen als aufzuſtellen.
Lebe wohl! Leſ’ ich oder hör’ ich deine Antwort? — Frage Amöne,10 ob ſie einen Gruß von mir begehrt. Sagt ſie ja: ſo ſage: da! —
R.
478. An Chriſtian Otto.
Coburg d. längſten Tag [21. Juni] 1804
den kürzeſten Brief; denn ich habe 3 zu ſchreiben; wovon dieſer der15 1te, der an die Harms, die dich morgen abends zu ſehen wünſcht, der 2te und der an Emanuel der 3te iſt, den du leſen ſollſt, weil [du] viel- leicht den Emanuel antizipieren kannſt. — Im letztern war ich, lieber Otto, vielleicht wider Wiſſen wild; ich kam eben aus dem Arbeits- Feuer heraus. — Lebewohl, cura ut — scribas, ego scribo.20
R.
479. An Emanuel.
Eiligſt
C[oburg] d. 21. Jun. 1804 [Donnerstag].
Lieber Emanuel! und Hiob! Die Hiobspoſt des Logis martert Sie und mich. Ich bleibe nicht hier und ſollte mich die Noth nach Nürnberg25 oder Erlang jagen. Könnte man denn nicht auf meine Koſten die Frage ins Zeitungsblatt inſerieren? Thuts! — Eine Magd — bei Gott, es iſt zu arg — brauchen wir auch; da die Mutter ihre herrliche Tochter mit einem Madonnengeſicht (Thümmel ſah ſie neulich un-[335] verrückt an) und mit einem durchaus vollendeten Betragen nicht30 mit ziehen läſſet. — Künftigen Dienſtag ſchreib ich wieder und lang- ſamer. Mög’ es Ihnen wohl ergehen! Der phyſiſche Himmel wenig- ſtens ſchließt Ihnen ſein Herz und Auge nicht zu. — Das Bier hier hat
*) bei dem 2ten Perioden darauf unterbrach er mich ſelber.
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Einen Arnim aus Culmbach, der dich und A[möne] ſehr kennt und
liebt, ſprach ich dieſen Morgen mit Vergnügen auf meinem Thabors
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beſſer — ſobald er kaiſerliche Majeſtät in Gallien hört. Doch haſſ’ ich
Bon[aparte] nicht ſo ſehr als ich die Franzoſen verachte; und Göthe 5
war weitſichtiger als die [FORMEL] Welt, da er ſchon den Anfang der Revolu-
zion ſo verachtete als wir das Ende.
Die Aeſthetik wird 40 Bogen ſtark; ich bin mit ihr zufrieden; aber
ſie iſt faſt leichter zu befolgen als aufzuſtellen.
Lebe wohl! Leſ’ ich oder hör’ ich deine Antwort? — Frage Amöne, 10
ob ſie einen Gruß von mir begehrt. Sagt ſie ja: ſo ſage: da! —
R.
478. An Chriſtian Otto.
Coburg d. längſten Tag [21. Juni] 1804
den kürzeſten Brief; denn ich habe 3 zu ſchreiben; wovon dieſer der 15
1te, der an die Harms, die dich morgen abends zu ſehen wünſcht, der
2te und der an Emanuel der 3te iſt, den du leſen ſollſt, weil [du] viel-
leicht den Emanuel antizipieren kannſt. — Im letztern war ich, lieber
Otto, vielleicht wider Wiſſen wild; ich kam eben aus dem Arbeits-
Feuer heraus. — Lebewohl, cura ut — scribas, ego scribo. 20
R.
479. An Emanuel.
EiligſtC[oburg] d. 21. Jun. 1804 [Donnerstag].
Lieber Emanuel! und Hiob! Die Hiobspoſt des Logis martert Sie
und mich. Ich bleibe nicht hier und ſollte mich die Noth nach Nürnberg 25
oder Erlang jagen. Könnte man denn nicht auf meine Koſten die
Frage ins Zeitungsblatt inſerieren? Thuts! — Eine Magd — bei
Gott, es iſt zu arg — brauchen wir auch; da die Mutter ihre herrliche
Tochter mit einem Madonnengeſicht (Thümmel ſah ſie neulich un-
verrückt an) und mit einem durchaus vollendeten Betragen nicht 30
mit ziehen läſſet. — Künftigen Dienſtag ſchreib ich wieder und lang-
ſamer. Mög’ es Ihnen wohl ergehen! Der phyſiſche Himmel wenig-
ſtens ſchließt Ihnen ſein Herz und Auge nicht zu. — Das Bier hier hat
[335]
*) bei dem 2ten Perioden darauf unterbrach er mich ſelber.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/313>, abgerufen am 16.07.2024.
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