Liebe theuere Herder! Der leztere Name muß jezt Ihr geliebtester höchster Titel sein. Mit inniger Freude empfang' ich jeden Brief von Ihnen und schon das schöne Siegel würde mich erfreuen -- ohne die5 Farbe. -- Ich will alle Punkte beantworten.
An Jacobi werd' ich um die Briefe schreiben. Aber wie können Sie bei seiner Kränklichkeit und bei der Schwierigkeit überhaupt, Papiere unter Papieren auszufinden, etwas anderes voraussetzen als Verzögerung? Wenn er mir im Herbste auf ein Blatt vom Frühling10 antwortet, so wundere ich mich schon über seine Eilfertigkeit. -- Auch Hamans Briefe an Herder würden Stellenweise und so weit man nicht kompromittiert diese beiden prophetischen Geister in hohem glänzenden Bunde zeigen. -- Zur bloßen Mühe einer Revision erbieth' ich mich freudig; aber zum Muthe, in einem Blumenbeete einen15 gemächlichen Gang für die Lesewelt platt- und einzutreten, werden mir die Kräfte fehlen. Die kritischen Wälder hält sogar die neueste Schule für sein genialischtestes [!] Werk. Wenigstens muß ich ein fremdes sehr bestimmtes Amputazions-Reglement vorher erhalten. Sie kennen doch alle Seine Werke? Im Museum deutscher Gelehrten20 stehen sie alle. --
d. 14. März.
Seine wenigen Zeilen an mich werd' ich alle -- Gott geb' es -- bringen, statt schicken. Käm' ich jezt noch während Ihrer Gegenwart im alten Hause nicht nach Weimar: es wäre dann gar zu schmerzhaft,25 vor jenem Hause wie vor einer versperrten Vergangenheit der schönsten Tage vorbeizugehen. -- Eben erhalt' ich einen Brief von Jacobi,[314] worin er mir von dem seinigen an Sie und der Erfüllung des Ihrigen schreibt. --
Hier folgt das bestimmtere Verzeichniß Ihrer Bücher, die ich noch30 habe, für den Katalog.
Ihr Trost kan jezt nur in Handlungen und in Erinnerung der ver- gangnen wohnen. Denken Sie sich den Edeln als eine zweite Gottheit, die Ihrer Einsamkeit zusieht und vor welcher Sie leben. Ja -- wenn einmal das Leben hinüberreicht ins zweite -- so kan dieses wieder in35 unseres hereinreichen und wir können, wenn wir hier durch Worte und Gestalten mit Geliebten zusammenlebten, vielleicht (wer will
451. An Karoline Herder.
Coburg. d. 13 März 1804.
Liebe theuere Herder! Der leztere Name muß jezt Ihr geliebteſter höchſter Titel ſein. Mit inniger Freude empfang’ ich jeden Brief von Ihnen und ſchon das ſchöne Siegel würde mich erfreuen — ohne die5 Farbe. — Ich will alle Punkte beantworten.
An Jacobi werd’ ich um die Briefe ſchreiben. Aber wie können Sie bei ſeiner Kränklichkeit und bei der Schwierigkeit überhaupt, Papiere unter Papieren auszufinden, etwas anderes vorausſetzen als Verzögerung? Wenn er mir im Herbſte auf ein Blatt vom Frühling10 antwortet, ſo wundere ich mich ſchon über ſeine Eilfertigkeit. — Auch Hamans Briefe an Herder würden Stellenweiſe und ſo weit man nicht kompromittiert dieſe beiden prophetiſchen Geiſter in hohem glänzenden Bunde zeigen. — Zur bloßen Mühe einer Reviſion erbieth’ ich mich freudig; aber zum Muthe, in einem Blumenbeete einen15 gemächlichen Gang für die Leſewelt platt- und einzutreten, werden mir die Kräfte fehlen. Die kritiſchen Wälder hält ſogar die neueſte Schule für ſein genialiſchteſtes [!] Werk. Wenigſtens muß ich ein fremdes ſehr beſtimmtes Amputazions-Reglement vorher erhalten. Sie kennen doch alle Seine Werke? Im Muſeum deutſcher Gelehrten20 ſtehen ſie alle. —
d. 14. März.
Seine wenigen Zeilen an mich werd’ ich alle — Gott geb’ es — bringen, ſtatt ſchicken. Käm’ ich jezt noch während Ihrer Gegenwart im alten Hauſe nicht nach Weimar: es wäre dann gar zu ſchmerzhaft,25 vor jenem Hauſe wie vor einer verſperrten Vergangenheit der ſchönſten Tage vorbeizugehen. — Eben erhalt’ ich einen Brief von Jacobi,[314] worin er mir von dem ſeinigen an Sie und der Erfüllung des Ihrigen ſchreibt. —
Hier folgt das beſtimmtere Verzeichniß Ihrer Bücher, die ich noch30 habe, für den Katalog.
Ihr Troſt kan jezt nur in Handlungen und in Erinnerung der ver- gangnen wohnen. Denken Sie ſich den Edeln als eine zweite Gottheit, die Ihrer Einſamkeit zuſieht und vor welcher Sie leben. Ja — wenn einmal das Leben hinüberreicht ins zweite — ſo kan dieſes wieder in35 unſeres hereinreichen und wir können, wenn wir hier durch Worte und Geſtalten mit Geliebten zuſammenlebten, vielleicht (wer will
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451. An Karoline Herder.
Coburg. d. 13 März 1804.
Liebe theuere Herder! Der leztere Name muß jezt Ihr geliebteſter
höchſter Titel ſein. Mit inniger Freude empfang’ ich jeden Brief von
Ihnen und ſchon das ſchöne Siegel würde mich erfreuen — ohne die 5
Farbe. — Ich will alle Punkte beantworten.
An Jacobi werd’ ich um die Briefe ſchreiben. Aber wie können
Sie bei ſeiner Kränklichkeit und bei der Schwierigkeit überhaupt,
Papiere unter Papieren auszufinden, etwas anderes vorausſetzen als
Verzögerung? Wenn er mir im Herbſte auf ein Blatt vom Frühling 10
antwortet, ſo wundere ich mich ſchon über ſeine Eilfertigkeit. — Auch
Hamans Briefe an Herder würden Stellenweiſe und ſo weit man
nicht kompromittiert dieſe beiden prophetiſchen Geiſter in hohem
glänzenden Bunde zeigen. — Zur bloßen Mühe einer Reviſion erbieth’
ich mich freudig; aber zum Muthe, in einem Blumenbeete einen 15
gemächlichen Gang für die Leſewelt platt- und einzutreten, werden
mir die Kräfte fehlen. Die kritiſchen Wälder hält ſogar die neueſte
Schule für ſein genialiſchteſtes [!] Werk. Wenigſtens muß ich ein
fremdes ſehr beſtimmtes Amputazions-Reglement vorher erhalten.
Sie kennen doch alle Seine Werke? Im Muſeum deutſcher Gelehrten 20
ſtehen ſie alle. —
d. 14. März.
Seine wenigen Zeilen an mich werd’ ich alle — Gott geb’ es —
bringen, ſtatt ſchicken. Käm’ ich jezt noch während Ihrer Gegenwart
im alten Hauſe nicht nach Weimar: es wäre dann gar zu ſchmerzhaft, 25
vor jenem Hauſe wie vor einer verſperrten Vergangenheit der ſchönſten
Tage vorbeizugehen. — Eben erhalt’ ich einen Brief von Jacobi,
worin er mir von dem ſeinigen an Sie und der Erfüllung des Ihrigen
ſchreibt. —
[314]
Hier folgt das beſtimmtere Verzeichniß Ihrer Bücher, die ich noch 30
habe, für den Katalog.
Ihr Troſt kan jezt nur in Handlungen und in Erinnerung der ver-
gangnen wohnen. Denken Sie ſich den Edeln als eine zweite Gottheit,
die Ihrer Einſamkeit zuſieht und vor welcher Sie leben. Ja — wenn
einmal das Leben hinüberreicht ins zweite — ſo kan dieſes wieder in 35
unſeres hereinreichen und wir können, wenn wir hier durch Worte
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/293>, abgerufen am 16.02.2025.
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