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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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Ihre Taxazion einzelner einiger Karaktere. -- Thieriot sol Fortu-
natus Wünschhütlein lesen; ich gebe diesem den romantischen D[oktor]
und Kardinals-Hut vor manchem andern Buch und Kopf. Wo und
wie ist Ihr Adoptiv-Sohn und mein Maxens Bruder? -- -- Wenn
die Erziehung macht, daß ein Kind Emma den ganzen Tag springt,5
lacht, singt, liebt, oder, ohne dies alles, ruhig den Kopf an Vaters- oder
Mutter-Knie anlegt; und wenn es selber so frei bleibt als es andere
frei lässet: was wil man mehr? Aber später kommen die Aufgaben
des Befehlens und Gehorchens, beiden Theilen schwieriger. -- Noch
hab' ich Ihnen auf diesen 16 Oktavseiten -- wofür ich wenigstens10
8 Quartseiten erwarte -- nicht so viel gesagt als ich bei mir hätte und
von mir gäbe an einem Gartenhausfenster des guten Uhlfelders vor
der herlichen Bayreuther Garten- und Ebenen-Sonne. Gute Nacht,
mein Alter!

d. 29. Gestern glaubte Wangenheim und der geheime Rath Goebel15
und Feder arretiert zu werden; aber umsonst.

Ersuche um die alten Briefschaften; unterschriebner ist die Ordnung
selber, daher er keine braucht.

449. An Esther Domeier (gesch. Bernard).
[Kopie]20

Ich lebe mich froh durchs Leben durch. -- Tochter, die schon als
3/4 Engel geboren wurde, dem ich blos das lezte 1/4 zu geben brauche. --
Ich habe in den Titan mein ideal[isches] Eldorado niedergelegt. --
Das Deutsche als Mutter-, das Englische als Ehesprache -- Engl[and]
damit es nicht unter den Schnabel des gallischen Hahns oder Kapauns25
gerathe. Ihre Schifsmastbäume sind die einzigen Freiheitsbäume in
Europa und nie werde die betäubend-duftende französische Lilie dafür
gesäet.

[313] 450. An Perthes.
[Kopie]30

-- daß Jakobi wie Moos gerade im Winter blüht oder wie ein
südliches Gewächs, das sogar unter der harten Polar Wolke seine
schönere Sonne nicht verläugnet. Er sol nicht eilig schreiben, sondern
eiligst. -- Ich grüsse Ihre Ihrigen.

Ihre Taxazion einzelner 〈einiger〉 Karaktere. — Thieriot ſol Fortu-
natus Wünſchhütlein leſen; ich gebe dieſem den romantiſchen D[oktor]
und Kardinals-Hut vor manchem andern Buch und Kopf. Wo und
wie iſt Ihr Adoptiv-Sohn und mein Maxens Bruder? — — Wenn
die Erziehung macht, daß ein Kind 〈Emma〉 den ganzen Tag ſpringt,5
lacht, ſingt, liebt, oder, ohne dies alles, ruhig den Kopf an Vaters- oder
Mutter-Knie anlegt; und wenn es ſelber ſo frei bleibt als es andere
frei läſſet: was wil man mehr? Aber ſpäter kommen die Aufgaben
des Befehlens und Gehorchens, beiden Theilen ſchwieriger. — Noch
hab’ ich Ihnen auf dieſen 16 Oktavſeiten — wofür ich wenigſtens10
8 Quartſeiten erwarte — nicht ſo viel geſagt als ich bei mir hätte und
von mir gäbe an einem Gartenhausfenſter des guten Uhlfelders vor
der herlichen Bayreuther Garten- und Ebenen-Sonne. Gute Nacht,
mein Alter!

d. 29. Geſtern glaubte Wangenheim und der geheime Rath Goebel15
und Feder arretiert zu werden; aber umſonſt.

Erſuche um die alten Briefſchaften; unterſchriebner iſt die Ordnung
ſelber, daher er keine braucht.

449. An Eſther Domeier (geſch. Bernard).
[Kopie]20

Ich lebe mich froh durchs Leben durch. — Tochter, die ſchon als
¾ Engel geboren wurde, dem ich blos das lezte ¼ zu geben brauche. —
Ich habe in den Titan mein ideal[iſches] Eldorado niedergelegt. —
Das Deutſche als Mutter-, das Engliſche als Eheſprache — Engl[and]
damit es nicht unter den Schnabel des galliſchen Hahns oder Kapauns25
gerathe. Ihre Schifsmaſtbäume ſind die einzigen Freiheitsbäume in
Europa und nie werde die betäubend-duftende franzöſiſche Lilie dafür
geſäet.

[313] 450. An Perthes.
[Kopie]30

— daß Jakobi wie Moos gerade im Winter blüht oder wie ein
ſüdliches Gewächs, das ſogar unter der harten Polar Wolke ſeine
ſchönere Sonne nicht verläugnet. Er ſol nicht eilig ſchreiben, ſondern
eiligſt. — Ich grüſſe Ihre Ihrigen.

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[280/0292] Ihre Taxazion einzelner 〈einiger〉 Karaktere. — Thieriot ſol Fortu- natus Wünſchhütlein leſen; ich gebe dieſem den romantiſchen D[oktor] und Kardinals-Hut vor manchem andern Buch und Kopf. Wo und wie iſt Ihr Adoptiv-Sohn und mein Maxens Bruder? — — Wenn die Erziehung macht, daß ein Kind 〈Emma〉 den ganzen Tag ſpringt, 5 lacht, ſingt, liebt, oder, ohne dies alles, ruhig den Kopf an Vaters- oder Mutter-Knie anlegt; und wenn es ſelber ſo frei bleibt als es andere frei läſſet: was wil man mehr? Aber ſpäter kommen die Aufgaben des Befehlens und Gehorchens, beiden Theilen ſchwieriger. — Noch hab’ ich Ihnen auf dieſen 16 Oktavſeiten — wofür ich wenigſtens 10 8 Quartſeiten erwarte — nicht ſo viel geſagt als ich bei mir hätte und von mir gäbe an einem Gartenhausfenſter des guten Uhlfelders vor der herlichen Bayreuther Garten- und Ebenen-Sonne. Gute Nacht, mein Alter! d. 29. Geſtern glaubte Wangenheim und der geheime Rath Goebel 15 und Feder arretiert zu werden; aber umſonſt. Erſuche um die alten Briefſchaften; unterſchriebner iſt die Ordnung ſelber, daher er keine braucht. 449. An Eſther Domeier (geſch. Bernard). [Koburg, 3. März 1804] 20 Ich lebe mich froh durchs Leben durch. — Tochter, die ſchon als ¾ Engel geboren wurde, dem ich blos das lezte ¼ zu geben brauche. — Ich habe in den Titan mein ideal[iſches] Eldorado niedergelegt. — Das Deutſche als Mutter-, das Engliſche als Eheſprache — Engl[and] damit es nicht unter den Schnabel des galliſchen Hahns oder Kapauns 25 gerathe. Ihre Schifsmaſtbäume ſind die einzigen Freiheitsbäume in Europa und nie werde die betäubend-duftende franzöſiſche Lilie dafür geſäet. 450. An Perthes. [Koburg, 5. März 1804] 30 — daß Jakobi wie Moos gerade im Winter blüht oder wie ein ſüdliches Gewächs, das ſogar unter der harten Polar Wolke ſeine ſchönere Sonne nicht verläugnet. Er ſol nicht eilig ſchreiben, ſondern eiligſt. — Ich grüſſe Ihre Ihrigen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/292>, abgerufen am 22.11.2024.