Zeitungskomtoir, worein ich den Verlust wolte sezen lassen, als der Fund schon von einem Advokaten hineingesezt war, wofür ich 2 gr. zahlen muste. -- Ein Fäsgen an Sie nahm der Fuhrman des leztern ohne mein Wissen mit. -- Herder*) sol sehr krank noch sein. Ich fürchte35 das 2te Unglük. Der Tod meines guten Herzogs in Meiningen ist das5 erste. Am 1. Feiertag abends erfuhr ichs, und der Feiertag hatte Feierabend. Herzlich herzlich liebt' ich ihn und seine Energie und weine mit seinem Land und um sein Land. Auf 16 Jahre ist der schönen Uhr der Perpendikel genommen. Und doch was ist ein solcher Tod gegen den des Sohns Ludwigs XIV, des Schülers Fenelons. --10 Das Lebewohl, mein Alter, gelt' auch ins neue Jahr hinüber. Der lezte Tag des Jahrs ist eigentlich der rechte Geburtstag; und ich gehe da im Finstern mit Vorsäzen auf und ab. Wir wollen uns bleiben, Freund!
R.15
436. An Thieriot.
Coburg d. 29. Dec. 1803.
Mein alter lieber jüngster Alt-Freund Jung-Frau! Nur an Einen könte man schreiben: ewige Geliebte oder --r Geliebter**), ob wir gleich alle von einer Namens Unsterblichkeit auf einer Erde reden,20 die ja selber keine hat. -- Quart macht Worte, Sedez Gedanken, zur Sache! Sie sind in München, cher! -- schreiben daraus, mehr als darüber -- und denken Ihres Orts und für Ihre Person. Ich kan mir das denken, Ihr Denken. Ihre Fata -- oder bayerische -- oder politische -- oder alle -- oder sonstige -- dergleichen such' ich nie25 [293]in Ihren Schreiben, welche Sie ohne Unwahrheit topographieren können von welchem Postamtort Sie wollen; geographisch haben Sie überal Recht und Ihre Briefe solten anfangen: auf der Erde, in der Zeit.
Ihre Briefe an mich erbitt' ich mir mit nächstem zurük, Sie werden30 doch nicht Ihre Gabe stehlen; und hätten Sie den Willen, so hätt' ich das Recht. -- Die Allemannischen Gedichte find' ich eben in Jakobi's Iris auf 1804, gelobt und sogar mit 1. vermehrt, das noch dabei 1) Jakobi und 2) der Autor ins Hoch-Deutsche lucus a non
*) Gestern erfuhr ich endlich, daß er gestorben ist und so schliesset das Jahr.
**) In den Kirchen heisset der Man Gott.
Zeitungskomtoir, worein ich den Verluſt wolte ſezen laſſen, als der Fund ſchon von einem Advokaten hineingeſezt war, wofür ich 2 gr. zahlen muſte. — Ein Fäsgen an Sie nahm der Fuhrman des leztern ohne mein Wiſſen mit. — Herder*) ſol ſehr krank noch ſein. Ich fürchte35 das 2te Unglük. Der Tod meines guten Herzogs in Meiningen iſt das5 erſte. Am 1. Feiertag abends erfuhr ichs, und der Feiertag hatte Feierabend. Herzlich herzlich liebt’ ich ihn und ſeine Energie und weine mit ſeinem Land und um ſein Land. Auf 16 Jahre iſt der ſchönen Uhr der Perpendikel genommen. Und doch was iſt ein ſolcher Tod gegen den des Sohns Ludwigs XIV, des Schülers Fenelons. —10 Das Lebewohl, mein Alter, gelt’ auch ins neue Jahr hinüber. Der lezte Tag des Jahrs iſt eigentlich der rechte Geburtstag; und ich gehe da im Finſtern mit Vorſäzen auf und ab. Wir wollen uns bleiben, Freund!
R.15
436. An Thieriot.
Coburg d. 29. Dec. 1803.
Mein alter lieber jüngſter Alt-Freund 〈Jung-Frau〉! Nur an Einen könte man ſchreiben: ewige Geliebte oder —r Geliebter**), ob wir gleich alle von einer Namens Unſterblichkeit auf einer Erde reden,20 die ja ſelber keine hat. — Quart macht Worte, Sedez Gedanken, zur Sache! Sie ſind in München, cher! — ſchreiben daraus, mehr als darüber — und denken Ihres Orts und für Ihre Perſon. Ich kan mir das denken, Ihr Denken. Ihre Fata — oder bayeriſche — oder politiſche — oder alle — oder ſonſtige — dergleichen ſuch’ ich nie25 [293]in Ihren Schreiben, welche Sie ohne Unwahrheit topographieren können von welchem Poſtamt〈ort〉 Sie wollen; geographiſch haben Sie überal Recht und Ihre Briefe ſolten anfangen: auf der Erde, in der Zeit.
Ihre Briefe an mich erbitt’ ich mir mit nächſtem zurük, Sie werden30 doch nicht Ihre Gabe ſtehlen; und hätten Sie den Willen, ſo hätt’ ich das Recht. — Die Allemanniſchen Gedichte find’ ich eben in Jakobi’s Iris auf 1804, gelobt und ſogar mit 1. vermehrt, das noch dabei 1) Jakobi und 2) der Autor ins Hoch-Deutſche 〈lucus a non
*) Geſtern erfuhr ich endlich, daß er geſtorben iſt und ſo ſchlieſſet das Jahr.
**) In den Kirchen heiſſet der Man Gott.
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Zeitungskomtoir, worein ich den Verluſt wolte ſezen laſſen, als der
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zahlen muſte. — Ein Fäsgen an Sie nahm der Fuhrman des leztern
ohne mein Wiſſen mit. — Herder *) ſol ſehr krank noch ſein. Ich fürchte 35
das 2te Unglük. Der Tod meines guten Herzogs in Meiningen iſt das 5
erſte. Am 1. Feiertag abends erfuhr ichs, und der Feiertag hatte
Feierabend. Herzlich herzlich liebt’ ich ihn und ſeine Energie und
weine mit ſeinem Land und um ſein Land. Auf 16 Jahre iſt der
ſchönen Uhr der Perpendikel genommen. Und doch was iſt ein ſolcher
Tod gegen den des Sohns Ludwigs XIV, des Schülers Fenelons. — 10
Das Lebewohl, mein Alter, gelt’ auch ins neue Jahr hinüber. Der
lezte Tag des Jahrs iſt eigentlich der rechte Geburtstag; und ich
gehe da im Finſtern mit Vorſäzen auf und ab. Wir wollen uns
bleiben, Freund!
R. 15
436. An Thieriot.
Coburg d. 29. Dec. 1803.
Mein alter lieber jüngſter Alt-Freund 〈Jung-Frau〉! Nur an
Einen könte man ſchreiben: ewige Geliebte oder —r Geliebter **), ob
wir gleich alle von einer Namens Unſterblichkeit auf einer Erde reden, 20
die ja ſelber keine hat. — Quart macht Worte, Sedez Gedanken, zur
Sache! Sie ſind in München, cher! — ſchreiben daraus, mehr als
darüber — und denken Ihres Orts und für Ihre Perſon. Ich kan
mir das denken, Ihr Denken. Ihre Fata — oder bayeriſche — oder
politiſche — oder alle — oder ſonſtige — dergleichen ſuch’ ich nie 25
in Ihren Schreiben, welche Sie ohne Unwahrheit topographieren
können von welchem Poſtamt〈ort〉 Sie wollen; geographiſch haben
Sie überal Recht und Ihre Briefe ſolten anfangen: auf der Erde,
in der Zeit.
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Ihre Briefe an mich erbitt’ ich mir mit nächſtem zurük, Sie werden 30
doch nicht Ihre Gabe ſtehlen; und hätten Sie den Willen, ſo hätt’
ich das Recht. — Die Allemanniſchen Gedichte find’ ich eben in
Jakobi’s Iris auf 1804, gelobt und ſogar mit 1. vermehrt, das noch
dabei 1) Jakobi und 2) der Autor ins Hoch-Deutſche 〈lucus a non
*) Geſtern erfuhr ich endlich, daß er geſtorben iſt und ſo ſchlieſſet das Jahr.
**) In den Kirchen heiſſet der Man Gott.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/274>, abgerufen am 16.02.2025.
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