lucendo übersezt haben. Solche Gedichte kan man nicht profanieren wie die Schillerschen, die zugleich der Menge und ihrem Gegensaze zusagen; denn jene werden nur geliebt und nur verworfen, nie nach- gebetet. Spazieren schlug ich blos das Loben vor, und er legte mir es auf.5
Ein herlicher, aus Hessen gebürtiger hier privatisierender 12jähriger Junge und 4jähriger Geiger erwirbt hier jeden Beifal und -- Wunsch, daß Sie ihn zu Ihrem Apostel annähmen für Geld -- wie? Ich hört' ihn geigen; freilich sah ich ihn auch geigen; denn er bewegte sehr den Ober-Arm, was unerlaubt.10
[mit dicken Bogenlinien ausgestrichen:Ich wolte mehreres ausstreichen blos um Ihnen die Freude eines längeren Lesens nicht zu entziehen, aber nein!]
Aber die Allegorie! Prosa und Poesie, gerade und bogige Linie und beide einander auf- hebend! -- Meine "Vorlesungen" halten erst auf dem 8ten Druk-15 Bogen und in der Definizion des Lächerlichen, das -- wenn von mir gegen Kant und seinen Nachdenker Schiller*) das Erhabne als ange-35 wandtes Unendliches Vernunft definiert ist -- nur ein sinliches angewandtes Unverständiges Un-Verstand Endlichkeit**) sein kan. Ich habe viel zu widerlegen. Das Werk wird stark, drängt20 sich aber auf einmal mit allen Gliedern ins Sein. Nach dem Kapitel[294] über die Griechen würden Sie kaum glauben, daß ein Kapitel über das Romantische kommen könte; allein doch! -- Warlich ich nähme darein eine scharfe benante benamsete Kritik des Titans von Ihnen gegen Geld auf, das Sie bekämen, wenn Sie wolten! Denn ich hätte25 Gelegenheit einmal über dieses Werk antiphonierend recht zu reden, dessen Fokus noch nicht einleuchten und einbrennen wil. Freund, schreibt! -- Ihren Anti-Voß schrieben einige Ortlof Schlossern zu.
-- Emma'n solten Sie jezt fröhlich laufen ja singend tanzen sehen nach dem Klavier und reden hören z. B. Spiten stat Spiz, Päpä stat30 Papier, Bröd stat Brod, äh äh stat 2er optischer Sachen; vieles aber spricht sie korrekt. Sie ist nun so korrekt und herlich und sonst, daß sie bei dem Vater 1/3 Tags sein mus, auch wenn der trefliche arbeitet.
*) Schillers ästhetische Abhandlungen, die ich sonst bewunderte, find' ich jezt schön und leer.
**) Es ist nur ein künstliches minimum, was gar nicht im Objekte zu sein braucht; aber wie sollen Sie mich verstehen?
lucendo〉 überſezt haben. Solche Gedichte kan man nicht profanieren wie die Schillerſchen, die zugleich der Menge und ihrem Gegenſaze zuſagen; denn jene werden nur geliebt und nur verworfen, nie nach- gebetet. Spazieren ſchlug ich blos das Loben vor, und er legte mir es auf.5
Ein herlicher, aus Heſſen gebürtiger hier privatiſierender 12jähriger Junge und 4jähriger Geiger erwirbt hier jeden Beifal und — Wunſch, daß Sie ihn zu Ihrem Apoſtel annähmen für Geld — wie? Ich hört’ ihn geigen; freilich ſah ich ihn auch geigen; denn er bewegte ſehr den Ober-Arm, was unerlaubt.10
[mit dicken Bogenlinien ausgestrichen:Ich wolte mehreres ausſtreichen blos um Ihnen die Freude eines längeren Leſens nicht zu entziehen, aber nein!]
Aber die Allegorie! Proſa und Poeſie, gerade und bogige Linie und beide einander auf- hebend! — Meine „Vorleſungen“ halten erſt auf dem 8ten Druk-15 Bogen und in der Definizion des Lächerlichen, das — wenn von mir gegen Kant und ſeinen Nachdenker Schiller*) das Erhabne als ange-35 wandtes Unendliches 〈Vernunft〉 definiert iſt — nur ein ſinliches 〈angewandtes〉 Unverſtändiges 〈Un-Verſtand〉 〈Endlichkeit〉**) ſein kan. Ich habe viel zu widerlegen. Das Werk wird ſtark, drängt20 ſich aber auf einmal mit allen Gliedern ins Sein. Nach dem Kapitel[294] über die Griechen würden Sie kaum glauben, daß ein Kapitel über das Romantiſche kommen könte; allein doch! — Warlich ich nähme darein eine ſcharfe benante 〈benamſete〉 Kritik des Titans von Ihnen gegen Geld auf, das Sie bekämen, wenn Sie wolten! Denn ich hätte25 Gelegenheit einmal über dieſes Werk antiphonierend recht zu reden, deſſen Fokus noch nicht einleuchten und einbrennen wil. Freund, ſchreibt! — Ihren Anti-Voß ſchrieben einige 〈Ortlof〉 Schloſſern zu.
— Emma’n ſolten Sie jezt fröhlich laufen ja ſingend tanzen ſehen nach dem Klavier und reden hören z. B. Spiten ſtat Spiz, Päpä ſtat30 Papier, Bröd ſtat Brod, äh äh ſtat 2er optiſcher Sachen; vieles aber ſpricht ſie korrekt. Sie iſt nun ſo korrekt und herlich und ſonſt, daß ſie bei dem Vater ⅓ Tags ſein mus, auch wenn der trefliche arbeitet.
*) Schillers äſthetiſche Abhandlungen, die ich ſonſt bewunderte, find’ ich jezt ſchön und leer.
**) Es iſt nur ein künſtliches minimum, was gar nicht im Objekte zu ſein braucht; aber wie ſollen Sie mich verſtehen?
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gebetet. Spazieren ſchlug ich blos das Loben vor, und er legte mir
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Ein herlicher, aus Heſſen gebürtiger hier privatiſierender 12jähriger
Junge und 4jähriger Geiger erwirbt hier jeden Beifal und — Wunſch,
daß Sie ihn zu Ihrem Apoſtel annähmen für Geld — wie? Ich hört’
ihn geigen; freilich ſah ich ihn auch geigen; denn er bewegte ſehr den
Ober-Arm, was unerlaubt. 10
Aber die Allegorie!
Proſa und Poeſie, gerade und bogige Linie und beide einander auf-
hebend! — Meine „Vorleſungen“ halten erſt auf dem 8ten Druk- 15
Bogen und in der Definizion des Lächerlichen, das — wenn von mir
gegen Kant und ſeinen Nachdenker Schiller *) das Erhabne als ange- 35
wandtes Unendliches 〈Vernunft〉 definiert iſt — nur ein ſinliches
〈angewandtes〉 Unverſtändiges 〈Un-Verſtand〉 〈Endlichkeit〉 **)
ſein kan. Ich habe viel zu widerlegen. Das Werk wird ſtark, drängt 20
ſich aber auf einmal mit allen Gliedern ins Sein. Nach dem Kapitel
über die Griechen würden Sie kaum glauben, daß ein Kapitel über
das Romantiſche kommen könte; allein doch! — Warlich ich nähme
darein eine ſcharfe benante 〈benamſete〉 Kritik des Titans von Ihnen
gegen Geld auf, das Sie bekämen, wenn Sie wolten! Denn ich hätte 25
Gelegenheit einmal über dieſes Werk antiphonierend recht zu reden,
deſſen Fokus noch nicht einleuchten und einbrennen wil. Freund,
ſchreibt! — Ihren Anti-Voß ſchrieben einige 〈Ortlof〉 Schloſſern zu.
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— Emma’n ſolten Sie jezt fröhlich laufen ja ſingend tanzen ſehen
nach dem Klavier und reden hören z. B. Spiten ſtat Spiz, Päpä ſtat 30
Papier, Bröd ſtat Brod, äh äh ſtat 2er optiſcher Sachen; vieles aber
ſpricht ſie korrekt. Sie iſt nun ſo korrekt und herlich und ſonſt, daß ſie
bei dem Vater ⅓ Tags ſein mus, auch wenn der trefliche arbeitet.
*) Schillers äſthetiſche Abhandlungen, die ich ſonſt bewunderte, find’ ich jezt
ſchön und leer.
**) Es iſt nur ein künſtliches minimum, was gar nicht im Objekte zu ſein
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/275>, abgerufen am 16.02.2025.
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