für unsere Kinder unter den Druk der schweren Erde legt. -- Bei dem Almächtigen, ich habe dir nie das Übermaas, nicht das Maas meiner Liebe gesagt, obwohl beides des Tadels. -- Bedenk immer, [290]daß du hast, was nur angeboren wird, und daß ich nur vermisse, was sich erwerben lässet. -- Und so glaube an mich, Frau und Mutter,5 du doppelt-Gekrönte!
435. An Emanuel.
Coburg d. 27. Dec. 1803 [Dienstag].
Meinem alten Emanuel wil [ich] ein wenig briefschreiben, ob ich gleich erst Sonabends frankiere. -- Schon Ihr Name (mein10 Gedächtnis- und Vorbrief-Buch liegt vor mir aufgeschlagen, damit ich nichts zu schreiben vergesse) erinnert mich an die hiesige Prinzes Sophie, welche mir auf Fragen nach Namen rieth (und ohne von Gevatterschaft zu wissen) Maxen Emanuel zu nennen. Aber sie war in Bayreuth und hörte von Ihnen.15
= Beiliegendes ist freilich das Kleinste, was man von einer Prin- zessin -- sie heisset aber Victoire -- bekommen kan, indes solten Sie mehr den Ort schäzen, wovon das Geschenk -- an mich und dadurch an Sie -- herkomt, nämlich das Knie. Ich brauch' Ihnen nun nicht mit so vielen Worten als ich schon gemacht, erst weitläuftig zu be-20 richten, daß angebognes Band-Trum gleichsam wie ein Polype und Leitton den Braut- und Frauenstand der an den redlichen (ein her- liches Wort) Prinzen von Leiningen kopulierten Victoire, in voriger Woche noch verknüpfte, bis das Band -- fragmentarisch -- vom Knie -- auf den Silberteller -- an mich -- an Sie kam, wo ich hoffe,25 daß es bleibt, weil Sie jede Vergangenheit zum Bleiben und also zur Gegenwart machen. Es sei Ihnen hiemit geschenkt.
Da nun die Cour-Nacht vorüber ist: so solt' ich mehr vom Cour- Tage sprechen. Neun Thaler kostet mich der -- -Tag, wenn ich Hut, Patentschnallen und Seidenstrümpfe zusammenrechne, das Borgen30 abgerechnet, was in einem besezten Degen von Wangenheim be- stand. Es ist nämlich so: -- und wird warlich einst von mir als Bei- spiel almähliger Inko[n]sequenz und Herabnäherung dargestelt, und wärs nur, um mich nicht so wohl zu honorieren als buchhändlerisch honorieren zu lassen --: daß ich stets am Hofe allein ohne Degen und35 [291]Schnallen erschien und nun jezt bei grosser Cour mit beiden kommen
für unſere Kinder unter den Druk der ſchweren Erde legt. — Bei dem Almächtigen, ich habe dir nie das Übermaas, nicht das Maas meiner Liebe geſagt, obwohl beides des Tadels. — Bedenk immer, [290]daß du haſt, was nur angeboren wird, und daß ich nur vermiſſe, was ſich erwerben läſſet. — Und ſo glaube an mich, Frau und Mutter,5 du doppelt-Gekrönte!
435. An Emanuel.
Coburg d. 27. Dec. 1803 [Dienstag].
Meinem alten Emanuel wil [ich] ein wenig briefſchreiben, ob ich gleich erſt Sonabends frankiere. — Schon Ihr Name (mein10 Gedächtnis- und Vorbrief-Buch liegt vor mir aufgeſchlagen, damit ich nichts zu ſchreiben vergeſſe) erinnert mich an die hieſige Prinzes Sophie, welche mir auf Fragen nach Namen rieth (und ohne von Gevatterſchaft zu wiſſen) Maxen Emanuel zu nennen. Aber ſie war in Bayreuth und hörte von Ihnen.15
= Beiliegendes iſt freilich das Kleinſte, was man von einer Prin- zeſſin — ſie heiſſet aber Victoire — bekommen kan, indes ſolten Sie mehr den Ort ſchäzen, wovon das Geſchenk — an mich und dadurch an Sie — herkomt, nämlich das Knie. Ich brauch’ Ihnen nun nicht mit ſo vielen Worten als ich ſchon gemacht, erſt weitläuftig zu be-20 richten, daß angebognes Band-Trum gleichſam wie ein Polype und Leitton den Braut- und Frauenſtand der an den redlichen (ein her- liches Wort) Prinzen von Leiningen kopulierten Victoire, in voriger Woche noch verknüpfte, bis das Band — fragmentariſch — vom Knie — auf den Silberteller — an mich — an Sie kam, wo ich hoffe,25 daß es bleibt, weil Sie jede Vergangenheit zum Bleiben und alſo zur Gegenwart machen. Es ſei Ihnen hiemit geſchenkt.
Da nun die Cour-Nacht vorüber iſt: ſo ſolt’ ich mehr vom Cour- Tage ſprechen. Neun Thaler koſtet mich der — -Tag, wenn ich Hut, Patentſchnallen und Seidenſtrümpfe zuſammenrechne, das Borgen30 abgerechnet, was in einem beſezten Degen von Wangenheim be- ſtand. Es iſt nämlich ſo: — und wird warlich einſt von mir als Bei- ſpiel almähliger Inko[n]ſequenz und Herabnäherung dargeſtelt, und wärs nur, um mich nicht ſo wohl zu honorieren als buchhändleriſch honorieren zu laſſen —: daß ich ſtets am Hofe allein ohne Degen und35 [291]Schnallen erſchien und nun jezt bei groſſer Cour mit beiden kommen
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für unſere Kinder unter den Druk der ſchweren Erde legt. — Bei dem
Almächtigen, ich habe dir nie das Übermaas, nicht das Maas
meiner Liebe geſagt, obwohl beides des Tadels. — Bedenk immer,
daß du haſt, was nur angeboren wird, und daß ich nur vermiſſe, was
ſich erwerben läſſet. — Und ſo glaube an mich, Frau und Mutter, 5
du doppelt-Gekrönte!
[290]
435. An Emanuel.
Coburg d. 27. Dec. 1803 [Dienstag].
Meinem alten Emanuel wil [ich] ein wenig briefſchreiben, ob
ich gleich erſt Sonabends frankiere. — Schon Ihr Name (mein 10
Gedächtnis- und Vorbrief-Buch liegt vor mir aufgeſchlagen, damit
ich nichts zu ſchreiben vergeſſe) erinnert mich an die hieſige Prinzes
Sophie, welche mir auf Fragen nach Namen rieth (und ohne von
Gevatterſchaft zu wiſſen) Maxen Emanuel zu nennen. Aber ſie war
in Bayreuth und hörte von Ihnen. 15
= Beiliegendes iſt freilich das Kleinſte, was man von einer Prin-
zeſſin — ſie heiſſet aber Victoire — bekommen kan, indes ſolten Sie
mehr den Ort ſchäzen, wovon das Geſchenk — an mich und dadurch
an Sie — herkomt, nämlich das Knie. Ich brauch’ Ihnen nun nicht
mit ſo vielen Worten als ich ſchon gemacht, erſt weitläuftig zu be- 20
richten, daß angebognes Band-Trum gleichſam wie ein Polype und
Leitton den Braut- und Frauenſtand der an den redlichen (ein her-
liches Wort) Prinzen von Leiningen kopulierten Victoire, in voriger
Woche noch verknüpfte, bis das Band — fragmentariſch — vom Knie
— auf den Silberteller — an mich — an Sie kam, wo ich hoffe, 25
daß es bleibt, weil Sie jede Vergangenheit zum Bleiben und alſo
zur Gegenwart machen. Es ſei Ihnen hiemit geſchenkt.
Da nun die Cour-Nacht vorüber iſt: ſo ſolt’ ich mehr vom Cour-
Tage ſprechen. Neun Thaler koſtet mich der — -Tag, wenn ich Hut,
Patentſchnallen und Seidenſtrümpfe zuſammenrechne, das Borgen 30
abgerechnet, was in einem beſezten Degen von Wangenheim be-
ſtand. Es iſt nämlich ſo: — und wird warlich einſt von mir als Bei-
ſpiel almähliger Inko[n]ſequenz und Herabnäherung dargeſtelt,
und wärs nur, um mich nicht ſo wohl zu honorieren als buchhändleriſch
honorieren zu laſſen —: daß ich ſtets am Hofe allein ohne Degen und 35
Schnallen erſchien und nun jezt bei groſſer Cour mit beiden kommen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/272>, abgerufen am 16.07.2024.
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