Eben wil ich das Paquet an Otto schliessen und Ihres kömt. Ich habe wieder Freude über Ihre Freude an meiner; und so schlägt das5 schöne Echo ewig hin und her. Über das Bier hat Otto etwas zu sagen. -- Im künftigen Jahre zieh ich entschieden Ihrem Brau- und eignen Hause näher. -- Meine Frau blüht als wäre sie die Blüte, und nicht der Stam derselben. Vielleicht schon im September trägt sie ihre schöne Last schon am Herzen.10
Ich bin Ihnen verdamt viel Geld schuldig und ich wolte, ich könte es wie meine meisten Schuldner machen, die mich passen lassen. Ich harre auf Dosen und dergl., um abzutragen. -- Wie der Reichthum furchtsam macht! Wenn ich nur 150 rtl. im Hause habe: ängstige ich mich vor Zufällen und sorge, daß es nicht lange. Sonst gieng ich mit15 150 gr. in der Tasche kek durch alle Thore und hatte Mitleiden mit armen Teufeln, sagte mir aber, sei demüthig. -- Ihr Gedanke über Versöhnung in Liebe und in Freundschaft steht auch in den Mumien. Leben Sie wohl, lieber Liebender! Gott gebe Ihnen d. h. andern viel Freude!20
R.
N. S. Christ[ophs] Schenkung ist ja nur ein 1/4; die 3/4 gehören den andern? Auch das Lob auf ihn ist Verwechslung. -- Finden nicht viele die preussischen Feder-Eroberungen unrechtmässig, hingegen die gallischen Degen-Eroberungen recht? Und doch ergänzt dort die Feder[196]25 den Degen, und hier der Degen die Feder. Ich bin mit diesem west- phälischen Frieden ganz zufrieden. Ist einmal Krieg nöthig (d. h. ein Staaten-Laster) so ist der friedliche mir der liebste. -- Als ich den Brief an die Postmeisterin schrieb, waren warlich noch schöne und dumme Zeiten. Das Dumme hass' ich jezt bitter und mich dazu.
30
Lieber lieber Emanuel,
Wenn das Verlangen nach einem Briefe von Ihnen meinen Mann überfiel, dachte ich an meine Schuld, dachte an sie, und machte sie nicht wieder gut -- aber jezt verzeih ich mir selbst leichter, weil meine Sorgen für die Zukunft wirklich recht dringend sind, und ich nun einmal so eigensinnig bin, alles was ich für unser liebes35 Wesen bedarf selbst zu arbeiten, so sehr mein Mann mich zu fremder Hülfe treibt. Ich lebe jezt blos dafür und bin unaussprechlich glüklich.
309. An Emanuel.
M[einingen] d. 10. Sept. 1802 [Freitag].
Eilig, da ich todt bin vom Briefſtellern.
Eben wil ich das Paquet an Otto ſchlieſſen und Ihres kömt. Ich habe wieder Freude über Ihre Freude an meiner; und ſo ſchlägt das5 ſchöne Echo ewig hin und her. Über das Bier hat Otto etwas zu ſagen. — Im künftigen Jahre zieh ich entſchieden Ihrem Brau- und eignen Hauſe näher. — Meine Frau blüht als wäre ſie die Blüte, und nicht der Stam derſelben. Vielleicht ſchon im September trägt ſie ihre ſchöne Laſt ſchon am Herzen.10
Ich bin Ihnen verdamt viel Geld ſchuldig und ich wolte, ich könte es wie meine meiſten Schuldner machen, die mich paſſen laſſen. Ich harre auf Doſen und dergl., um abzutragen. — Wie der Reichthum furchtſam macht! Wenn ich nur 150 rtl. im Hauſe habe: ängſtige ich mich vor Zufällen und ſorge, daß es nicht lange. Sonſt gieng ich mit15 150 gr. in der Taſche kek durch alle Thore und hatte Mitleiden mit armen Teufeln, ſagte mir aber, ſei demüthig. — Ihr Gedanke über Verſöhnung in Liebe und in Freundſchaft ſteht auch in den Mumien. Leben Sie wohl, lieber Liebender! Gott gebe Ihnen d. h. andern viel Freude!20
R.
N. S. Christ[ophs] Schenkung iſt ja nur ein ¼; die ¾ gehören den andern? Auch das Lob auf ihn iſt Verwechslung. — Finden nicht viele die preuſſiſchen Feder-Eroberungen unrechtmäſſig, hingegen die galliſchen Degen-Eroberungen recht? Und doch ergänzt dort die Feder[196]25 den Degen, und hier der Degen die Feder. Ich bin mit dieſem weſt- phäliſchen Frieden ganz zufrieden. Iſt einmal Krieg nöthig (d. h. ein Staaten-Laſter) ſo iſt der friedliche mir der liebſte. — Als ich den Brief an die Poſtmeiſterin ſchrieb, waren warlich noch ſchöne und dumme Zeiten. Das Dumme haſſ’ ich jezt bitter und mich dazu.
30
Lieber lieber Emanuel,
Wenn das Verlangen nach einem Briefe von Ihnen meinen Mann überfiel, dachte ich an meine Schuld, dachte an ſie, und machte ſie nicht wieder gut — aber jezt verzeih ich mir ſelbſt leichter, weil meine Sorgen für die Zukunft wirklich recht dringend ſind, und ich nun einmal ſo eigenſinnig bin, alles was ich für unſer liebes35 Weſen bedarf ſelbſt zu arbeiten, ſo ſehr mein Mann mich zu fremder Hülfe treibt. Ich lebe jezt blos dafür und bin unausſprechlich glüklich.
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Eilig, da ich todt bin vom Briefſtellern.
Eben wil ich das Paquet an Otto ſchlieſſen und Ihres kömt. Ich
habe wieder Freude über Ihre Freude an meiner; und ſo ſchlägt das 5
ſchöne Echo ewig hin und her. Über das Bier hat Otto etwas zu ſagen.
— Im künftigen Jahre zieh ich entſchieden Ihrem Brau- und eignen
Hauſe näher. — Meine Frau blüht als wäre ſie die Blüte, und nicht
der Stam derſelben. Vielleicht ſchon im September trägt ſie ihre
ſchöne Laſt ſchon am Herzen. 10
Ich bin Ihnen verdamt viel Geld ſchuldig und ich wolte, ich könte
es wie meine meiſten Schuldner machen, die mich paſſen laſſen. Ich
harre auf Doſen und dergl., um abzutragen. — Wie der Reichthum
furchtſam macht! Wenn ich nur 150 rtl. im Hauſe habe: ängſtige ich
mich vor Zufällen und ſorge, daß es nicht lange. Sonſt gieng ich mit 15
150 gr. in der Taſche kek durch alle Thore und hatte Mitleiden mit
armen Teufeln, ſagte mir aber, ſei demüthig. — Ihr Gedanke über
Verſöhnung in Liebe und in Freundſchaft ſteht auch in den Mumien.
Leben Sie wohl, lieber Liebender! Gott gebe Ihnen d. h. andern viel
Freude! 20
R.
N. S. Christ[ophs] Schenkung iſt ja nur ein ¼; die ¾ gehören
den andern? Auch das Lob auf ihn iſt Verwechslung. — Finden nicht
viele die preuſſiſchen Feder-Eroberungen unrechtmäſſig, hingegen die
galliſchen Degen-Eroberungen recht? Und doch ergänzt dort die Feder 25
den Degen, und hier der Degen die Feder. Ich bin mit dieſem weſt-
phäliſchen Frieden ganz zufrieden. Iſt einmal Krieg nöthig (d. h. ein
Staaten-Laſter) ſo iſt der friedliche mir der liebſte. — Als ich den
Brief an die Poſtmeiſterin ſchrieb, waren warlich noch ſchöne und
dumme Zeiten. Das Dumme haſſ’ ich jezt bitter und mich dazu.
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Lieber lieber Emanuel,
Wenn das Verlangen nach einem Briefe von Ihnen meinen Mann überfiel,
dachte ich an meine Schuld, dachte an ſie, und machte ſie nicht wieder gut — aber
jezt verzeih ich mir ſelbſt leichter, weil meine Sorgen für die Zukunft wirklich recht
dringend ſind, und ich nun einmal ſo eigenſinnig bin, alles was ich für unſer liebes 35
Weſen bedarf ſelbſt zu arbeiten, ſo ſehr mein Mann mich zu fremder Hülfe treibt.
Ich lebe jezt blos dafür und bin unausſprechlich glüklich.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/182>, abgerufen am 16.02.2025.
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