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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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publizierten Briefe. Was Haman von der Sprache sagt, hatte Herder
und Jacobi schon viel früher gesagt; und seine wenigen Anmerkungen
verschwinden gegen die vielzähligen Herders. Er würde von diesem
Giftbäumgen gewis krank. --

497. An Emilie von Berlepsch in Edinburg.5
[Kopie]

Berlin ist mehr ein Welttheil als eine Stadt, wo sich aus der
grösseren Menge leichter eine gesellige Einsamkeit erwählen lässet, da
fänden Sie Ihren ruhigsten Hafen in Deutschland. -- Kanst du dein
sonderbar gewundnes Leben, das mehr deinen Werth als dein Glük10
vermehrte, nur auf ein Jahr weissagen und es beschwören, daß du
nicht Klippen und Inseln verwechselst? Und wenn nun das Schiksal
Ihre Individualität nicht anders erziehen konte als in diesem rauhen,
Blätterabwehenden Wetter? Ach der Mensch fängt immer von der
höhern Freude die Foderung der noch höhern an, anstat die Zufrieden-15
heit mit jener -- [Ich] rathe, nicht sich dem trüben Winter mit einem
trüben Geiste preiszugeben. Trau deinem Herzen und dem Gott, der es
schuf, und wafne eben [?] deinen Muth nicht gegen dich sondern für
dich.

[385]*498. An Renate Otto.20

Meine gute Renate! Mein Brief sol sogleich mit einer Bitte an-
fangen. Ich habe einmal ein Kochbuch von Ihrer Frau Mutter und
aus ihm den Namen: "Suppe a la Brittaniere mit Locken" für meinen
Titan geborgt. Der Erbprinz von Gotha wil seinem Onkel, der nicht25
an die Suppe glauben wil, eine zum Geburtstag kochen, und ich ver-
sprach ihm den Titel des Kochbuchs und die Zubereitung der lockigen
Suppe. Daher bitt' ich Sie um beide, aber verschieben Sie die Nach-
richt nicht ganz bis auf den zweiten Geburtstag.

Geben Sie mir auch eine lange von sich und Ihren Geliebten und30
Ihren Freuden. Wie hat ein einziges Jahr Hof für mich entvölkert!
Wenn ich einmal hinkomme, werd' ich gerührt meine noch einzige
Jugendfreundin suchen und mit ihr auf die frühere volle Zeit zurük-
blicken. Niemals wird meine gute Renate unter den vielen Gestalten

publizierten Briefe. Was Haman von der Sprache ſagt, hatte Herder
und Jacobi ſchon viel früher geſagt; und ſeine wenigen Anmerkungen
verſchwinden gegen die vielzähligen Herders. Er würde von dieſem
Giftbäumgen gewis krank. —

497. An Emilie von Berlepſch in Edinburg.5
[Kopie]

Berlin iſt mehr ein Welttheil als eine Stadt, wo ſich aus der
gröſſeren Menge leichter eine geſellige Einſamkeit erwählen läſſet, da
fänden Sie Ihren ruhigſten Hafen in Deutſchland. — Kanſt du dein
ſonderbar gewundnes Leben, das mehr deinen Werth als dein Glük10
vermehrte, nur auf ein Jahr weiſſagen und es beſchwören, daß du
nicht Klippen und Inſeln verwechſelſt? Und wenn nun das Schikſal
Ihre Individualität nicht anders erziehen konte als in dieſem rauhen,
Blätterabwehenden Wetter? Ach der Menſch fängt immer von der
höhern Freude die Foderung der noch höhern an, anſtat die Zufrieden-15
heit mit jener — [Ich] rathe, nicht ſich dem trüben Winter mit einem
trüben Geiſte preiszugeben. Trau deinem Herzen und dem Gott, der es
ſchuf, und wafne eben [?] deinen Muth nicht gegen dich ſondern für
dich.

[385]*498. An Renate Otto.20

Meine gute Renate! Mein Brief ſol ſogleich mit einer Bitte an-
fangen. Ich habe einmal ein Kochbuch von Ihrer Frau Mutter und
aus ihm den Namen: „Suppe à la Brittanière mit Locken“ für meinen
Titan geborgt. Der Erbprinz von Gotha wil ſeinem Onkel, der nicht25
an die Suppe glauben wil, eine zum Geburtstag kochen, und ich ver-
ſprach ihm den Titel des Kochbuchs und die Zubereitung der lockigen
Suppe. Daher bitt’ ich Sie um beide, aber verſchieben Sie die Nach-
richt nicht ganz bis auf den zweiten Geburtstag.

Geben Sie mir auch eine lange von ſich und Ihren Geliebten und30
Ihren Freuden. Wie hat ein einziges Jahr Hof für mich entvölkert!
Wenn ich einmal hinkomme, werd’ ich gerührt meine noch einzige
Jugendfreundin ſuchen und mit ihr auf die frühere volle Zeit zurük-
blicken. Niemals wird meine gute Renate unter den vielen Geſtalten

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[358/0378] publizierten Briefe. Was Haman von der Sprache ſagt, hatte Herder und Jacobi ſchon viel früher geſagt; und ſeine wenigen Anmerkungen verſchwinden gegen die vielzähligen Herders. Er würde von dieſem Giftbäumgen gewis krank. — 497. An Emilie von Berlepſch in Edinburg. 5 [Weimar, 1. Aug. 1800] Berlin iſt mehr ein Welttheil als eine Stadt, wo ſich aus der gröſſeren Menge leichter eine geſellige Einſamkeit erwählen läſſet, da fänden Sie Ihren ruhigſten Hafen in Deutſchland. — Kanſt du dein ſonderbar gewundnes Leben, das mehr deinen Werth als dein Glük 10 vermehrte, nur auf ein Jahr weiſſagen und es beſchwören, daß du nicht Klippen und Inſeln verwechſelſt? Und wenn nun das Schikſal Ihre Individualität nicht anders erziehen konte als in dieſem rauhen, Blätterabwehenden Wetter? Ach der Menſch fängt immer von der höhern Freude die Foderung der noch höhern an, anſtat die Zufrieden- 15 heit mit jener — [Ich] rathe, nicht ſich dem trüben Winter mit einem trüben Geiſte preiszugeben. Trau deinem Herzen und dem Gott, der es ſchuf, und wafne eben [?] deinen Muth nicht gegen dich ſondern für dich. *498. An Renate Otto. 20 Weimar d. 9 Aug. 1800. Meine gute Renate! Mein Brief ſol ſogleich mit einer Bitte an- fangen. Ich habe einmal ein Kochbuch von Ihrer Frau Mutter und aus ihm den Namen: „Suppe à la Brittanière mit Locken“ für meinen Titan geborgt. Der Erbprinz von Gotha wil ſeinem Onkel, der nicht 25 an die Suppe glauben wil, eine zum Geburtstag kochen, und ich ver- ſprach ihm den Titel des Kochbuchs und die Zubereitung der lockigen Suppe. Daher bitt’ ich Sie um beide, aber verſchieben Sie die Nach- richt nicht ganz bis auf den zweiten Geburtstag. Geben Sie mir auch eine lange von ſich und Ihren Geliebten und 30 Ihren Freuden. Wie hat ein einziges Jahr Hof für mich entvölkert! Wenn ich einmal hinkomme, werd’ ich gerührt meine noch einzige Jugendfreundin ſuchen und mit ihr auf die frühere volle Zeit zurük- blicken. Niemals wird meine gute Renate unter den vielen Geſtalten

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/378>, abgerufen am 10.05.2024.