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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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darin. Ich hass' es. -- Kotzebue komt zu mir, giebt mir seine Stücke
zur Kritik; er ist schwach, aber auch nichts bessers oder schlimmers.
-- Der Titan wird der Herzogin v. Hildburghausen und ihren
3 Schwestern dediziert; sie gab mir die liebevolleste Erlaubnis dazu.
Ihr Kopf ist für mich so schön, daß ich immer darüber vergesse, daß5
ein Fürstenhut darauf sizt. --


Ich möchte deine Hand jezt drücken und dan aufmachen und dan dir
lauter gute Auspizien aus ihr vorlesen. Sei recht glüklich mit deiner
Beglückenden! --10

3 Jahre hintereinander hieng immer die Wage vom Himmel, die
für mich eine Ehe entschied oder zerris. -- Sie hängt noch. --

Über Fichte's Philosophie, die ich jezt aus ihren eignen Wurzeln[297]
kenne, hab' ich eine widerlegende Satire*) gemacht (clavis Fich-
tiana seu Leibgeberiana
), die hier so viel Beifal findet, daß man mich15
beredet, sie stat ins Akzessit-Bändgen des Titans, besonders drucken
zu lassen der Gemeinnüzigkeit halber. Jezt ist der Clavis bei Jacobi,
dessen philosophisches Votum mich bisher in allen meinen Aufsäzen
tröstete. -- Lies doch Neeb "Vernunft gegen Vernunft" den mir
Jacobi empfohlen; er ist wenigstens -- herlich.20

Ich wolte dich, da ich nun schon in 3 Parzen-Gestalten vorn an
Büchern stehe -- vor dem Hesperus, der alg[emeinen] deutschen Biblio-
thek und vor einer Breslauer Samlung berühmter Gelehrter, wo die
Aeznadel mich eben so sehr tadelnd als die Feder lobend, entstelte -- ich
wolte dich schon lange bitten der Welt zu sagen, daß sie betrogen wird.25
Thu' es, wenn du grosse Lust dazu hast. Jezt malt mich ein herlicher
Mensch aus Rom, Büri -- weil Herder und er nicht ablies --, der
hier Herder, die Herzogin, Göthe malt und dan nach Berlin abfliegt,
die Königin zu malen und dan nach Rom, um die Welt zu malen.
Herdern hat er genialisch verewigt und verkörpert.30

Alles was du über dein Brief-Schweigen sagst, wird von meinem
innigsten unpartheiischen Gefühl widerlegt. Hüte dich; deine
grosse moralische Kraft, die ich so ehre, ist und war dem Egoismus ver-
wandter als du weist. Du hast reichlicher die (in unserer Zeit seltenern)

*) Noch wenige kennen das Fichtische System, aus seiner Appellazion ist gar35
nichts zu nehmen.
18 Jean Paul Briefe. III.

darin. Ich haſſ’ es. — Kotzebue komt zu mir, giebt mir ſeine Stücke
zur Kritik; er iſt ſchwach, aber auch nichts beſſers oder ſchlimmers.
— Der Titan wird der Herzogin v. Hildburghausen und ihren
3 Schweſtern dediziert; ſie gab mir die liebevolleſte Erlaubnis dazu.
Ihr Kopf iſt für mich ſo ſchön, daß ich immer darüber vergeſſe, daß5
ein Fürſtenhut darauf ſizt. —


Ich möchte deine Hand jezt drücken und dan aufmachen und dan dir
lauter gute Auspizien aus ihr vorleſen. Sei recht glüklich mit deiner
Beglückenden! —10

3 Jahre hintereinander hieng immer die Wage vom Himmel, die
für mich eine Ehe entſchied oder zerris. — Sie hängt noch. —

Über Fichte’s Philoſophie, die ich jezt aus ihren eignen Wurzeln[297]
kenne, hab’ ich eine widerlegende Satire*) gemacht (clavis Fich-
tiana seu Leibgeberiana
), die hier ſo viel Beifal findet, daß man mich15
beredet, ſie ſtat ins Akzeſſit-Bändgen des Titans, beſonders drucken
zu laſſen der Gemeinnüzigkeit halber. Jezt iſt der Clavis bei Jacobi,
deſſen philoſophiſches Votum mich bisher in allen meinen Aufſäzen
tröſtete. — Lies doch Neeb „Vernunft gegen Vernunft“ den mir
Jacobi empfohlen; er iſt wenigſtens — herlich.20

Ich wolte dich, da ich nun ſchon in 3 Parzen-Geſtalten vorn an
Büchern ſtehe — vor dem Hesperus, der alg[emeinen] deutſchen Biblio-
thek und vor einer Breslauer Samlung berühmter Gelehrter, wo die
Aeznadel mich eben ſo ſehr tadelnd als die Feder lobend, entſtelte — ich
wolte dich ſchon lange bitten der Welt zu ſagen, daß ſie betrogen wird.25
Thu’ es, wenn du groſſe Luſt dazu haſt. Jezt malt mich ein herlicher
Menſch aus Rom, Büri — weil Herder und er nicht ablies —, der
hier Herder, die Herzogin, Göthe malt und dan nach Berlin abfliegt,
die Königin zu malen und dan nach Rom, um die Welt zu malen.
Herdern hat er genialiſch verewigt und verkörpert.30

Alles was du über dein Brief-Schweigen ſagſt, wird von meinem
innigſten unpartheiiſchen Gefühl widerlegt. Hüte dich; deine
groſſe moraliſche Kraft, die ich ſo ehre, iſt und war dem Egoiſmus ver-
wandter als du weiſt. Du haſt reichlicher die (in unſerer Zeit ſeltenern)

*) Noch wenige kennen das Fichtiſche Syſtem, aus ſeiner Appellazion iſt gar35
nichts zu nehmen.
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[273/0289] darin. Ich haſſ’ es. — Kotzebue komt zu mir, giebt mir ſeine Stücke zur Kritik; er iſt ſchwach, aber auch nichts beſſers oder ſchlimmers. — Der Titan wird der Herzogin v. Hildburghausen und ihren 3 Schweſtern dediziert; ſie gab mir die liebevolleſte Erlaubnis dazu. Ihr Kopf iſt für mich ſo ſchön, daß ich immer darüber vergeſſe, daß 5 ein Fürſtenhut darauf ſizt. — d. 2. Jenn. 1800. Ich möchte deine Hand jezt drücken und dan aufmachen und dan dir lauter gute Auspizien aus ihr vorleſen. Sei recht glüklich mit deiner Beglückenden! — 10 3 Jahre hintereinander hieng immer die Wage vom Himmel, die für mich eine Ehe entſchied oder zerris. — Sie hängt noch. — Über Fichte’s Philoſophie, die ich jezt aus ihren eignen Wurzeln kenne, hab’ ich eine widerlegende Satire *) gemacht (clavis Fich- tiana seu Leibgeberiana), die hier ſo viel Beifal findet, daß man mich 15 beredet, ſie ſtat ins Akzeſſit-Bändgen des Titans, beſonders drucken zu laſſen der Gemeinnüzigkeit halber. Jezt iſt der Clavis bei Jacobi, deſſen philoſophiſches Votum mich bisher in allen meinen Aufſäzen tröſtete. — Lies doch Neeb „Vernunft gegen Vernunft“ den mir Jacobi empfohlen; er iſt wenigſtens — herlich. 20 [297] Ich wolte dich, da ich nun ſchon in 3 Parzen-Geſtalten vorn an Büchern ſtehe — vor dem Hesperus, der alg[emeinen] deutſchen Biblio- thek und vor einer Breslauer Samlung berühmter Gelehrter, wo die Aeznadel mich eben ſo ſehr tadelnd als die Feder lobend, entſtelte — ich wolte dich ſchon lange bitten der Welt zu ſagen, daß ſie betrogen wird. 25 Thu’ es, wenn du groſſe Luſt dazu haſt. Jezt malt mich ein herlicher Menſch aus Rom, Büri — weil Herder und er nicht ablies —, der hier Herder, die Herzogin, Göthe malt und dan nach Berlin abfliegt, die Königin zu malen und dan nach Rom, um die Welt zu malen. Herdern hat er genialiſch verewigt und verkörpert. 30 Alles was du über dein Brief-Schweigen ſagſt, wird von meinem innigſten unpartheiiſchen Gefühl widerlegt. Hüte dich; deine groſſe moraliſche Kraft, die ich ſo ehre, iſt und war dem Egoiſmus ver- wandter als du weiſt. Du haſt reichlicher die (in unſerer Zeit ſeltenern) *) Noch wenige kennen das Fichtiſche Syſtem, aus ſeiner Appellazion iſt gar 35 nichts zu nehmen. 18 Jean Paul Briefe. III.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/289>, abgerufen am 10.05.2024.