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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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hab' ich eine Zeit, wie ich sie nie hatte, und du hast eine, wie du sie nie
hattest -- Ich sehe lieber Sie als mit Ihnen. -- wenn die Abendsonne
in Flammen zerfiel, wenn die hohe Natur oder ein hoher Gedanke
unsere Seelen begeistert und es für uns keine andere Welt mehr giebt
als die innere oder die 2te.5

315. An Friederike Bleibtreu in Braunschweig.
[Kopie]

Nie wurde ein vergangner Garten und Frühling schöner ein-
geschlossen als dieses glänzende Blüten-Grabmahl thut. Das Band
(der Freundschaft) wurde nicht von sondern mit uns gesponnen und10
gewebt. -- Unser Beisammensein war so schön und so neben Blumen
wie Schmetterlinge aber es hatte eben so viel Flügel wie Schmetter-
linge. -- Wir sehen uns früher wieder als hinter den Urnen.

316. An Auguste Schlichtegroll in Gotha.
[Kopie]15

Majestätsverbrecherin der Freundschaft -- meine innere Lebens-
weise so abweichend wie meine äussere in Büchern und wer mich kent
wie ich, würde mich nie fragen: hast du Zeit? sondern: woher nimst du
sie?

[252]317. An Streiber in Eisenach.20
[Kopie]

Warum wurden mir nicht diese schönen Tage zu Ihren schönen
Gegenden beschieden? Und warum mus dem Menschen immer etwas
fehlen entweder oben am Himmel oder unten auf der Erde?

318. An Josephine von Sydow.25

Theuere! So oft ich nach Berlin schreibe, schliess' ich einige
Worte für Sie ein, so unbedeutend sie auch sind. Ihr lezter Brief
wirkte auf mich wie alle Ihre; nämlich wie die Abend- und Morgen-
dämmerung, die den Menschen weich, vol Sehnsucht und traeu-30
mend macht.

hab’ ich eine Zeit, wie ich ſie nie hatte, und du haſt eine, wie du ſie nie
hatteſt — Ich ſehe lieber Sie als mit Ihnen. — wenn die Abendſonne
in Flammen zerfiel, wenn die hohe Natur oder ein hoher Gedanke
unſere Seelen begeiſtert und es für uns keine andere Welt mehr giebt
als die innere oder die 2te.5

315. An Friederike Bleibtreu in Braunſchweig.
[Kopie]

Nie wurde ein vergangner Garten und Frühling ſchöner ein-
geſchloſſen als dieſes glänzende Blüten-Grabmahl thut. Das Band
(der Freundſchaft) wurde nicht von ſondern mit uns geſponnen und10
gewebt. — Unſer Beiſammenſein war ſo ſchön und ſo neben Blumen
wie Schmetterlinge aber es hatte eben ſo viel Flügel wie Schmetter-
linge. — Wir ſehen uns früher wieder als hinter den Urnen.

316. An Auguſte Schlichtegroll in Gotha.
[Kopie]15

Majeſtätsverbrecherin der Freundſchaft — meine innere Lebens-
weiſe ſo abweichend wie meine äuſſere in Büchern und wer mich kent
wie ich, würde mich nie fragen: haſt du Zeit? ſondern: woher nimſt du
ſie?

[252]317. An Streiber in Eiſenach.20
[Kopie]

Warum wurden mir nicht dieſe ſchönen Tage zu Ihren ſchönen
Gegenden beſchieden? Und warum mus dem Menſchen immer etwas
fehlen entweder oben am Himmel oder unten auf der Erde?

318. An Joſephine von Sydow.25

Theuere! So oft ich nach Berlin schreibe, schliess’ ich einige
Worte für Sie ein, so unbedeutend sie auch sind. Ihr lezter Brief
wirkte auf mich wie alle Ihre; nämlich wie die Abend- und Morgen-
dämmerung, die den Menschen weich, vol Sehnsucht und traeu-30
mend macht.

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[230/0245] hab’ ich eine Zeit, wie ich ſie nie hatte, und du haſt eine, wie du ſie nie hatteſt — Ich ſehe lieber Sie als mit Ihnen. — wenn die Abendſonne in Flammen zerfiel, wenn die hohe Natur oder ein hoher Gedanke unſere Seelen begeiſtert und es für uns keine andere Welt mehr giebt als die innere oder die 2te. 5 315. An Friederike Bleibtreu in Braunſchweig. [Weimar, 21. Sept. 1799] Nie wurde ein vergangner Garten und Frühling ſchöner ein- geſchloſſen als dieſes glänzende Blüten-Grabmahl thut. Das Band (der Freundſchaft) wurde nicht von ſondern mit uns geſponnen und 10 gewebt. — Unſer Beiſammenſein war ſo ſchön und ſo neben Blumen wie Schmetterlinge aber es hatte eben ſo viel Flügel wie Schmetter- linge. — Wir ſehen uns früher wieder als hinter den Urnen. 316. An Auguſte Schlichtegroll in Gotha. [Weimar, 22. Sept. 1799] 15 Majeſtätsverbrecherin der Freundſchaft — meine innere Lebens- weiſe ſo abweichend wie meine äuſſere in Büchern und wer mich kent wie ich, würde mich nie fragen: haſt du Zeit? ſondern: woher nimſt du ſie? 317. An Streiber in Eiſenach. 20 [Weimar, 24. Sept. 1799] Warum wurden mir nicht dieſe ſchönen Tage zu Ihren ſchönen Gegenden beſchieden? Und warum mus dem Menſchen immer etwas fehlen entweder oben am Himmel oder unten auf der Erde? 318. An Joſephine von Sydow. 25 Weimar d. 26 Sep. 99 Theuere! So oft ich nach Berlin schreibe, schliess’ ich einige Worte für Sie ein, so unbedeutend sie auch sind. Ihr lezter Brief wirkte auf mich wie alle Ihre; nämlich wie die Abend- und Morgen- dämmerung, die den Menschen weich, vol Sehnsucht und traeu- 30 mend macht.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/245>, abgerufen am 28.04.2024.