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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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bleiben; und Gott gebe, daß ich keine Stunde länger festsize. --
Übrigens wil ich mich durch dieses Blat nicht sehr gebunden haben --
schlechtes Wetter, ein Zufal kan meinen Mantelsak wieder aus-
packen; dich blos wil ich ein wenig binden, damit du nicht gerade in
Bayreuth bist. -- Ich ändere sehr am Titan und folge dir mehr als5
ich und du dachten. -- Nach deiner Schwester sehn' ich mich sehr; ich
[243]werde wieder morgends im krumarmigen Stuhl sizen hart am Fenster
und sie wird kommen mit ihren freundlichen weiten Augen und sich an
den Sessel stellen und ich werde die Feder über das Dintenfas legen
und sizen bleiben und sie recht herzlich küssen -- exempla sunt --10
pergrata ac perjucunda.

Ich habe mir auf der Chaussee von Erfurt hieher einen innern
Friedensplan entworfen, den ich seelig halte; ich bin anders, die Welt
ist anders; seit dieser inneren Kraft blüht in mir ein festes Paradies,
ohne besondere äussere Blumenerde, Dünger, Thau und Sonnen-15
licht. --

Eine reizende jungfräuliche Brittin kenn' ich -- ihr junger Man war
bei mir -- man kan nicht schöner angeblikt werden als von ihr. Ich
liebe sie innig und sie mich -- so weit es geht. -- Glaube mir, täglich
lernet man sich mehr an schöne Gesichter und Herzen gewöhnen und20
wil nur jene. -- "Macht die hintere Gartenthüre auf, ich komme
heute" schrieb immer A[möne]; so werd' ich auch bei euch einschleichen.
-- Und das lasse mir zu, sorgendes Schiksal! --

R.

Lasse bei Gelegenheit meinem Gottlieb mein Annähern sagen.25

Sende diesen Brief schnel ab und sicher, da er eine wichtige An-
gelegenheit eines Herderschen Sohnes betrift.

302. An Emanuel.

Mein lieber Emanuel! Ich würde Ihnen jezt viele Vorwürfe (über30
Ihr Schweigen) schreiben, hätt' ich keine -- Bitten zu schreiben; und
zwar die wichtigsten, da sie nicht für mich geschehen, sondern für meinen
Geliebten, Herder; auch für Ihren.

Der Herzog erhielt ihn nur hier unter dem Versprechen der Vorsorge
für seine Kinder. Ein Sohn, Adelbert, studierte Oekonomie im Holstein-35
schen -- und dan im Preussischen. (Ich erzähl alles nur kurz) Darauf

bleiben; und Gott gebe, daß ich keine Stunde länger feſtſize. —
Übrigens wil ich mich durch dieſes Blat nicht ſehr gebunden haben —
ſchlechtes Wetter, ein Zufal kan meinen Mantelſak wieder aus-
packen; dich blos wil ich ein wenig binden, damit du nicht gerade in
Bayreuth biſt. — Ich ändere ſehr am Titan und folge dir mehr als5
ich und du dachten. — Nach deiner Schweſter ſehn’ ich mich ſehr; ich
[243]werde wieder morgends im krumarmigen Stuhl ſizen hart am Fenſter
und ſie wird kommen mit ihren freundlichen weiten Augen und ſich an
den Seſſel ſtellen und ich werde die Feder über das Dintenfas legen
und ſizen bleiben und ſie recht herzlich küſſen — exempla sunt10
pergrata ac perjucunda.

Ich habe mir auf der Chauſſee von Erfurt hieher einen innern
Friedensplan entworfen, den ich ſeelig halte; ich bin anders, die Welt
iſt anders; ſeit dieſer inneren Kraft blüht in mir ein feſtes Paradies,
ohne beſondere äuſſere Blumenerde, Dünger, Thau und Sonnen-15
licht. —

Eine reizende jungfräuliche Brittin kenn’ ich — ihr junger Man war
bei mir — man kan nicht ſchöner angeblikt werden als von ihr. Ich
liebe ſie innig und ſie mich — ſo weit es geht. — Glaube mir, täglich
lernet man ſich mehr an ſchöne Geſichter und Herzen gewöhnen und20
wil nur jene. — „Macht die hintere Gartenthüre auf, ich komme
heute“ ſchrieb immer A[möne]; ſo werd’ ich auch bei euch einſchleichen.
— Und das laſſe mir zu, ſorgendes Schikſal! —

R.

Laſſe bei Gelegenheit meinem Gottlieb mein Annähern ſagen.25

Sende dieſen Brief ſchnel ab und ſicher, da er eine wichtige An-
gelegenheit eines Herderschen Sohnes betrift.

302. An Emanuel.

Mein lieber Emanuel! Ich würde Ihnen jezt viele Vorwürfe (über30
Ihr Schweigen) ſchreiben, hätt’ ich keine — Bitten zu ſchreiben; und
zwar die wichtigſten, da ſie nicht für mich geſchehen, ſondern für meinen
Geliebten, Herder; auch für Ihren.

Der Herzog erhielt ihn nur hier unter dem Verſprechen der Vorſorge
für ſeine Kinder. Ein Sohn, Adelbert, ſtudierte Oekonomie im Holſtein-35
ſchen — und dan im Preuſſiſchen. (Ich erzähl alles nur kurz) Darauf

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[222/0237] bleiben; und Gott gebe, daß ich keine Stunde länger feſtſize. — Übrigens wil ich mich durch dieſes Blat nicht ſehr gebunden haben — ſchlechtes Wetter, ein Zufal kan meinen Mantelſak wieder aus- packen; dich blos wil ich ein wenig binden, damit du nicht gerade in Bayreuth biſt. — Ich ändere ſehr am Titan und folge dir mehr als 5 ich und du dachten. — Nach deiner Schweſter ſehn’ ich mich ſehr; ich werde wieder morgends im krumarmigen Stuhl ſizen hart am Fenſter und ſie wird kommen mit ihren freundlichen weiten Augen und ſich an den Seſſel ſtellen und ich werde die Feder über das Dintenfas legen und ſizen bleiben und ſie recht herzlich küſſen — exempla sunt — 10 pergrata ac perjucunda. [243] Ich habe mir auf der Chauſſee von Erfurt hieher einen innern Friedensplan entworfen, den ich ſeelig halte; ich bin anders, die Welt iſt anders; ſeit dieſer inneren Kraft blüht in mir ein feſtes Paradies, ohne beſondere äuſſere Blumenerde, Dünger, Thau und Sonnen- 15 licht. — Eine reizende jungfräuliche Brittin kenn’ ich — ihr junger Man war bei mir — man kan nicht ſchöner angeblikt werden als von ihr. Ich liebe ſie innig und ſie mich — ſo weit es geht. — Glaube mir, täglich lernet man ſich mehr an ſchöne Geſichter und Herzen gewöhnen und 20 wil nur jene. — „Macht die hintere Gartenthüre auf, ich komme heute“ ſchrieb immer A[möne]; ſo werd’ ich auch bei euch einſchleichen. — Und das laſſe mir zu, ſorgendes Schikſal! — R. Laſſe bei Gelegenheit meinem Gottlieb mein Annähern ſagen. 25 Sende dieſen Brief ſchnel ab und ſicher, da er eine wichtige An- gelegenheit eines Herderschen Sohnes betrift. 302. An Emanuel. Weimar d. 11. Aug. 99. Mein lieber Emanuel! Ich würde Ihnen jezt viele Vorwürfe (über 30 Ihr Schweigen) ſchreiben, hätt’ ich keine — Bitten zu ſchreiben; und zwar die wichtigſten, da ſie nicht für mich geſchehen, ſondern für meinen Geliebten, Herder; auch für Ihren. Der Herzog erhielt ihn nur hier unter dem Verſprechen der Vorſorge für ſeine Kinder. Ein Sohn, Adelbert, ſtudierte Oekonomie im Holſtein- 35 ſchen — und dan im Preuſſiſchen. (Ich erzähl alles nur kurz) Darauf

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/237>, abgerufen am 28.04.2024.