Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite
299. An Charlotte von Kalb in Waltershausen.
[Kopie]

Die um die Wartburg almächtig und reich gelagerte Natur spülte
mir einige Freuden zu, wie ich sie lange nicht hatte, aber auch einige
Schmerzen -- die ganze Natur ist nur der Puz und der Schleier eines5
geliebten Herzens und ohne dieses an der Hand ist der Schleier nicht
genug. -- Ich dachte an mehr als einer blühenden Stelle an die Zeit
vor 3 Jahren, an unsere Zephyrtage, an manches, was versunken ist,
und an das Herz, das über die Wellen der kleinen Stunden ragt. --[242]
Zwerg-Engel (Kinder). Behalte ein stilles und ein warmes Herz.10

300. An (Frau?) von Koppenfels in Weimar.
[Kopie]

Die Blume, worin gleichsam unser Sontag nachblüht -- ohne
Titel ist man fremdes Geld im Land. -- Ich mögte ihm am Ende des
Augusts auch für den Erfolg seiner Mühe, nicht blos für diese zu15
danken haben.

301. An Christian Otto.

Ich legte das Blat her und schrieb das Obige -- und zwar für die
Sydow; auf einmal mach' ichs an dich, mein Guter! Ich gedenk' es20
mit meiner Reise nach Hof so zu karten: ich besuche als eine R[eichs]
K[ammergerichts] Visitazion das Vogelschiessen in Rudolstadt und
dan euch. Sag' aber Carolinen (und niemand) nichts; ich wil sie im
Tumult überraschen; find' ich sie nicht -- was kaum glaublich ist,
obwohl zu ertragen bei der Menge, worin ich mitgienge -- so bleibt25
mir sie immer in Hof gewis. Doch sage meiner Sophie in Hohenberg
ein Wort; nur lasse sie vorher schwören aufs Schweigen und halte eine
gute Eidesverwarnung. -- Dich anlangend, so bitt' ich dich sehr um
Flaschenbier; etwas köstlicheres kan ich aus allen fränkischen Wein-
kellern und Bischof- und Punschessenz-Buden nicht holen. Und dan30
wollen wir beide nach so langer Zeit endlich ein erschöpfendes Wort
reden. Es verdriesset mich daher jezt jede Neuigkeit, die ich schreiben
sol; sie kan unmittelbar von der Lippe in das Ohr überlaufen, nicht
den langen Weg über die Feder durch das Auge. -- 14 Tage kan ich

299. An Charlotte von Kalb in Waltershauſen.
[Kopie]

Die um die Wartburg almächtig und reich gelagerte Natur ſpülte
mir einige Freuden zu, wie ich ſie lange nicht hatte, aber auch einige
Schmerzen — die ganze Natur iſt nur der Puz und der Schleier eines5
geliebten Herzens und ohne dieſes an der Hand iſt der Schleier nicht
genug. — Ich dachte an mehr als einer blühenden Stelle an die Zeit
vor 3 Jahren, an unſere Zephyrtage, an manches, was verſunken iſt,
und an das Herz, das über die Wellen der kleinen Stunden ragt. —[242]
Zwerg-Engel (Kinder). Behalte ein ſtilles und ein warmes Herz.10

300. An (Frau?) von Koppenfels in Weimar.
[Kopie]

Die Blume, worin gleichſam unſer Sontag nachblüht — ohne
Titel iſt man fremdes Geld im Land. — Ich mögte ihm am Ende des
Auguſts auch für den Erfolg ſeiner Mühe, nicht blos für dieſe zu15
danken haben.

301. An Chriſtian Otto.

Ich legte das Blat her und ſchrieb das Obige — und zwar für die
Sydow; auf einmal mach’ ichs an dich, mein Guter! Ich gedenk’ es20
mit meiner Reiſe nach Hof ſo zu karten: ich beſuche als eine R[eichs]
K[ammergerichts] Viſitazion das Vogelſchieſſen in Rudolſtadt und
dan euch. Sag’ aber Carolinen (und niemand) nichts; ich wil ſie im
Tumult überraſchen; find’ ich ſie nicht — was kaum glaublich iſt,
obwohl zu ertragen bei der Menge, worin ich mitgienge — ſo bleibt25
mir ſie immer in Hof gewis. Doch ſage meiner Sophie in Hohenberg
ein Wort; nur laſſe ſie vorher ſchwören aufs Schweigen und halte eine
gute Eidesverwarnung. — Dich anlangend, ſo bitt’ ich dich ſehr um
Flaſchenbier; etwas köſtlicheres kan ich aus allen fränkiſchen Wein-
kellern und Biſchof- und Punſcheſſenz-Buden nicht holen. Und dan30
wollen wir beide nach ſo langer Zeit endlich ein erſchöpfendes Wort
reden. Es verdrieſſet mich daher jezt jede Neuigkeit, die ich ſchreiben
ſol; ſie kan unmittelbar von der Lippe in das Ohr überlaufen, nicht
den langen Weg über die Feder durch das Auge. — 14 Tage kan ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0236" n="221"/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>299. An <hi rendition="#g">Charlotte von Kalb in Waltershau&#x017F;en.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Weimar, 5. Aug. 1799]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Die um die <hi rendition="#aq">Wartburg</hi> almächtig und reich gelagerte Natur &#x017F;pülte<lb/>
mir einige Freuden zu, wie ich &#x017F;ie lange nicht hatte, aber auch einige<lb/>
Schmerzen &#x2014; die ganze Natur i&#x017F;t nur der Puz und der Schleier eines<lb n="5"/>
geliebten Herzens und ohne die&#x017F;es an der Hand i&#x017F;t der Schleier nicht<lb/>
genug. &#x2014; Ich dachte an mehr als einer blühenden Stelle an die Zeit<lb/>
vor 3 Jahren, an un&#x017F;ere Zephyrtage, an manches, was ver&#x017F;unken i&#x017F;t,<lb/>
und an das Herz, das über die Wellen der kleinen Stunden ragt. &#x2014;<note place="right"><ref target="1922_Bd3_242">[242]</ref></note><lb/>
Zwerg-Engel (Kinder). Behalte ein &#x017F;tilles und ein warmes Herz.<lb n="10"/>
</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>300. An <hi rendition="#g">(Frau?) von Koppenfels in Weimar.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Weimar, 5. Aug. 1799. Montag]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Die Blume, worin gleich&#x017F;am un&#x017F;er Sontag nachblüht &#x2014; ohne<lb/>
Titel i&#x017F;t man fremdes Geld im Land. &#x2014; Ich mögte ihm am Ende des<lb/>
Augu&#x017F;ts auch für den Erfolg &#x017F;einer Mühe, nicht blos für die&#x017F;e zu<lb n="15"/>
danken haben.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>301. An <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tian Otto.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Weimar d. 10 Aug.</hi> 99.</hi> </dateline><lb/>
        <p>Ich legte das Blat her und &#x017F;chrieb das Obige &#x2014; und zwar für die<lb/><hi rendition="#aq">Sydow;</hi> auf einmal mach&#x2019; ichs an dich, mein Guter! Ich gedenk&#x2019; es<lb n="20"/>
mit meiner Rei&#x017F;e nach <hi rendition="#aq">Hof</hi> &#x017F;o zu karten: ich be&#x017F;uche als eine R[eichs]<lb/>
K[ammergerichts] Vi&#x017F;itazion das Vogel&#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en in Rudol&#x017F;tadt und<lb/>
dan euch. Sag&#x2019; aber <hi rendition="#aq">Carolinen</hi> (und <hi rendition="#g">niemand</hi>) nichts; ich wil &#x017F;ie im<lb/>
Tumult überra&#x017F;chen; find&#x2019; ich &#x017F;ie nicht &#x2014; was kaum glaublich i&#x017F;t,<lb/>
obwohl zu ertragen bei der Menge, worin ich mitgienge &#x2014; &#x017F;o bleibt<lb n="25"/>
mir &#x017F;ie immer in <hi rendition="#aq">Hof</hi> gewis. Doch &#x017F;age meiner <hi rendition="#aq">Sophie</hi> in <hi rendition="#aq">Hohenberg</hi><lb/>
ein Wort; nur la&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie vorher &#x017F;chwören aufs Schweigen und halte eine<lb/>
gute Eidesverwarnung. &#x2014; Dich anlangend, &#x017F;o bitt&#x2019; ich dich &#x017F;ehr um<lb/>
Fla&#x017F;chenbier; etwas kö&#x017F;tlicheres kan ich aus allen fränki&#x017F;chen Wein-<lb/>
kellern und Bi&#x017F;chof- und Pun&#x017F;che&#x017F;&#x017F;enz-Buden nicht holen. Und dan<lb n="30"/>
wollen wir beide nach &#x017F;o langer Zeit endlich ein er&#x017F;chöpfendes Wort<lb/>
reden. Es verdrie&#x017F;&#x017F;et mich daher jezt jede Neuigkeit, die ich &#x017F;chreiben<lb/>
&#x017F;ol; &#x017F;ie kan unmittelbar von der Lippe in das Ohr überlaufen, nicht<lb/>
den langen Weg über die Feder durch das Auge. &#x2014; 14 Tage kan ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0236] 299. An Charlotte von Kalb in Waltershauſen. [Weimar, 5. Aug. 1799] Die um die Wartburg almächtig und reich gelagerte Natur ſpülte mir einige Freuden zu, wie ich ſie lange nicht hatte, aber auch einige Schmerzen — die ganze Natur iſt nur der Puz und der Schleier eines 5 geliebten Herzens und ohne dieſes an der Hand iſt der Schleier nicht genug. — Ich dachte an mehr als einer blühenden Stelle an die Zeit vor 3 Jahren, an unſere Zephyrtage, an manches, was verſunken iſt, und an das Herz, das über die Wellen der kleinen Stunden ragt. — Zwerg-Engel (Kinder). Behalte ein ſtilles und ein warmes Herz. 10 [242] 300. An (Frau?) von Koppenfels in Weimar. [Weimar, 5. Aug. 1799. Montag] Die Blume, worin gleichſam unſer Sontag nachblüht — ohne Titel iſt man fremdes Geld im Land. — Ich mögte ihm am Ende des Auguſts auch für den Erfolg ſeiner Mühe, nicht blos für dieſe zu 15 danken haben. 301. An Chriſtian Otto. Weimar d. 10 Aug. 99. Ich legte das Blat her und ſchrieb das Obige — und zwar für die Sydow; auf einmal mach’ ichs an dich, mein Guter! Ich gedenk’ es 20 mit meiner Reiſe nach Hof ſo zu karten: ich beſuche als eine R[eichs] K[ammergerichts] Viſitazion das Vogelſchieſſen in Rudolſtadt und dan euch. Sag’ aber Carolinen (und niemand) nichts; ich wil ſie im Tumult überraſchen; find’ ich ſie nicht — was kaum glaublich iſt, obwohl zu ertragen bei der Menge, worin ich mitgienge — ſo bleibt 25 mir ſie immer in Hof gewis. Doch ſage meiner Sophie in Hohenberg ein Wort; nur laſſe ſie vorher ſchwören aufs Schweigen und halte eine gute Eidesverwarnung. — Dich anlangend, ſo bitt’ ich dich ſehr um Flaſchenbier; etwas köſtlicheres kan ich aus allen fränkiſchen Wein- kellern und Biſchof- und Punſcheſſenz-Buden nicht holen. Und dan 30 wollen wir beide nach ſo langer Zeit endlich ein erſchöpfendes Wort reden. Es verdrieſſet mich daher jezt jede Neuigkeit, die ich ſchreiben ſol; ſie kan unmittelbar von der Lippe in das Ohr überlaufen, nicht den langen Weg über die Feder durch das Auge. — 14 Tage kan ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/236
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/236>, abgerufen am 28.04.2024.