Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.O lies, da mirs eben einfält, die 3 Bände der Melanges de Mdme -- Ach mir thut und that schon längst ehe du mir schriebest, das Ver- Das edelste weibliche Wesen, das ich noch gefunden, ein Fräulein *) Die Nachwelt wird es vielleicht erfahren durch die Weltgeschichte, daß mir35
der Herzog einen Kus gab und auch Hirschkolben, welche leztere mir ganz neu. O lies, da mirs eben einfält, die 3 Bände der Mélanges de Mdme — Ach mir thut und that ſchon längſt ehe du mir ſchriebeſt, das Ver- Das edelſte weibliche Weſen, das ich noch gefunden, ein Fräulein *) Die Nachwelt wird es vielleicht erfahren durch die Weltgeſchichte, daß mir35
der Herzog einen Kus gab und auch Hirſchkolben, welche leztere mir ganz neu. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0228" n="213"/> <p>O lies, da mirs eben einfält, die 3 Bände der <hi rendition="#aq">Mélanges de Mdme<lb/> de Necker,</hi> einer Göttin unter den Franzoſen, ſogar unter den Schrift-<lb/> ſtellerinnen.</p><lb/> <p>— Ach mir thut und that ſchon längſt ehe du mir ſchriebeſt, das Ver-<lb/> geſſen Deiner in den poetiſchen Epiſteln recht wehe. Was mich tröſtet,<lb n="5"/> iſt, 1) daß im poetiſchen Feuer das Auge nur 1 Punkt und kein Ge-<lb/> dächtnis hat (dasmal <hi rendition="#aq">Leipzig</hi>) und den allernächſten überſieht 2) daß<lb/> ich ja alles <hi rendition="#g">hier</hi> erſt ſchrieb; denn in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Leipzig</hi></hi> hätten mich die<lb/> Stacheln des Abſchieds doch daran erinnert. Ach ich hätte dich und<lb/> unſere Freundſchaft ohnehin ſo gern der Welt — d. h. meiner wärmern<lb n="10"/> — genant! Aber vornen, ſiehſt du wohl, biſt du mir mit deinem Glük<lb/> und Haus beinahe <hi rendition="#g">geſeſſen.</hi> — Das von <hi rendition="#aq">Amoene</hi> erfuhr ich erſt<lb/> ſelber von der — <hi rendition="#aq">Schroeder,</hi> die in <hi rendition="#aq">Hof</hi> geweſen. Sage mir nichts<lb/> mehr von <hi rendition="#aq">Amoene;</hi> ſie iſt meinem Innerſten zuwider durch Eitelkeit<lb/> und Egoiſmus und Stolz. Ich kan nie ein Nachbar meines Otto<lb n="15"/> werden, blos weil ich nie ſie ertragen kan. — Welche lange lange<note place="right"><ref target="1922_Bd3_234">[234]</ref></note><lb/> andern Weibergeſchichten hätt’ ich in dein Herz zu ſchütten!</p><lb/> <p>Das edelſte weibliche Weſen, das ich noch gefunden, ein Fräulein<lb/> von <hi rendition="#aq">Feuchtersleben,</hi> lernt’ ich in <hi rendition="#aq">Hildburghausen</hi> kennen; du ſolſt<lb/> ihre Briefe mit einer ganzen brieflichen Alpe von Otto, und dieſer ſie<lb n="20"/> bald von mir bekommen. In <hi rendition="#aq">Hildburghausen</hi> wurd ich für immer an<lb/> den Hof gebeten und fand da meine 3 ſchönſten Leſerinnen, die Herzogin,<lb/> die Fürſtin von Taxis, die von Solms; und ich ſolte da die ſchönſte<lb/> Schweſter erwarten, die Königin. Die Männer (der Herzog und der<lb/> Prinzipalkommiſſarius) waren anfangs kalt, aber zulezt recht herzlich<lb n="25"/> warm<note place="foot" n="*)">Die Nachwelt wird es vielleicht erfahren durch die Weltgeſchichte, daß mir<lb n="35"/> der Herzog einen Kus gab und auch Hirſchkolben, welche leztere mir ganz neu.</note>, ſowie ich auch ohne Hofkünſte den gothaiſchen Herzog ge-<lb/> wonnen habe. Ich habe in <hi rendition="#aq">H.</hi> eine groſſe Leſe-Propaganda. Hier<lb/> wolte mich die Königin in der Komödie ſich vorſtellen laſſen, aber ich<lb/> war nicht darin; am Morgen der Abreiſe verlangte ſie es vom Herzog<lb/> (wie mir die Taxis ſagte) aber der — vergas es. Ihrem weichen<lb n="30"/> ſchönen zarten edeln Bruder (Erbprinzen von Meklenburg Streliz)<lb/> könt ich meine Freundſchaft geben; und er mir ſeine auch. — In-<lb/> zwiſchen hatten doch alle dieſe gekrönten Urtheile über mich — wozu<lb/> noch gothaiſche kamen — den Erfolg, daß unſere in Ariſtokratie ein-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [213/0228]
O lies, da mirs eben einfält, die 3 Bände der Mélanges de Mdme
de Necker, einer Göttin unter den Franzoſen, ſogar unter den Schrift-
ſtellerinnen.
— Ach mir thut und that ſchon längſt ehe du mir ſchriebeſt, das Ver-
geſſen Deiner in den poetiſchen Epiſteln recht wehe. Was mich tröſtet, 5
iſt, 1) daß im poetiſchen Feuer das Auge nur 1 Punkt und kein Ge-
dächtnis hat (dasmal Leipzig) und den allernächſten überſieht 2) daß
ich ja alles hier erſt ſchrieb; denn in Leipzig hätten mich die
Stacheln des Abſchieds doch daran erinnert. Ach ich hätte dich und
unſere Freundſchaft ohnehin ſo gern der Welt — d. h. meiner wärmern 10
— genant! Aber vornen, ſiehſt du wohl, biſt du mir mit deinem Glük
und Haus beinahe geſeſſen. — Das von Amoene erfuhr ich erſt
ſelber von der — Schroeder, die in Hof geweſen. Sage mir nichts
mehr von Amoene; ſie iſt meinem Innerſten zuwider durch Eitelkeit
und Egoiſmus und Stolz. Ich kan nie ein Nachbar meines Otto 15
werden, blos weil ich nie ſie ertragen kan. — Welche lange lange
andern Weibergeſchichten hätt’ ich in dein Herz zu ſchütten!
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Das edelſte weibliche Weſen, das ich noch gefunden, ein Fräulein
von Feuchtersleben, lernt’ ich in Hildburghausen kennen; du ſolſt
ihre Briefe mit einer ganzen brieflichen Alpe von Otto, und dieſer ſie 20
bald von mir bekommen. In Hildburghausen wurd ich für immer an
den Hof gebeten und fand da meine 3 ſchönſten Leſerinnen, die Herzogin,
die Fürſtin von Taxis, die von Solms; und ich ſolte da die ſchönſte
Schweſter erwarten, die Königin. Die Männer (der Herzog und der
Prinzipalkommiſſarius) waren anfangs kalt, aber zulezt recht herzlich 25
warm *), ſowie ich auch ohne Hofkünſte den gothaiſchen Herzog ge-
wonnen habe. Ich habe in H. eine groſſe Leſe-Propaganda. Hier
wolte mich die Königin in der Komödie ſich vorſtellen laſſen, aber ich
war nicht darin; am Morgen der Abreiſe verlangte ſie es vom Herzog
(wie mir die Taxis ſagte) aber der — vergas es. Ihrem weichen 30
ſchönen zarten edeln Bruder (Erbprinzen von Meklenburg Streliz)
könt ich meine Freundſchaft geben; und er mir ſeine auch. — In-
zwiſchen hatten doch alle dieſe gekrönten Urtheile über mich — wozu
noch gothaiſche kamen — den Erfolg, daß unſere in Ariſtokratie ein-
*) Die Nachwelt wird es vielleicht erfahren durch die Weltgeſchichte, daß mir 35
der Herzog einen Kus gab und auch Hirſchkolben, welche leztere mir ganz neu.
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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