Unmöglichkeit, dir soviel mitzutheilen als lehnt' ich mich an die Blätter deiner Laube, d. h. alles, macht mich immer stum.
Zuerst deine Briefe! Gegen deinen ersten, der meine Klagen über deine briefliche Karthause beantwortete, hatt' ich viele Einwendungen, die mir jezt nicht geziemen, da du mich durch Thaten, d. h. 3 Briefe5 beantwortest. -- Dein Diethelm komme nur bald in meine Stube, er wird mich erquicken wie dein Eintrit -- deine Briefe haben soviel Stärke, Phantasie und Besonnenheit, daß ich so lange schon gewünscht, du möchtest diesen Brautschmuk einer Muse geben. Dein trefliches Urtheil über die Lucinde und Metakritik hat Herder eben so treflich10 gefunden; wiewohl ich dir die volendete Konsequenz eines irrigen Systems anfechte; denn blos an der Konsequenz erkennen wir die Wahrheit; -- ferner eine logische -- d. h. eine Nominalverknüpfung -- ist keine reelle -- endlich kan eine ganze feste Kette an einem lockern Haken d. h. Prinzip hängen. Du findest in meinem Briefe über die15 Philosophie nicht das, was ich doch hineinlegte; -- wie du überhaupt deine Partheilichkeit gegen meine ältern und neuen Werke in ungleichen Porzionen austheilst.
IIter Brief. Dein Zuruf wie an Philippus, aber zu einem philan- [233]thropischern Zwecke: gedenke daß du ein Mensch bist oder vielmehr20 sein solst --, dein Geniuszeigefinger, der mir zwischen den litterarischen Schlachtfeldern den sanften grünenden Weg der Liebe anweiset, ist mir wilkommen und nöthig, obwohl mein Herz immer dasselbe zu- ruft. -- Doch, würde das Schulgebäude des Hasses gar ausgebauet und Herder und das Gefühl zu sehr daraus beschossen: so würd'25 ich kühn mit aller mir beistehenden Satire die ganze Sekte auf einmal ohne namentliche Namen- Schonung anfallen. --
Dem Himmel sei Dank, daß ich über deine Hofnung nicht meine herzliche Freude ergossen -- ich sage dir nichts darüber als die Erinne- rung an die medizinischen Jahrbücher, die 10, 20jährige unfruchtbare30 Ehen am Ende als fruchtbare aufführen. Warum verzagst du nach 2 Nieten, da hier überal mehr Treffer sind als Nieten? --
III. Brief. Ich bin der Ehe -- ich könte sagen den Ehen -- näher als du vermuthest; über das übrige wie überhaupt über die Ströme und Sümpfe und Katarakten des Lebens fühl' ich mich35 muthig und kek. Das halbe Leben ist Lumperei und also nur Lumpen und Lumpenpapier sind zu risquieren --
Unmöglichkeit, dir ſoviel mitzutheilen als lehnt’ ich mich an die Blätter deiner Laube, d. h. alles, macht mich immer ſtum.
Zuerſt deine Briefe! Gegen deinen erſten, der meine Klagen über deine briefliche Karthauſe beantwortete, hatt’ ich viele Einwendungen, die mir jezt nicht geziemen, da du mich durch Thaten, d. h. 3 Briefe5 beantworteſt. — Dein Diethelm komme nur bald in meine Stube, er wird mich erquicken wie dein Eintrit — deine Briefe haben ſoviel Stärke, Phantaſie und Beſonnenheit, daß ich ſo lange ſchon gewünſcht, du möchteſt dieſen Brautſchmuk einer Muſe geben. Dein trefliches Urtheil über die Lucinde und Metakritik hat Herder eben ſo treflich10 gefunden; wiewohl ich dir die volendete Konſequenz eines irrigen Syſtems anfechte; denn blos an der Konſequenz erkennen wir die Wahrheit; — ferner eine logiſche — d. h. eine Nominalverknüpfung — iſt keine reelle — endlich kan eine ganze feſte Kette an einem lockern Haken d. h. Prinzip hängen. Du findeſt in meinem Briefe über die15 Philoſophie nicht das, was ich doch hineinlegte; — wie du überhaupt deine Partheilichkeit gegen meine ältern und neuen Werke in ungleichen Porzionen austheilſt.
IIter Brief. Dein Zuruf wie an Philippus, aber zu einem philan- [233]thropiſchern Zwecke: gedenke daß du ein Menſch biſt oder vielmehr20 ſein ſolſt —, dein Geniuszeigefinger, der mir zwiſchen den litterariſchen Schlachtfeldern den ſanften grünenden Weg der Liebe anweiſet, iſt mir wilkommen und nöthig, obwohl mein Herz immer daſſelbe zu- ruft. — Doch, würde das Schulgebäude des Haſſes gar ausgebauet und Herder und das Gefühl zu ſehr daraus beſchoſſen: ſo würd’25 ich kühn mit aller mir beiſtehenden Satire die ganze Sekte auf einmal ohne namentliche 〈Namen-〉 Schonung anfallen. —
Dem Himmel ſei Dank, daß ich über deine Hofnung nicht meine herzliche Freude ergoſſen — ich ſage dir nichts darüber als die Erinne- rung an die mediziniſchen Jahrbücher, die 10, 20jährige unfruchtbare30 Ehen am Ende als fruchtbare aufführen. Warum verzagſt du nach 2 Nieten, da hier überal mehr Treffer ſind als Nieten? —
III. Brief. Ich bin der Ehe — ich könte ſagen den Ehen — näher als du vermutheſt; über das übrige wie überhaupt über die Ströme und Sümpfe und Katarakten des Lebens fühl’ ich mich35 muthig und kek. Das halbe Leben iſt Lumperei und alſo nur Lumpen und Lumpenpapier ſind zu riſquieren —
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Unmöglichkeit, dir ſoviel mitzutheilen als lehnt’ ich mich an die
Blätter deiner Laube, d. h. alles, macht mich immer ſtum.
Zuerſt deine Briefe! Gegen deinen erſten, der meine Klagen über
deine briefliche Karthauſe beantwortete, hatt’ ich viele Einwendungen,
die mir jezt nicht geziemen, da du mich durch Thaten, d. h. 3 Briefe 5
beantworteſt. — Dein Diethelm komme nur bald in meine Stube, er
wird mich erquicken wie dein Eintrit — deine Briefe haben ſoviel
Stärke, Phantaſie und Beſonnenheit, daß ich ſo lange ſchon gewünſcht,
du möchteſt dieſen Brautſchmuk einer Muſe geben. Dein trefliches
Urtheil über die Lucinde und Metakritik hat Herder eben ſo treflich 10
gefunden; wiewohl ich dir die volendete Konſequenz eines irrigen
Syſtems anfechte; denn blos an der Konſequenz erkennen wir die
Wahrheit; — ferner eine logiſche — d. h. eine Nominalverknüpfung —
iſt keine reelle — endlich kan eine ganze feſte Kette an einem lockern
Haken d. h. Prinzip hängen. Du findeſt in meinem Briefe über die 15
Philoſophie nicht das, was ich doch hineinlegte; — wie du überhaupt
deine Partheilichkeit gegen meine ältern und neuen Werke in ungleichen
Porzionen austheilſt.
IIter Brief. Dein Zuruf wie an Philippus, aber zu einem philan-
thropiſchern Zwecke: gedenke daß du ein Menſch biſt oder vielmehr 20
ſein ſolſt —, dein Geniuszeigefinger, der mir zwiſchen den litterariſchen
Schlachtfeldern den ſanften grünenden Weg der Liebe anweiſet, iſt
mir wilkommen und nöthig, obwohl mein Herz immer daſſelbe zu-
ruft. — Doch, würde das Schulgebäude des Haſſes gar ausgebauet
und Herder und das Gefühl zu ſehr daraus beſchoſſen: ſo würd’ 25
ich kühn mit aller mir beiſtehenden Satire die ganze Sekte auf einmal
ohne namentliche 〈Namen-〉 Schonung anfallen. —
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Dem Himmel ſei Dank, daß ich über deine Hofnung nicht meine
herzliche Freude ergoſſen — ich ſage dir nichts darüber als die Erinne-
rung an die mediziniſchen Jahrbücher, die 10, 20jährige unfruchtbare 30
Ehen am Ende als fruchtbare aufführen. Warum verzagſt du nach
2 Nieten, da hier überal mehr Treffer ſind als Nieten? —
III. Brief. Ich bin der Ehe — ich könte ſagen den Ehen —
näher als du vermutheſt; über das übrige wie überhaupt über die
Ströme und Sümpfe und Katarakten des Lebens fühl’ ich mich 35
muthig und kek. Das halbe Leben iſt Lumperei und alſo nur Lumpen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/227>, abgerufen am 22.11.2024.
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