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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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ich -- zumal im Sommer, den ich immer verreise -- kan weniger
oft als viel schreiben.

Der Algütige sei es auch gegen dich, und heile deinen Körper
und, wenn er kan, auch dein schönes Herz.

Lebe wohl, wohl, vertrauende Seele! Du irrest dich nicht an5
mir. Deine aufknospende Tochter zeige dir deine Jugend, dein

[222]Herz und dein Verdienst! -- Fodere von der Erde nur Stille,
keine Melodie, und die Sphärenmusik mache dir dan dein eigenes
Herz. Und sage dir immer:

Leiden sind schöner die das zweite Leben endigt und die es10
fodern und verdienen, als Freuden, die ihm widersprechen und
entsagen, und die es endigt.

Lebe wohl, Josephine.

Jean Paul
276. An Charlotte von Sydow.
[Kopie]15

Charlotte! Votre lettre quelque mince qu'elle soit en est
pourtant une. Il y a peu de meres et de filles, vous en aves l'une,
soyes l'autre. Comme il est doux, de respecter et d'imiter la vertu
quand elle emprunte la forme qu'on doit aimer le plus, celle d'une
mere!
20

*277. An Christian Felix Weiße in Leipzig.

Wenn Sie, Verehrtester, mein Schweigen vergeben haben, so ver-
zeihen Sie auch mein Schreiben. Denn ich wil leider etwas damit von
Ihnen haben -- nämlich eine Bouteille Wein.25

Ernstlicher! Meine Freundin, die Frau unsers Herders, weis für
ihre Nerven keine[n] offizinellern Wein als den Zyper-Wein. Ich habe
vergeblich darum -- weil hier keiner ist -- nach Hof an einen Griechen
geschrieben. Da Sie nun über den Wein-Zehend und Zol aufsehen,
so haben Sie vielleicht Gelegenheit meine Bitte zu erfüllen, daß Sie30
irgend jemand veranlassen, mir einstweilen unfrankiert auf der Post
1 Bouteille, was sie auch koste, eilig zuzusenden. Vergeben Sie diese
geringfügige Bitte meiner Liebe gegen ein Haus, das ja auch die
Ihrige hat.

ich — zumal im Sommer, den ich immer verreise — kan weniger
oft als viel schreiben.

Der Algütige sei es auch gegen dich, und heile deinen Körper
und, wenn er kan, auch dein schönes Herz.

Lebe wohl, wohl, vertrauende Seele! Du irrest dich nicht an5
mir. Deine aufknospende Tochter zeige dir deine Jugend, dein

[222]Herz und dein Verdienst! — Fodere von der Erde nur Stille,
keine Melodie, und die Sphärenmusik mache dir dan dein eigenes
Herz. Und sage dir immer:

Leiden sind schöner die das zweite Leben endigt und die es10
fodern und verdienen, als Freuden, die ihm widersprechen und
entsagen, und die es endigt.

Lebe wohl, Josephine.

Jean Paul
276. An Charlotte von Sydow.
[Kopie]15

Charlotte! Votre lettre quelque mince qu’elle soit en est
pourtant une. Il y a peu de meres et de filles, vous en aves l’une,
soyes l’autre. Comme il est doux, de respecter et d’imiter la vertu
quand elle emprunte la forme qu’on doit aimer le plus, celle d’une
mere!
20

*277. An Chriſtian Felix Weiße in Leipzig.

Wenn Sie, Verehrteſter, mein Schweigen vergeben haben, ſo ver-
zeihen Sie auch mein Schreiben. Denn ich wil leider etwas damit von
Ihnen haben — nämlich eine Bouteille Wein.25

Ernſtlicher! Meine Freundin, die Frau unſers Herders, weis für
ihre Nerven keine[n] offizinellern Wein als den Zyper-Wein. Ich habe
vergeblich darum — weil hier keiner iſt — nach Hof an einen Griechen
geſchrieben. Da Sie nun über den Wein-Zehend und Zol aufſehen,
ſo haben Sie vielleicht Gelegenheit meine Bitte zu erfüllen, daß Sie30
irgend jemand veranlaſſen, mir einſtweilen unfrankiert auf der Poſt
1 Bouteille, was ſie auch koſte, eilig zuzuſenden. Vergeben Sie dieſe
geringfügige Bitte meiner Liebe gegen ein Haus, das ja auch die
Ihrige hat.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/217>, abgerufen am 28.04.2024.