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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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an dich gesunken und hätte nur geweint, nicht gesprochen! --
Nein, so entschuldige dich nie! --


Stelte sich nicht die Poststrasse zwischen unsere Herzen, so
solten Sie, liebe Josephine, schon längst ein Blätgen und gerade5
am schlimmen Tage erhalten haben, damit er dem guten ähnlicher
würde.
--

Ich wil jezt Ihren Brief beantworten.

Ich bin erst seit einem 1/2 Jahre in Weimar, wohin ich aus Leipzig[221]
kam. Ich habe kein Amt, weil ich nie eines wolte sondern, obwohl10
arm, doch lieber frei und am Schreib- und Studiertisch bleiben
wolte als am vollern Estische des Staates.

In Ihren Werken hab' ich wegen der Eile erst geblättert, aber
auch ohne Sehrohr hab' ich an diesem reinen Himmel schon
viele helle Sterne gefunden. Ein Auge, das scharf bemerkt, ein15
Herz, das heilig schlägt, fanden meine auf jeder Seite der geliebten
Freundin; und Ihr reiner Styl thut meinem Geschmak, der mehr
an Ludwig XIV als an Ludwig XVIII gewöhnt ist, innig wohl.

Die Gründe -- nicht die Illusionen -- für die Unsterblich-
keit finden Sie in meinem Kampanerthal; blosse Poesie wäre20
keine Philosophie, Farbe ist kein Licht.

Ihre Verbesserungen im Liede: "la tombe est triste" sind vor-
treflich; nur zieh' ich die erste Strophe der ersten Ausgabe wegen
der majestätischen Reime morne, l'orne vor. Die 3 lezten
Zeilen im Gedicht "L'espoir" gefielen mir am meisten, weil Sie25
da nicht übersezten sondern erschufen.

In der Zeile Ihres Briefs, wo Sie, Unvergesliche, der Vergeslich-
keit durch eine Gattin, wie fürchtend vorbauen, fand ich Ihr zu
heisses Herz, aber ein Herz das sich auf der Erde zur Asche macht
durch Gluth, nicht durch Tod.
30

Theuere Josephine, was könte ein so geistiges Verhältnis wie
unseres von irgend einem andern leiden? Lieb' ich dich nicht wie
einen Geist aus der vergangnen Welt, oder aus der künftigen?
-- Und keine Liebe ist unsterblich als die, die eben so rein ist wie
Unsterbliche.
35

Schreiben Sie Bogen vol, ich werde um Bücher Papier vol
bitten -- schreiben Sie diese, ich bitte um Ries Papier. Aber

an dich gesunken und hätte nur geweint, nicht gesprochen! —
Nein, so entschuldige dich nie! —


Stelte sich nicht die Poststrasse zwischen unsere Herzen, so
solten Sie, liebe Josephine, schon längst ein Blätgen und gerade5
am schlimmen Tage erhalten haben, damit er dem guten ähnlicher
würde.

Ich wil jezt Ihren Brief beantworten.

Ich bin erst seit einem ½ Jahre in Weimar, wohin ich aus Leipzig[221]
kam. Ich habe kein Amt, weil ich nie eines wolte sondern, obwohl10
arm, doch lieber frei und am Schreib- und Studiertisch bleiben
wolte als am vollern Estische des Staates.

In Ihren Werken hab’ ich wegen der Eile erst geblättert, aber
auch ohne Sehrohr hab’ ich an diesem reinen Himmel schon
viele helle Sterne gefunden. Ein Auge, das scharf bemerkt, ein15
Herz, das heilig schlägt, fanden meine auf jeder Seite der geliebten
Freundin; und Ihr reiner Styl thut meinem Geschmak, der mehr
an Ludwig XIV als an Ludwig XVIII gewöhnt ist, innig wohl.

Die Gründe — nicht die Illusionen — für die Unsterblich-
keit finden Sie in meinem Kampanerthal; blosse Poesie wäre20
keine Philosophie, Farbe ist kein Licht.

Ihre Verbesserungen im Liede: „la tombe est triste“ sind vor-
treflich; nur zieh’ ich die erste Strophe der ersten Ausgabe wegen
der majestätischen Reime morne, l’orne vor. Die 3 lezten
Zeilen im Gedicht „L’espoir“ gefielen mir am meisten, weil Sie25
da nicht übersezten sondern erschufen.

In der Zeile Ihres Briefs, wo Sie, Unvergesliche, der Vergeslich-
keit durch eine Gattin, wie fürchtend vorbauen, fand ich Ihr zu
heisses Herz, aber ein Herz das sich auf der Erde zur Asche macht
durch Gluth, nicht durch Tod.
30

Theuere Josephine, was könte ein so geistiges Verhältnis wie
unseres von irgend einem andern leiden? Lieb’ ich dich nicht wie
einen Geist aus der vergangnen Welt, oder aus der künftigen?
— Und keine Liebe ist unsterblich als die, die eben so rein ist wie
Unsterbliche.
35

Schreiben Sie Bogen vol, ich werde um Bücher Papier vol
bitten — schreiben Sie diese, ich bitte um Ries Papier. Aber

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[201/0216] an dich gesunken und hätte nur geweint, nicht gesprochen! — Nein, so entschuldige dich nie! — d. 10. Jun. Stelte sich nicht die Poststrasse zwischen unsere Herzen, so solten Sie, liebe Josephine, schon längst ein Blätgen und gerade 5 am schlimmen Tage erhalten haben, damit er dem guten ähnlicher würde. — Ich wil jezt Ihren Brief beantworten. Ich bin erst seit einem ½ Jahre in Weimar, wohin ich aus Leipzig kam. Ich habe kein Amt, weil ich nie eines wolte sondern, obwohl 10 arm, doch lieber frei und am Schreib- und Studiertisch bleiben wolte als am vollern Estische des Staates. [221] In Ihren Werken hab’ ich wegen der Eile erst geblättert, aber auch ohne Sehrohr hab’ ich an diesem reinen Himmel schon viele helle Sterne gefunden. Ein Auge, das scharf bemerkt, ein 15 Herz, das heilig schlägt, fanden meine auf jeder Seite der geliebten Freundin; und Ihr reiner Styl thut meinem Geschmak, der mehr an Ludwig XIV als an Ludwig XVIII gewöhnt ist, innig wohl. Die Gründe — nicht die Illusionen — für die Unsterblich- keit finden Sie in meinem Kampanerthal; blosse Poesie wäre 20 keine Philosophie, Farbe ist kein Licht. Ihre Verbesserungen im Liede: „la tombe est triste“ sind vor- treflich; nur zieh’ ich die erste Strophe der ersten Ausgabe wegen der majestätischen Reime morne, l’orne vor. Die 3 lezten Zeilen im Gedicht „L’espoir“ gefielen mir am meisten, weil Sie 25 da nicht übersezten sondern erschufen. In der Zeile Ihres Briefs, wo Sie, Unvergesliche, der Vergeslich- keit durch eine Gattin, wie fürchtend vorbauen, fand ich Ihr zu heisses Herz, aber ein Herz das sich auf der Erde zur Asche macht durch Gluth, nicht durch Tod. 30 Theuere Josephine, was könte ein so geistiges Verhältnis wie unseres von irgend einem andern leiden? Lieb’ ich dich nicht wie einen Geist aus der vergangnen Welt, oder aus der künftigen? — Und keine Liebe ist unsterblich als die, die eben so rein ist wie Unsterbliche. 35 Schreiben Sie Bogen vol, ich werde um Bücher Papier vol bitten — schreiben Sie diese, ich bitte um Ries Papier. Aber

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/216>, abgerufen am 28.04.2024.