Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.nicht öffentlich dieses transßendente Schachspiel -- wozu er sich die Herders Metakritik wird dir durch den Muth, durch die Thetik Dein Taschenbuch kan ich wegen deiner überflüssigen Gedanken Herder giebt mit mir eine 1/4jahrsschrift, Aurora, heraus; er ist20 Sei froh, daß meine Huldigungspredigt nur gehalten ist; und stelle Fichte ist noch in Jena und wurde aus Rudolstadt mit seinen30 nicht öffentlich dieſes transſzendente Schachſpiel — wozu er ſich die Herders Metakritik wird dir durch den Muth, durch die Thetik Dein Taſchenbuch kan ich wegen deiner überflüſſigen Gedanken Herder giebt mit mir eine ¼jahrsſchrift, Aurora, heraus; er iſt20 Sei froh, daß meine Huldigungspredigt nur gehalten iſt; und ſtelle Fichte iſt noch in Jena und wurde aus Rudolſtadt mit ſeinen30 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0214" n="199"/> nicht öffentlich dieſes transſzendente Schachſpiel — wozu er ſich die<lb/><hi rendition="#g">Figuren</hi> und <hi rendition="#g">Spieler</hi> ausbittet, nur die Kombinazion nicht — um,<lb/> da du mir keinen Man in Deutſchland nennen kanſt, der nur dein<lb/><hi rendition="#aq">nuntius a et de latere</hi> ſein könte, keinen? — Die Folgen deiner Werke<lb/> werden dir ſchöner folgen und jezt ſind geiſtige Märtyrer nöthiger wie<lb n="5"/> ſonſt körperliche.</p><lb/> <p>Herders Metakritik wird dir durch den Muth, durch die Thetik<lb/> — auch hier iſt er antikritiſch, nämlich beſſer in der Thetik als Po-<lb/> lemik — und durch einzelne vortrefliche Kapitel z. B. über die Kate-<lb/> gorien, über die Indukzion ꝛc. gefallen. Faſſe, da er mich ſchon darnach<lb n="10"/> gefragt, dein Urtheil über ſie ſchonend ab, damit ich es ihm mit freier<lb/> Bruſt eröfnen kan. Dieſer ätheriſche Menſch, den ich täglich lieber<lb/> gewinne ungeachtet ſeiner kleinen Sonnenhöfe, kan vor lauter<lb/> Schaffen ſchwer ſehen, wie einem Rieſen werden ihm nur groſſe<note place="right"><ref target="1922_Bd3_219">[219]</ref></note><lb/> Maſſen z. B. Völker hel — ach du weiſt ja alles.<lb n="15"/> </p><lb/> <p>Dein Taſchenbuch kan ich wegen deiner überflüſſigen Gedanken<lb/> — das philoſophiſche <hi rendition="#aq">Nécessaire</hi> iſt jezt ein bloſſes Futteral wie das<lb/> Möbel — kaum erwarten; und ich wolte gern mit deinem Schweigen<lb/> vor mir dein Reden vor uns allen erkaufen und bezahlen, recht gern.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">Herder</hi> giebt mit mir eine ¼jahrsſchrift, <hi rendition="#aq">Aurora,</hi> heraus; er iſt<lb n="20"/> das <hi rendition="#aq">bureau central</hi> und der Wurzelman davon; ſie iſt etwas anderes<lb/> und algemeineres als die, die ich dir vorſchlug.</p><lb/> <p>Sei froh, daß meine Huldigungspredigt nur gehalten iſt; und ſtelle<lb/> keine Kirchenviſitazion darum an — warlich, Heinrich, ich machte ſie<lb/> blos, weil ich zu dir nicht Nein ſagen kan; ſo wie zu <hi rendition="#aq">Herder;</hi> die <hi rendition="#aq">Aurora</hi><lb n="25"/> iſt für mich was die mythol[og]iſche war, die immer Jünglinge<lb/> tödtend entführte. Ich mus, wenn ich Papier nehme, eben ſo gut eine<lb/> groſſe Tour von einem Ries als eine enge von einem Alphabet vor<lb/> mir liegen ſehen: ſonſt wird nichts.</p><lb/> <p>Fichte iſt noch in Jena und wurde aus Rudolſtadt mit ſeinen<lb n="30"/> <hi rendition="#aq">privatissimis</hi> ausgeſpert. Er ſchmerzet mich, da er edel iſt und hülflos<lb/> und da der bleiche Miniſter <hi rendition="#aq">Voigt</hi> nicht werth iſt, ſein Diener zu ſein,<lb/> geſchweige ſein Mäzen. <hi rendition="#aq">Goethe</hi> — über den ich dir ein Oktavbändgen<lb/> zufertigen möchte — iſt Gott gleich, der nach Pope eine Welt und<lb/> einen Sperling mit gleichem Gemüthe fallen ſieht, um ſo mehr da er<lb n="35"/> keines von beiden ſchaft; aber ſeine Apathie gegen <hi rendition="#g">fremde</hi> Leiden<lb/> nimt er ſchmeichelnd für eine gegen die <hi rendition="#g">ſeinigen.</hi></p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [199/0214]
nicht öffentlich dieſes transſzendente Schachſpiel — wozu er ſich die
Figuren und Spieler ausbittet, nur die Kombinazion nicht — um,
da du mir keinen Man in Deutſchland nennen kanſt, der nur dein
nuntius a et de latere ſein könte, keinen? — Die Folgen deiner Werke
werden dir ſchöner folgen und jezt ſind geiſtige Märtyrer nöthiger wie 5
ſonſt körperliche.
Herders Metakritik wird dir durch den Muth, durch die Thetik
— auch hier iſt er antikritiſch, nämlich beſſer in der Thetik als Po-
lemik — und durch einzelne vortrefliche Kapitel z. B. über die Kate-
gorien, über die Indukzion ꝛc. gefallen. Faſſe, da er mich ſchon darnach 10
gefragt, dein Urtheil über ſie ſchonend ab, damit ich es ihm mit freier
Bruſt eröfnen kan. Dieſer ätheriſche Menſch, den ich täglich lieber
gewinne ungeachtet ſeiner kleinen Sonnenhöfe, kan vor lauter
Schaffen ſchwer ſehen, wie einem Rieſen werden ihm nur groſſe
Maſſen z. B. Völker hel — ach du weiſt ja alles. 15
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Dein Taſchenbuch kan ich wegen deiner überflüſſigen Gedanken
— das philoſophiſche Nécessaire iſt jezt ein bloſſes Futteral wie das
Möbel — kaum erwarten; und ich wolte gern mit deinem Schweigen
vor mir dein Reden vor uns allen erkaufen und bezahlen, recht gern.
Herder giebt mit mir eine ¼jahrsſchrift, Aurora, heraus; er iſt 20
das bureau central und der Wurzelman davon; ſie iſt etwas anderes
und algemeineres als die, die ich dir vorſchlug.
Sei froh, daß meine Huldigungspredigt nur gehalten iſt; und ſtelle
keine Kirchenviſitazion darum an — warlich, Heinrich, ich machte ſie
blos, weil ich zu dir nicht Nein ſagen kan; ſo wie zu Herder; die Aurora 25
iſt für mich was die mythol[og]iſche war, die immer Jünglinge
tödtend entführte. Ich mus, wenn ich Papier nehme, eben ſo gut eine
groſſe Tour von einem Ries als eine enge von einem Alphabet vor
mir liegen ſehen: ſonſt wird nichts.
Fichte iſt noch in Jena und wurde aus Rudolſtadt mit ſeinen 30
privatissimis ausgeſpert. Er ſchmerzet mich, da er edel iſt und hülflos
und da der bleiche Miniſter Voigt nicht werth iſt, ſein Diener zu ſein,
geſchweige ſein Mäzen. Goethe — über den ich dir ein Oktavbändgen
zufertigen möchte — iſt Gott gleich, der nach Pope eine Welt und
einen Sperling mit gleichem Gemüthe fallen ſieht, um ſo mehr da er 35
keines von beiden ſchaft; aber ſeine Apathie gegen fremde Leiden
nimt er ſchmeichelnd für eine gegen die ſeinigen.
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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