und wil mich heirathen und sich scheiden. Nim meinen Leichtsin nicht falsch.
d. 29. Dec.
Weiter! Die alte Lebensweise kehrte bald um, nur verklärter. Kurz nach einem Souper bei Herder und einem bei ihr, wo er bei ihr war5 (er achtet sie tief und höher als die B[erleps]ch und küste sie sogar im Feuer, neben seiner Frau) und als der Wiederschein dieser Aetnas Flamme auf mich fiel, sagte sie mir es geradezu. Sonderbar, ich möchte lieber 3 Tage mit dir reden als 1 Minute darüber schreiben (auch hörest du das Bestimtere erst im Lenz von mir). Meine moralischen10 Einwürfe gegen die Scheidung wurden durch die 10jährige Entfernung des Mannes widerlegt, und durch den frühern Vorsaz für Schiller -- von den 3 Kindern bliebe nur eines, das schönste klügste Mädgen -- alle Güter sind die ihrigen -- und als ich auf kameralistische Indem- nisazion des Mannes und der Kinder (präliminarisch) drang, war alles15 ihre Meinung. Verdamt! ich ärgerte mich diese ganze Seite durch über dich, weil dir nie meine kurze schlechte Erzählungsweise recht ist, und mir doch vor langen Historien ekelt. Im Lenz, im Lenz!
Mit drei Worten! O ich sagte der hohen heissen Seele einige Tage darauf Nein! Und da ich eine Grösse, Gluth, Beredsamkeit hörte20 wie nie: so bestand ich eisern darauf, daß sie keinen Schrit für wie ich keinen gegen die Sache thun solle. Denn sie glaubt, ihre Schwester und deren Man, der Präsident, und ihre Verwandten würden alles thun, ach im März wäre alles vorbei, nämlich die Hochzeit.
Ich habe endlich Festigkeit des Herzens gelernt -- ich bin ganz25 schuldlos -- ich sehe die hohe genial[ische] Liebe, die ich dir hier nicht mit diesem schwarzen Wasser malen kan -- aber es passet nicht zu meinen Träumen. -- O Emilie, du sprachst mir die Liebe ab, und nur dieser opfer' ich Stand und Reichthum schon zum 2ten mal!
[156]Wild bin ich ordentlich. Sieh, gerade um diese Zeit 97, gerade da30 ich Herminen malte, und jezt, da ich in den gedrukten Briefen an dich im Jenner mein künftiges Leben und Lieben wieder malen wil*): da kehret dieser Sturm zurük. Jene B -- -- Verhältnisse banden meine Augen und Hände zu und ich versäumte vielleicht ein Herz, das mir gehörte. Sol ich immer so spielen und hoffen und ausschlagen und ver-35 fehlen? -- Solche Weiber wie beide verblenden gegen jede stillere weibliche Luna.
und wil mich heirathen und ſich ſcheiden. Nim meinen Leichtſin nicht falſch.
d. 29. Dec.
Weiter! Die alte Lebensweiſe kehrte bald um, nur verklärter. Kurz nach einem Souper bei Herder und einem bei ihr, wo er bei ihr war5 (er achtet ſie tief und höher als die B[erleps]ch und küſte ſie ſogar im Feuer, neben ſeiner Frau) und als der Wiederſchein dieſer Aetnas Flamme auf mich fiel, ſagte ſie mir es geradezu. Sonderbar, ich möchte lieber 3 Tage mit dir reden als 1 Minute darüber ſchreiben (auch höreſt du das Beſtimtere erſt im Lenz von mir). Meine moraliſchen10 Einwürfe gegen die Scheidung wurden durch die 10jährige Entfernung des Mannes widerlegt, und durch den frühern Vorſaz für Schiller — von den 3 Kindern bliebe nur eines, das ſchönſte klügſte Mädgen — alle Güter ſind die ihrigen — und als ich auf kameraliſtiſche Indem- niſazion des Mannes und der Kinder (präliminariſch) drang, war alles15 ihre Meinung. Verdamt! ich ärgerte mich dieſe ganze Seite durch über dich, weil dir nie meine kurze ſchlechte Erzählungsweiſe recht iſt, und mir doch vor langen Hiſtorien ekelt. Im Lenz, im Lenz!
Mit drei Worten! O ich ſagte der hohen heiſſen Seele einige Tage darauf Nein! Und da ich eine Gröſſe, Gluth, Beredſamkeit hörte20 wie nie: ſo beſtand ich eiſern darauf, daß ſie keinen Schrit für wie ich keinen gegen die Sache thun ſolle. Denn ſie glaubt, ihre Schweſter und deren Man, der Präſident, und ihre Verwandten würden alles thun, ach im März wäre alles vorbei, nämlich die Hochzeit.
Ich habe endlich Feſtigkeit des Herzens gelernt — ich bin ganz25 ſchuldlos — ich ſehe die hohe genial[iſche] Liebe, die ich dir hier nicht mit dieſem ſchwarzen Waſſer malen kan — aber es paſſet nicht zu meinen Träumen. — O Emilie, du ſprachſt mir die Liebe ab, und nur dieſer opfer’ ich Stand und Reichthum ſchon zum 2ten mal!
[156]Wild bin ich ordentlich. Sieh, gerade um dieſe Zeit 97, gerade da30 ich Herminen malte, und jezt, da ich in den gedrukten Briefen an dich im Jenner mein künftiges Leben und Lieben wieder malen wil*): da kehret dieſer Sturm zurük. Jene B — — Verhältniſſe banden meine Augen und Hände zu und ich verſäumte vielleicht ein Herz, das mir gehörte. Sol ich immer ſo ſpielen und hoffen und ausſchlagen und ver-35 fehlen? — Solche Weiber wie beide verblenden gegen jede ſtillere weibliche Luna.
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0150"n="140"/>
und wil mich heirathen und ſich ſcheiden. Nim meinen Leichtſin nicht<lb/>
falſch.</p></div><lb/><divn="2"><dateline><hirendition="#right"><hirendition="#aq">d. 29. Dec.</hi></hi></dateline><lb/><p>Weiter! Die alte Lebensweiſe kehrte bald um, nur verklärter. Kurz<lb/>
nach einem <hirendition="#aq">Souper</hi> bei <hirendition="#aq">Herder</hi> und einem bei ihr, wo er bei ihr war<lbn="5"/>
(er achtet ſie tief und höher als die <hirendition="#aq">B[erleps]ch</hi> und küſte ſie ſogar im<lb/>
Feuer, neben ſeiner Frau) und als der Wiederſchein dieſer Aetnas<lb/>
Flamme auf mich fiel, ſagte ſie mir es geradezu. Sonderbar, ich möchte<lb/>
lieber 3 Tage mit dir reden als 1 Minute darüber ſchreiben (auch<lb/>
höreſt du das Beſtimtere erſt im Lenz von mir). Meine moraliſchen<lbn="10"/>
Einwürfe gegen die Scheidung wurden durch die 10jährige Entfernung<lb/>
des Mannes widerlegt, und durch den frühern Vorſaz für <hirendition="#aq">Schiller</hi><lb/>— von den 3 Kindern bliebe nur eines, das ſchönſte klügſte Mädgen —<lb/>
alle Güter ſind die ihrigen — und als ich auf kameraliſtiſche Indem-<lb/>
niſazion des Mannes und der Kinder (präliminariſch) drang, war alles<lbn="15"/>
ihre Meinung. Verdamt! ich ärgerte mich dieſe ganze Seite durch<lb/>
über dich, weil dir nie meine kurze ſchlechte Erzählungsweiſe recht iſt,<lb/>
und mir doch vor langen Hiſtorien ekelt. Im Lenz, im Lenz!</p><lb/><p>Mit drei Worten! O ich ſagte der hohen heiſſen Seele einige Tage<lb/>
darauf <hirendition="#g">Nein!</hi> Und da ich eine Gröſſe, Gluth, Beredſamkeit hörte<lbn="20"/>
wie nie: ſo beſtand ich eiſern darauf, daß ſie keinen Schrit <hirendition="#g">für</hi> wie ich<lb/>
keinen <hirendition="#g">gegen</hi> die Sache thun ſolle. Denn ſie glaubt, ihre Schweſter<lb/>
und deren Man, der Präſident, und ihre Verwandten würden alles<lb/>
thun, ach im März wäre alles vorbei, nämlich die Hochzeit.</p><lb/><p>Ich habe endlich Feſtigkeit des Herzens gelernt — ich bin ganz<lbn="25"/>ſchuldlos — ich ſehe die hohe genial[iſche] Liebe, die ich dir hier nicht<lb/>
mit dieſem ſchwarzen Waſſer malen kan — aber es paſſet nicht zu<lb/>
meinen Träumen. — O Emilie, du ſprachſt mir die Liebe ab, und nur<lb/>
dieſer opfer’ ich Stand und Reichthum ſchon zum 2<hirendition="#sup">ten</hi> mal!</p><lb/><p><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd3_156">[156]</ref></note>Wild bin ich ordentlich. Sieh, gerade um dieſe Zeit 97, gerade da<lbn="30"/>
ich Herminen malte, und jezt, da ich in den gedrukten Briefen an dich<lb/>
im Jenner mein künftiges Leben und Lieben wieder malen wil*): da<lb/>
kehret dieſer Sturm zurük. Jene <hirendition="#aq">B</hi>—— Verhältniſſe banden meine<lb/>
Augen und Hände zu und ich verſäumte vielleicht ein Herz, das mir<lb/>
gehörte. Sol ich immer ſo ſpielen und hoffen und ausſchlagen und ver-<lbn="35"/>
fehlen? — Solche Weiber wie beide verblenden gegen jede ſtillere<lb/>
weibliche Luna.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[140/0150]
und wil mich heirathen und ſich ſcheiden. Nim meinen Leichtſin nicht
falſch.
d. 29. Dec.
Weiter! Die alte Lebensweiſe kehrte bald um, nur verklärter. Kurz
nach einem Souper bei Herder und einem bei ihr, wo er bei ihr war 5
(er achtet ſie tief und höher als die B[erleps]ch und küſte ſie ſogar im
Feuer, neben ſeiner Frau) und als der Wiederſchein dieſer Aetnas
Flamme auf mich fiel, ſagte ſie mir es geradezu. Sonderbar, ich möchte
lieber 3 Tage mit dir reden als 1 Minute darüber ſchreiben (auch
höreſt du das Beſtimtere erſt im Lenz von mir). Meine moraliſchen 10
Einwürfe gegen die Scheidung wurden durch die 10jährige Entfernung
des Mannes widerlegt, und durch den frühern Vorſaz für Schiller
— von den 3 Kindern bliebe nur eines, das ſchönſte klügſte Mädgen —
alle Güter ſind die ihrigen — und als ich auf kameraliſtiſche Indem-
niſazion des Mannes und der Kinder (präliminariſch) drang, war alles 15
ihre Meinung. Verdamt! ich ärgerte mich dieſe ganze Seite durch
über dich, weil dir nie meine kurze ſchlechte Erzählungsweiſe recht iſt,
und mir doch vor langen Hiſtorien ekelt. Im Lenz, im Lenz!
Mit drei Worten! O ich ſagte der hohen heiſſen Seele einige Tage
darauf Nein! Und da ich eine Gröſſe, Gluth, Beredſamkeit hörte 20
wie nie: ſo beſtand ich eiſern darauf, daß ſie keinen Schrit für wie ich
keinen gegen die Sache thun ſolle. Denn ſie glaubt, ihre Schweſter
und deren Man, der Präſident, und ihre Verwandten würden alles
thun, ach im März wäre alles vorbei, nämlich die Hochzeit.
Ich habe endlich Feſtigkeit des Herzens gelernt — ich bin ganz 25
ſchuldlos — ich ſehe die hohe genial[iſche] Liebe, die ich dir hier nicht
mit dieſem ſchwarzen Waſſer malen kan — aber es paſſet nicht zu
meinen Träumen. — O Emilie, du ſprachſt mir die Liebe ab, und nur
dieſer opfer’ ich Stand und Reichthum ſchon zum 2ten mal!
Wild bin ich ordentlich. Sieh, gerade um dieſe Zeit 97, gerade da 30
ich Herminen malte, und jezt, da ich in den gedrukten Briefen an dich
im Jenner mein künftiges Leben und Lieben wieder malen wil*): da
kehret dieſer Sturm zurük. Jene B — — Verhältniſſe banden meine
Augen und Hände zu und ich verſäumte vielleicht ein Herz, das mir
gehörte. Sol ich immer ſo ſpielen und hoffen und ausſchlagen und ver- 35
fehlen? — Solche Weiber wie beide verblenden gegen jede ſtillere
weibliche Luna.
[156]
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/150>, abgerufen am 26.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.