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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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Einen längsten Tag zur Reise); auf der andern ferner, wegen des
längern Laufs der Briefe, wiewohl deine nie einen sonderlich-schnellen
nach Leipzig hatten und ich also durch Weimar nichts verliere als den
Datum. -- Nach Hof komm ich so diesen Herbst schwerlich -- im
Frühling gewis -- im Winter vielleicht. --5

Montags früh. Eben komm ich aus meinem schönen gemietheten
Logis für 50 rtl. mit Meublen und Betten, auf dem Markte.

Meinem Bruder werd' ich, fals er am Parnas seinen Weinberg
anlegen wil, jährlich etwas Festes auf 3 Jahre aussezen und keinen
Dreier darüber. Ist er schlecht: zieh ich die Pension ein, die man z. B.10
Herder hier nicht französisch <pangsion> sondern lateinisch aus-
spricht, so wie Orch<g>ester, Projekt.

Eben empfang ich von meinem pastor fido Thieriot deine und andere
Briefe. O dieses Verpflanzen nach Hof mitten in der Fremde quilt wie
[105]laue Frühlingsluft ins Herz! -- Alle meine Standhaftigkeit, und alle15
meine Liebe für den Schreibtisch gehört dazu, daß ich Euch entbehre in
dieser Nähe.

Dein Kontra-Aviso ist treflich, wizig und recht; obwohl zu hart
gegen den unschuldigen Verfasser.

Oertel hat unter seinem Namen etwas gegen Schlegel in den20
Merkur für mich eingesandt, das der alles duldende Böttiger (der
Unter-Redakteur des Merkurs) nicht recht haben wolte, das er aber auf
Wielands Befehl einrücken mus, dem es sehr gefiel und der mirs vorlas.

Lieber Otto! Wie schreibst du mir so wenig, zumal von dir? Mit
welchem Rechte oder Lohne geb ich dir meine Personalien wenns nicht25
die Hofnung auf die deinigen ist? Schreibe mir bald das was dich so
ruhig macht, nämlich "die neu entdekte unversiegliche Quelle". Erräth es
denn niemand, daß es für einen fernen sehnsüchtigen Freund eine Gabe
ist, wenn man ihm schreibt, wie oft man nieset, gähnt, lacht und weint?
-- Du hältst mich in Rüksicht der Ansichten und der Menschenliebe für30
veränderter als ich bin; ich bin der Alte in neuen Lagen; und bin den
Menschen so gut wie sonst und ich habe nichts verloren als einige --
Hofnungen oder Träume.

Ich kam eben von Falk; wir können einander in die Fenster sehen
und wir werden denk ich einander lieben.35

Es ist eine Schwelgerei des Herzens, daß ich durchaus diesen Brief
als den ersten jezt schon an dich endige -- wiewohl ich ihn in meinen

Einen längſten Tag zur Reiſe); auf der andern ferner, wegen des
längern Laufs der Briefe, wiewohl deine nie einen ſonderlich-ſchnellen
nach Leipzig hatten und ich alſo durch Weimar nichts verliere als den
Datum. — Nach Hof komm ich ſo dieſen Herbſt ſchwerlich — im
Frühling gewis — im Winter vielleicht. —5

Montags früh. Eben komm ich aus meinem ſchönen gemietheten
Logis für 50 rtl. mit Meublen und Betten, auf dem Markte.

Meinem Bruder werd’ ich, fals er am Parnas ſeinen Weinberg
anlegen wil, jährlich etwas Feſtes auf 3 Jahre ausſezen und keinen
Dreier darüber. Iſt er ſchlecht: zieh ich die Penſion ein, die man z. B.10
Herder hier nicht franzöſiſch <pangsion> ſondern lateiniſch aus-
ſpricht, ſo wie Orch<g>eſter, Projekt.

Eben empfang ich von meinem pastor fido Thieriot deine und andere
Briefe. O dieſes Verpflanzen nach Hof mitten in der Fremde quilt wie
[105]laue Frühlingsluft ins Herz! — Alle meine Standhaftigkeit, und alle15
meine Liebe für den Schreibtiſch gehört dazu, daß ich Euch entbehre in
dieſer Nähe.

Dein Kontra-Aviſo iſt treflich, wizig und recht; obwohl zu hart
gegen den unſchuldigen Verfaſſer.

Oertel hat unter ſeinem Namen etwas gegen Schlegel in den20
Merkur für mich eingeſandt, das der alles duldende Böttiger (der
Unter-Redakteur des Merkurs) nicht recht haben wolte, das er aber auf
Wielands Befehl einrücken mus, dem es ſehr gefiel und der mirs vorlas.

Lieber Otto! Wie ſchreibſt du mir ſo wenig, zumal von dir? Mit
welchem Rechte oder Lohne geb ich dir meine Perſonalien wenns nicht25
die Hofnung auf die deinigen iſt? Schreibe mir bald das was dich ſo
ruhig macht, nämlich „die neu entdekte unverſiegliche Quelle“. Erräth es
denn niemand, daß es für einen fernen ſehnſüchtigen Freund eine Gabe
iſt, wenn man ihm ſchreibt, wie oft man nieſet, gähnt, lacht und weint?
— Du hältſt mich in Rükſicht der Anſichten und der Menſchenliebe für30
veränderter als ich bin; ich bin der Alte in neuen Lagen; und bin den
Menſchen ſo gut wie ſonſt und ich habe nichts verloren als einige —
Hofnungen oder Träume.

Ich kam eben von Falk; wir können einander in die Fenſter ſehen
und wir werden denk ich einander lieben.35

Es iſt eine Schwelgerei des Herzens, daß ich durchaus dieſen Brief
als den erſten jezt ſchon an dich endige — wiewohl ich ihn in meinen

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[96/0105] Einen längſten Tag zur Reiſe); auf der andern ferner, wegen des längern Laufs der Briefe, wiewohl deine nie einen ſonderlich-ſchnellen nach Leipzig hatten und ich alſo durch Weimar nichts verliere als den Datum. — Nach Hof komm ich ſo dieſen Herbſt ſchwerlich — im Frühling gewis — im Winter vielleicht. — 5 ☞Montags früh. Eben komm ich aus meinem ſchönen gemietheten Logis für 50 rtl. mit Meublen und Betten, auf dem Markte. Meinem Bruder werd’ ich, fals er am Parnas ſeinen Weinberg anlegen wil, jährlich etwas Feſtes auf 3 Jahre ausſezen und keinen Dreier darüber. Iſt er ſchlecht: zieh ich die Penſion ein, die man z. B. 10 Herder hier nicht franzöſiſch <pangsion> ſondern lateiniſch aus- ſpricht, ſo wie Orch<g>eſter, Projekt. Eben empfang ich von meinem pastor fido Thieriot deine und andere Briefe. O dieſes Verpflanzen nach Hof mitten in der Fremde quilt wie laue Frühlingsluft ins Herz! — Alle meine Standhaftigkeit, und alle 15 meine Liebe für den Schreibtiſch gehört dazu, daß ich Euch entbehre in dieſer Nähe. [105] Dein Kontra-Aviſo iſt treflich, wizig und recht; obwohl zu hart gegen den unſchuldigen Verfaſſer. Oertel hat unter ſeinem Namen etwas gegen Schlegel in den 20 Merkur für mich eingeſandt, das der alles duldende Böttiger (der Unter-Redakteur des Merkurs) nicht recht haben wolte, das er aber auf Wielands Befehl einrücken mus, dem es ſehr gefiel und der mirs vorlas. Lieber Otto! Wie ſchreibſt du mir ſo wenig, zumal von dir? Mit welchem Rechte oder Lohne geb ich dir meine Perſonalien wenns nicht 25 die Hofnung auf die deinigen iſt? Schreibe mir bald das was dich ſo ruhig macht, nämlich „die neu entdekte unverſiegliche Quelle“. Erräth es denn niemand, daß es für einen fernen ſehnſüchtigen Freund eine Gabe iſt, wenn man ihm ſchreibt, wie oft man nieſet, gähnt, lacht und weint? — Du hältſt mich in Rükſicht der Anſichten und der Menſchenliebe für 30 veränderter als ich bin; ich bin der Alte in neuen Lagen; und bin den Menſchen ſo gut wie ſonſt und ich habe nichts verloren als einige — Hofnungen oder Träume. Ich kam eben von Falk; wir können einander in die Fenſter ſehen und wir werden denk ich einander lieben. 35 Es iſt eine Schwelgerei des Herzens, daß ich durchaus dieſen Brief als den erſten jezt ſchon an dich endige — wiewohl ich ihn in meinen

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/105>, abgerufen am 03.05.2024.