Enthusiasmus mir die peine forte et dure anthut und mich zu reden zwingt....
Der Plan deiner Seelen-Silhouette, die anfangs wie die Wolken- verschattungen zweifelhaft um die Gegend zu rinnen scheint und die eben durch diese Zweifelhaftigkeit die Seele des Verf. und Lesers für sein5 Gemälde grundieret, hat einen Plan und ist bis auf alle kleine Linien (meines Bedünkens) abgemessen. -- Ueber das Einzelne:
Die perpendikularen Striche am Rande bezeichnen wie Obelisken die schönsten Stellen deiner Gegend.
1. 1. Kleine Bestimmungen, die nur der Wahrheit, nicht der Be-10 lebung dienen, unterdrück' ich. Du glaubst nicht, was man in der Poesie, troz den entgegengesezten Beispielen, durch Vertilgung der Adver- bien und Interjunkzionen, die sämtlich keine Farbenkörner sind, er- beutet -- gerade so viel wie in der Satire durch die Benüzung der- selben.15
3. Eigentlich: "vollertönend" -- werdend ist blos abstrakt -- du must 1 Verbum haben.
4. 4. Oben stehet eine Menge Substantiven, deren Beziehung und Wirkung durch den Aufschub des Verbums entkräftet wird. Also schick' es voraus.20
5. Sage nie "scheint, dünkt, werdend" -- Du giebst hier der dunkeln Wolke zuviel Lichter. Blütenschleier ist nicht gewagt für einen Baum, aber wol als Metapher einer Metapher.
6. "fahren" war zu oft da, und ist nicht edel genug, daher ichs oft von mir brauche.25
7. Nach der erhabnen Beschreibung dieser Gestalt und ihrer Fackel, giebt die Umkreisung weder ein helles noch angemessenes Bild -- [33]Dieses Lodern nach allen WeltEcken ist ohne diesen Zusaz beschrieben.
8. Je grösser die Erwartung des Lesers ist, desto leichter kühlet sie sich schon durch Warten ab. Also mus die Erscheinung dicht aus der30 Wolke treten. Das was sie hier sagt, klingt in der nachzitternden Seele wieder und zumal das wagrecht Unterstrichene ist erhaben.
9. "Dünkt" weg -- "oder" weg.
10. Sage nur mit einem Zuge, daß es auf der schwebenden Erde war.
10. Da ich oft in diesem Falle war: kan ich dich errathen: hier warst35 du zu sehr im Enthusiasmus. Dieser hat so sehr seine Gränzen daß ich im höchsten nur mache, was ich den andern Tag wieder vertilge. Selten
Enthuſiaſmus mir die peine forte et dure anthut und mich zu reden zwingt....
Der Plan deiner Seelen-Silhouette, die anfangs wie die Wolken- verſchattungen zweifelhaft um die Gegend zu rinnen ſcheint und die eben durch dieſe Zweifelhaftigkeit die Seele des Verf. und Leſers für ſein5 Gemälde grundieret, hat einen Plan und iſt bis auf alle kleine Linien (meines Bedünkens) abgemeſſen. — Ueber das Einzelne:
Die perpendikularen Striche am Rande bezeichnen wie Obeliſken die ſchönſten Stellen deiner Gegend.
1. 1. Kleine Beſtimmungen, die nur der Wahrheit, nicht der Be-10 lebung dienen, unterdrück’ ich. Du glaubſt nicht, was man in der Poeſie, troz den entgegengeſezten Beiſpielen, durch Vertilgung der Adver- bien und Interjunkzionen, die ſämtlich keine Farbenkörner ſind, er- beutet — gerade ſo viel wie in der Satire durch die Benüzung der- ſelben.15
3. Eigentlich: „vollertönend“ — werdend iſt blos abſtrakt — du muſt 1 Verbum haben.
4. 4. Oben ſtehet eine Menge Subſtantiven, deren Beziehung und Wirkung durch den Aufſchub des Verbums entkräftet wird. Alſo ſchick’ es voraus.20
5. Sage nie „ſcheint, dünkt, werdend“ — Du giebſt hier der dunkeln Wolke zuviel Lichter. Blütenſchleier iſt nicht gewagt für einen Baum, aber wol als Metapher einer Metapher.
6. „fahren“ war zu oft da, und iſt nicht edel genug, daher ichs oft von mir brauche.25
7. Nach der erhabnen Beſchreibung dieſer Geſtalt und ihrer Fackel, giebt die Umkreiſung weder ein helles noch angemeſſenes Bild — [33]Dieſes Lodern nach allen WeltEcken iſt ohne dieſen Zuſaz beſchrieben.
8. Je gröſſer die Erwartung des Leſers iſt, deſto leichter kühlet ſie ſich ſchon durch Warten ab. Alſo mus die Erſcheinung dicht aus der30 Wolke treten. Das was ſie hier ſagt, klingt in der nachzitternden Seele wieder und zumal das wagrecht Unterſtrichene iſt erhaben.
9. „Dünkt“ weg — „oder“ weg.
10. Sage nur mit einem Zuge, daß es auf der ſchwebenden Erde war.
10. Da ich oft in dieſem Falle war: kan ich dich errathen: hier warſt35 du zu ſehr im Enthuſiaſmus. Dieſer hat ſo ſehr ſeine Gränzen daß ich im höchſten nur mache, was ich den andern Tag wieder vertilge. Selten
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0049"n="40"/>
Enthuſiaſmus mir die <hirendition="#aq">peine forte et dure</hi> anthut und mich zu reden<lb/>
zwingt....</p><lb/><p>Der Plan deiner Seelen-Silhouette, die anfangs wie die Wolken-<lb/>
verſchattungen zweifelhaft um die Gegend zu rinnen ſcheint und die eben<lb/>
durch dieſe Zweifelhaftigkeit die Seele des Verf. und Leſers für ſein<lbn="5"/>
Gemälde <hirendition="#g">grundieret,</hi> hat einen Plan und iſt bis auf alle kleine Linien<lb/>
(meines Bedünkens) abgemeſſen. — Ueber das Einzelne:</p><lb/><p>Die perpendikularen Striche am Rande bezeichnen wie Obeliſken die<lb/>ſchönſten Stellen deiner Gegend.</p><lb/><p>1. 1. Kleine Beſtimmungen, die nur der Wahrheit, nicht der Be-<lbn="10"/>
lebung dienen, unterdrück’ ich. Du glaubſt nicht, was man in der Poeſie,<lb/>
troz den entgegengeſezten Beiſpielen, durch <hirendition="#g">Vertilgung</hi> der Adver-<lb/>
bien und Interjunkzionen, die ſämtlich keine Farbenkörner ſind, er-<lb/>
beutet — gerade ſo viel wie in der Satire durch die <hirendition="#g">Benüzung</hi> der-<lb/>ſelben.<lbn="15"/></p><p>3. Eigentlich: „vollertönend“— werdend iſt blos abſtrakt — du muſt<lb/>
1 Verbum haben.</p><lb/><p>4. 4. Oben ſtehet eine Menge Subſtantiven, deren Beziehung und<lb/>
Wirkung durch den Aufſchub des Verbums entkräftet wird. Alſo ſchick’<lb/>
es voraus.<lbn="20"/></p><p>5. Sage nie „ſcheint, dünkt, werdend“— Du giebſt hier der <hirendition="#g">dunkeln</hi><lb/>
Wolke zuviel Lichter. Blütenſchleier iſt nicht gewagt für einen Baum,<lb/>
aber wol als Metapher einer Metapher.</p><lb/><p>6. „fahren“ war zu oft da, und iſt nicht edel genug, daher ichs oft<lb/>
von mir brauche.<lbn="25"/></p><p>7. Nach der erhabnen Beſchreibung dieſer Geſtalt und ihrer Fackel,<lb/>
giebt die Umkreiſung weder ein helles noch angemeſſenes Bild —<lb/><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd2_33">[33]</ref></note>Dieſes Lodern nach allen WeltEcken iſt ohne dieſen Zuſaz beſchrieben.</p><lb/><p>8. Je gröſſer die Erwartung des Leſers iſt, deſto leichter kühlet ſie<lb/>ſich ſchon durch <hirendition="#g">Warten</hi> ab. Alſo mus die Erſcheinung dicht aus der<lbn="30"/>
Wolke treten. Das was ſie hier ſagt, klingt in der nachzitternden Seele<lb/>
wieder und zumal das wagrecht Unterſtrichene iſt erhaben.</p><lb/><p>9. „Dünkt“ weg —„oder“ weg.</p><lb/><p>10. Sage nur mit einem Zuge, daß es auf der ſchwebenden Erde war.</p><lb/><p>10. Da ich oft in dieſem Falle war: kan ich dich errathen: <hirendition="#g">hier</hi> warſt<lbn="35"/>
du <hirendition="#g">zu</hi>ſehr im Enthuſiaſmus. Dieſer hat ſo ſehr ſeine Gränzen daß ich<lb/>
im höchſten nur mache, was ich den andern Tag wieder vertilge. Selten<lb/></p></div></body></text></TEI>
[40/0049]
Enthuſiaſmus mir die peine forte et dure anthut und mich zu reden
zwingt....
Der Plan deiner Seelen-Silhouette, die anfangs wie die Wolken-
verſchattungen zweifelhaft um die Gegend zu rinnen ſcheint und die eben
durch dieſe Zweifelhaftigkeit die Seele des Verf. und Leſers für ſein 5
Gemälde grundieret, hat einen Plan und iſt bis auf alle kleine Linien
(meines Bedünkens) abgemeſſen. — Ueber das Einzelne:
Die perpendikularen Striche am Rande bezeichnen wie Obeliſken die
ſchönſten Stellen deiner Gegend.
1. 1. Kleine Beſtimmungen, die nur der Wahrheit, nicht der Be- 10
lebung dienen, unterdrück’ ich. Du glaubſt nicht, was man in der Poeſie,
troz den entgegengeſezten Beiſpielen, durch Vertilgung der Adver-
bien und Interjunkzionen, die ſämtlich keine Farbenkörner ſind, er-
beutet — gerade ſo viel wie in der Satire durch die Benüzung der-
ſelben. 15
3. Eigentlich: „vollertönend“ — werdend iſt blos abſtrakt — du muſt
1 Verbum haben.
4. 4. Oben ſtehet eine Menge Subſtantiven, deren Beziehung und
Wirkung durch den Aufſchub des Verbums entkräftet wird. Alſo ſchick’
es voraus. 20
5. Sage nie „ſcheint, dünkt, werdend“ — Du giebſt hier der dunkeln
Wolke zuviel Lichter. Blütenſchleier iſt nicht gewagt für einen Baum,
aber wol als Metapher einer Metapher.
6. „fahren“ war zu oft da, und iſt nicht edel genug, daher ichs oft
von mir brauche. 25
7. Nach der erhabnen Beſchreibung dieſer Geſtalt und ihrer Fackel,
giebt die Umkreiſung weder ein helles noch angemeſſenes Bild —
Dieſes Lodern nach allen WeltEcken iſt ohne dieſen Zuſaz beſchrieben.
[33]
8. Je gröſſer die Erwartung des Leſers iſt, deſto leichter kühlet ſie
ſich ſchon durch Warten ab. Alſo mus die Erſcheinung dicht aus der 30
Wolke treten. Das was ſie hier ſagt, klingt in der nachzitternden Seele
wieder und zumal das wagrecht Unterſtrichene iſt erhaben.
9. „Dünkt“ weg — „oder“ weg.
10. Sage nur mit einem Zuge, daß es auf der ſchwebenden Erde war.
10. Da ich oft in dieſem Falle war: kan ich dich errathen: hier warſt 35
du zu ſehr im Enthuſiaſmus. Dieſer hat ſo ſehr ſeine Gränzen daß ich
im höchſten nur mache, was ich den andern Tag wieder vertilge. Selten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/49>, abgerufen am 30.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.