Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.679. An Christian Otto in Bayreuth. Hof. d. 13 Aug. 97 [Sonntag].Eben komm' ich von meiner erhobenen und erhebenden Emilie [364]Die Fülle macht mich wenigstens schriftlich stum: 1000 Dinge hab Deine Freuden sind nothwendig und natürlich; aber nicht deine15 Über deinen ersten Brief wolt ich dir viel schreiben, über alle meine *) Kurz, in dem November, dem brittischen Ersäufungsmonat, ist mein Abreise-35
monat nach Leipzig. 679. An Chriſtian Otto in Bayreuth. Hof. d. 13 Aug. 97 [Sonntag].Eben komm’ ich von meiner erhobenen und erhebenden Emilie [364]Die Fülle macht mich wenigſtens ſchriftlich ſtum: 1000 Dinge hab Deine Freuden ſind nothwendig und natürlich; aber nicht deine15 Über deinen erſten Brief wolt ich dir viel ſchreiben, über alle meine *) Kurz, in dem November, dem brittiſchen Erſäufungsmonat, iſt mein Abreiſe-35
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679. An Chriſtian Otto in Bayreuth.
Hof. d. 13 Aug. 97 [Sonntag].
Eben komm’ ich von meiner erhobenen und erhebenden Emilie
(v. Berlepſch) zurük und öfne leider deinen Brief ſpäter als den von
Wernlein, der ausſieht als wär’ er vor 5 Jahren <Wochen> in Hofek 5
oder Hirſchberg geſchrieben oder drunten und der mir nebſt einigen
andern Zügen Hof um 2 Monate zu bald *) verleidete.
Die Fülle macht mich wenigſtens ſchriftlich ſtum: 1000 Dinge hab
ich dir zu ſagen, wie du mir. Aber meine Univerſalhiſtorie in Franzen-
bad und meine darein gewebten Entzückungen brauchen dein Ohr, 10
nicht dein Auge: ach endlich fand ich die erſte weibliche Seele, die ich
ohne Ecken und Widerſprüche genos und die mich und die ich beſſerte
— es iſt dieſe Emilie v. Berlepſch. Sie iſt zu edel und volendet, um
mit Dinte gelobt zu werden.
[364]
Deine Freuden ſind nothwendig und natürlich; aber nicht deine 15
Klagen. In deinem Briefe misfiel mir deine Empfindung gegen die
Kropf; nicht als Urtheil ſondern als Wirkung: die Eitelkeit zieht
durch 2 oder 4 Poren in deinen Buſen ein; — und ſobald ich ſie aus
meinem vertrieben habe, wil ich deine rügen. Den Anlas dieſes Tadels
haſt du weniger jezt gegeben als verdoppelt: dir kan ich nichts ver- 20
geben, beinahe eher mir.
Über deinen erſten Brief wolt ich dir viel ſchreiben, über alle meine
Schmerzen — über alle Stacheln, womit das Geſchik mein Herz durch-
ſtochen hat — über die dramatiſche Pein, die ich vorausgeſehen —
über meine Klage ohne Troſt, daß meine Mutter nichts, nichts, nichts 25
auf der Erde gehabt und daß ich ihr ſo wenig gegeben und über mein
Erſtarren über das Buch worin ſie aufſchrieb, wie viel ſie ſonſt von
Monat zu Monat geſponnen. — Wenn ich alle Bücher der Erde weg-
werfe, ſo leſ’ ich doch gute Mutter deines fort, worin alle Qualen deiner
Nächte ſtehen und worin ich dich in der Mitternacht mit der keuchenden 30
ſtechenden Bruſt den Faden deines kargen Lebens ziehen ſehe. Ich habe
ſie 1 Vierteljahr vor ihrem Tode betrauert — aber doch jezt thut es
meiner Seele zu weh, daß ſie hier nichts hatte als ein ſieches Herz vol
Thränen. Ach! du warſt glüklicher! — Ich wil dir meine Stunden
*) Kurz, in dem November, dem brittiſchen Erſäufungsmonat, iſt mein Abreiſe- 35
monat nach Leipzig.
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(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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