Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

Bild:
<< vorherige Seite

schlüsse ist: zu zögern. Denn der Zufal gab mir immer bei wichtigen
Dingen das Räderwerk und ich brauchte es nur aufzudrehen. Ich habe
nun die Kometen-Linien des Verhängnisses so oft und lange berechnet,
daß ich aus Einer die künftige errathe: ich wuste den Tod meiner
Mutter, meine Entfernung von Hof, ich weis meine höchsten Schmerzen5
und Freuden voraus. Und jedes Auge kan es, unter dem ein Herz ist.

Ich bin eilig, verwirt, müde und mehr, mein Oertel, suche für mich
oder las es den guten Beigang thun, der gewis ein Logis eben so gern
für mich erwählt als präpariert.

Ich kan dir in der Eile nichts auf dich antworten. Bald bedürfen wir10
keine Dinte mehr als Amalgama. Liebe meine Freundin, d. h. höre[363]
und errathe sie! Sie ist die erste genialische Frau, bei der mein Herz
keine moralische Schmerzen lit.

Schlafe, träume, lebe froh, du gute Sophie, die ich bald finde.

Richter15
677. An Buchhändler Beygang in Leipzig.
[Kopie]

In Ihrem Wunsche wohnt eine so gutherzig [?] gebende und liebende
Seele, daß ich ihn beinahe erfüllen würde, wenn ich ihn haben [?]
könte. -- das Gastzimmer, das Sie mir philanthropisch öfnen --20
Möge Ihnen immer das Schiksal Menschen zuführen, die Ihnen
gleichen!

678. An Emanuel.

Billetgen.25

Lieber Emanuel! Otto wird Ihnen viele Briefe an mich stat eines
einzigen von mir übergeben. Sie scheinen immer mehr für Ihre Ge-
danken, wie Lykurg und die Zelten für die Geseze, den Grundsaz
anzunehmen, daß sie nur mündlich, nicht schriftlich vorgetragen werden
dürfen. Sie geben leichter einen Ring als einen Brief. Jezt haben Sie30
Ihre Entschuldigung in der Freude -- und ich wünsche, daß Sie immer
diese Entschuldigung haben. Leben Sie wohl!

Richter

Leere Seiten wie die benachbarte schneid' ich immer von den Briefen
ab, die ich bekomme, aber nicht von denen, die ich schreibe.35

ſchlüſſe iſt: zu zögern. Denn der Zufal gab mir immer bei wichtigen
Dingen das Räderwerk und ich brauchte es nur aufzudrehen. Ich habe
nun die Kometen-Linien des Verhängniſſes ſo oft und lange berechnet,
daß ich aus Einer die künftige errathe: ich wuſte den Tod meiner
Mutter, meine Entfernung von Hof, ich weis meine höchſten Schmerzen5
und Freuden voraus. Und jedes Auge kan es, unter dem ein Herz iſt.

Ich bin eilig, verwirt, müde und mehr, mein Oertel, ſuche für mich
oder las es den guten Beigang thun, der gewis ein Logis eben ſo gern
für mich erwählt als präpariert.

Ich kan dir in der Eile nichts auf dich antworten. Bald bedürfen wir10
keine Dinte mehr als Amalgama. Liebe meine Freundin, d. h. höre[363]
und errathe ſie! Sie iſt die erſte genialiſche Frau, bei der mein Herz
keine moraliſche Schmerzen lit.

Schlafe, träume, lebe froh, du gute Sophie, die ich bald finde.

Richter15
677. An Buchhändler Beygang in Leipzig.
[Kopie]

In Ihrem Wunſche wohnt eine ſo gutherzig [?] gebende und liebende
Seele, daß ich ihn beinahe erfüllen würde, wenn ich ihn haben [?]
könte. — das Gaſtzimmer, das Sie mir philanthropiſch öfnen —20
Möge Ihnen immer das Schikſal Menſchen zuführen, die Ihnen
gleichen!

678. An Emanuel.

Billetgen.25

Lieber Emanuel! Otto wird Ihnen viele Briefe an mich ſtat eines
einzigen von mir übergeben. Sie ſcheinen immer mehr für Ihre Ge-
danken, wie Lykurg und die Zelten für die Geſeze, den Grundſaz
anzunehmen, daß ſie nur mündlich, nicht ſchriftlich vorgetragen werden
dürfen. Sie geben leichter einen Ring als einen Brief. Jezt haben Sie30
Ihre Entſchuldigung in der Freude — und ich wünſche, daß Sie immer
dieſe Entſchuldigung haben. Leben Sie wohl!

Richter

Leere Seiten wie die benachbarte ſchneid’ ich immer von den Briefen
ab, die ich bekomme, aber nicht von denen, die ich ſchreibe.35

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0382" n="361"/>
&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e i&#x017F;t: <hi rendition="#g">zu zögern.</hi> Denn der Zufal gab mir immer bei wichtigen<lb/>
Dingen das Räderwerk und ich brauchte es nur aufzudrehen. Ich habe<lb/>
nun die Kometen-Linien des Verhängni&#x017F;&#x017F;es &#x017F;o oft und lange berechnet,<lb/>
daß ich aus Einer die künftige errathe: ich wu&#x017F;te den Tod meiner<lb/>
Mutter, meine Entfernung von Hof, ich weis meine höch&#x017F;ten Schmerzen<lb n="5"/>
und Freuden voraus. Und jedes <hi rendition="#g">Auge</hi> kan es, unter dem ein <hi rendition="#g">Herz</hi> i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Ich bin eilig, verwirt, müde und mehr, mein Oertel, &#x017F;uche für mich<lb/>
oder las es den guten <hi rendition="#aq">Beigang</hi> thun, der gewis ein Logis eben &#x017F;o gern<lb/>
für mich erwählt als präpariert.</p><lb/>
        <p>Ich kan dir in der Eile nichts auf dich antworten. Bald bedürfen wir<lb n="10"/>
keine Dinte mehr als Amalgama. Liebe meine Freundin, d. h. höre<note place="right"><ref target="1922_Bd2_363">[363]</ref></note><lb/>
und errathe &#x017F;ie! Sie i&#x017F;t die er&#x017F;te geniali&#x017F;che Frau, bei der mein Herz<lb/>
keine morali&#x017F;che Schmerzen lit.</p><lb/>
        <p>Schlafe, träume, lebe froh, du gute Sophie, die ich bald finde.</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> <lb n="15"/>
          </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>677. An <hi rendition="#g">Buchhändler Beygang in Leipzig.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 13. Aug. 1797]</hi> </dateline><lb/>
        <p>In Ihrem Wun&#x017F;che wohnt eine &#x017F;o gutherzig [?] gebende und liebende<lb/>
Seele, daß ich ihn beinahe erfüllen würde, wenn ich ihn haben [?]<lb/>
könte. &#x2014; das Ga&#x017F;tzimmer, das Sie mir philanthropi&#x017F;ch öfnen &#x2014;<lb n="20"/>
Möge Ihnen immer das Schik&#x017F;al Men&#x017F;chen zuführen, die Ihnen<lb/>
gleichen!</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>678. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Hof.</hi> d. 13 Aug. 97.</hi> </dateline><lb/>
        <opener>
          <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#g">Billetgen.</hi> <lb n="25"/>
            </hi> </salute>
        </opener>
        <p>Lieber Emanuel! Otto wird Ihnen viele Briefe an mich &#x017F;tat eines<lb/>
einzigen von mir übergeben. Sie &#x017F;cheinen immer mehr für Ihre Ge-<lb/>
danken, wie Lykurg und die Zelten für die Ge&#x017F;eze, den Grund&#x017F;az<lb/>
anzunehmen, daß &#x017F;ie nur mündlich, nicht &#x017F;chriftlich vorgetragen werden<lb/>
dürfen. Sie geben leichter einen Ring als einen Brief. Jezt haben Sie<lb n="30"/>
Ihre Ent&#x017F;chuldigung in der Freude &#x2014; und ich wün&#x017F;che, daß Sie immer<lb/>
die&#x017F;e Ent&#x017F;chuldigung haben. Leben Sie wohl!</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> </salute>
        </closer><lb/>
        <postscript>
          <p>Leere Seiten wie die benachbarte &#x017F;chneid&#x2019; ich immer von den Briefen<lb/>
ab, die ich bekomme, aber nicht von denen, die ich &#x017F;chreibe.<lb n="35"/>
</p>
        </postscript>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0382] ſchlüſſe iſt: zu zögern. Denn der Zufal gab mir immer bei wichtigen Dingen das Räderwerk und ich brauchte es nur aufzudrehen. Ich habe nun die Kometen-Linien des Verhängniſſes ſo oft und lange berechnet, daß ich aus Einer die künftige errathe: ich wuſte den Tod meiner Mutter, meine Entfernung von Hof, ich weis meine höchſten Schmerzen 5 und Freuden voraus. Und jedes Auge kan es, unter dem ein Herz iſt. Ich bin eilig, verwirt, müde und mehr, mein Oertel, ſuche für mich oder las es den guten Beigang thun, der gewis ein Logis eben ſo gern für mich erwählt als präpariert. Ich kan dir in der Eile nichts auf dich antworten. Bald bedürfen wir 10 keine Dinte mehr als Amalgama. Liebe meine Freundin, d. h. höre und errathe ſie! Sie iſt die erſte genialiſche Frau, bei der mein Herz keine moraliſche Schmerzen lit. [363] Schlafe, träume, lebe froh, du gute Sophie, die ich bald finde. Richter 15 677. An Buchhändler Beygang in Leipzig. [Hof, 13. Aug. 1797] In Ihrem Wunſche wohnt eine ſo gutherzig [?] gebende und liebende Seele, daß ich ihn beinahe erfüllen würde, wenn ich ihn haben [?] könte. — das Gaſtzimmer, das Sie mir philanthropiſch öfnen — 20 Möge Ihnen immer das Schikſal Menſchen zuführen, die Ihnen gleichen! 678. An Emanuel. Hof. d. 13 Aug. 97. Billetgen. 25 Lieber Emanuel! Otto wird Ihnen viele Briefe an mich ſtat eines einzigen von mir übergeben. Sie ſcheinen immer mehr für Ihre Ge- danken, wie Lykurg und die Zelten für die Geſeze, den Grundſaz anzunehmen, daß ſie nur mündlich, nicht ſchriftlich vorgetragen werden dürfen. Sie geben leichter einen Ring als einen Brief. Jezt haben Sie 30 Ihre Entſchuldigung in der Freude — und ich wünſche, daß Sie immer dieſe Entſchuldigung haben. Leben Sie wohl! Richter Leere Seiten wie die benachbarte ſchneid’ ich immer von den Briefen ab, die ich bekomme, aber nicht von denen, die ich ſchreibe. 35

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/382
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/382>, abgerufen am 25.11.2024.