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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.

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627. An Karoline Herold.[338]
[Kopie]

Ein Geburtstag sol eigentlich der Todestag des innern Unkrauts
[sein], das sich zwischen unsre Blüten und unsre Früchte mengt -- Das
Schiksal kan nur die Gewänder umändern, in denen wir uns sehen und5
umfassen, aber das Herz unter dem Gewand ändert sich nie. -- Ich
fodere nur die ewige Reinigung und Erhöhung der Liebe d. i. die
reifende Tugend. -- Die Aussicht, die Sie nicht durchbrechen oder
durchschauen können. -- Dieses mit dickem Dornengesträuch durch-
wachsene Leben durchschauen wir nur mit troknen Augen. Was10
glauben Sie daß der unendlichen Brust, an die sich das Universum
lehnt, gefält zu sagen: "ich war froh auf deiner Welt und habe andere
erfreuet" oder zu sagen: "ich habe mich ins Grab gequält und wer mich
liebte, den durchdrang mein Schmerz". An meinem Herzen sollen deine
Thränen abfallen. Schone mein Herz, denn es ist zu warm und zu15
wund -- und erduldet nichts als Freude und Sehnsucht -- schone es
und liebe es.

628. An Präsident von Schuckmann in Bayreuth.

Sogar die kurze kanonische Sieste, die die Feiertage geben, wird20
Ihnen gestört. Ich wil meine Sache mit 3 Worten sagen, und ich
wünsche, daß mein Bruder, der sie überbringt, nicht viele dazu sezt.
Dieser Steuereinnehmer von Sparnek bekam jezt einen neuen Ante-
zessor: der Schulmeister Frisch in Sparnek erhielt das Zol-, Malz- und
Umgeldswesen und die Zoltafel und wurde dazu in Mönchberg ver-25
pflichtet. Meine und seine Bitte ist die um eine Auflösung dieser
Charade: wahrscheinlich wurde auf irgend einer Seite Bernek und
Sparnek verwechselt. Dächt' er und seine Frau wie ich: so bliebe die
Auflösung dieses kleinen Räthsels dem Schlüssel der Zeit überlassen. Da
aber dieses nicht ist: so bitt' ich Sie herzlich um Nachsicht für die30
bange Wisbegierde, zu welcher die jezigen bürgerlichen Verhältnisse zu
oft die Seele einklemmen. Zu den seinigen gehöret noch die tägliche
Anfoderung, daß er seinen Pacht und sein Haus verlasse.

Es thut mir wehe, daß die Dankbarkeit für Ihre Güte beinahe[339]
nichts zu bringen hat als -- neue Bitten. Aber Ihre Denkungsart35
vergiebt gewis, wie alle höhere Menschen thun, andern mehr als sich.

22 Jean Paul Briefe. II.
627. An Karoline Herold.[338]
[Kopie]

Ein Geburtstag ſol eigentlich der Todestag des innern Unkrauts
[ſein], das ſich zwiſchen unſre Blüten und unſre Früchte mengt — Das
Schikſal kan nur die Gewänder umändern, in denen wir uns ſehen und5
umfaſſen, aber das Herz unter dem Gewand ändert ſich nie. — Ich
fodere nur die ewige Reinigung und Erhöhung der Liebe d. i. die
reifende Tugend. — Die Ausſicht, die Sie nicht durchbrechen oder
durchſchauen können. — Dieſes mit dickem Dornengeſträuch durch-
wachſene Leben durchſchauen wir nur mit troknen Augen. Was10
glauben Sie daß der unendlichen Bruſt, an die ſich das Univerſum
lehnt, gefält zu ſagen: „ich war froh auf deiner Welt und habe andere
erfreuet“ oder zu ſagen: „ich habe mich ins Grab gequält und wer mich
liebte, den durchdrang mein Schmerz“. An meinem Herzen ſollen deine
Thränen abfallen. Schone mein Herz, denn es iſt zu warm und zu15
wund — und erduldet nichts als Freude und Sehnſucht — ſchone es
und liebe es.

628. An Präſident von Schuckmann in Bayreuth.

Sogar die kurze kanoniſche Sieſte, die die Feiertage geben, wird20
Ihnen geſtört. Ich wil meine Sache mit 3 Worten ſagen, und ich
wünſche, daß mein Bruder, der ſie überbringt, nicht viele dazu ſezt.
Dieſer Steuereinnehmer von Sparnek bekam jezt einen neuen Ante-
zeſſor: der Schulmeiſter Friſch in Sparnek erhielt das Zol-, Malz- und
Umgeldsweſen und die Zoltafel und wurde dazu in Mönchberg ver-25
pflichtet. Meine und ſeine Bitte iſt die um eine Auflöſung dieſer
Charade: wahrſcheinlich wurde auf irgend einer Seite Bernek und
Sparnek verwechſelt. Dächt’ er und ſeine Frau wie ich: ſo bliebe die
Auflöſung dieſes kleinen Räthſels dem Schlüſſel der Zeit überlaſſen. Da
aber dieſes nicht iſt: ſo bitt’ ich Sie herzlich um Nachſicht für die30
bange Wisbegierde, zu welcher die jezigen bürgerlichen Verhältniſſe zu
oft die Seele einklemmen. Zu den ſeinigen gehöret noch die tägliche
Anfoderung, daß er ſeinen Pacht und ſein Haus verlaſſe.

Es thut mir wehe, daß die Dankbarkeit für Ihre Güte beinahe[339]
nichts zu bringen hat als — neue Bitten. Aber Ihre Denkungsart35
vergiebt gewis, wie alle höhere Menſchen thun, andern mehr als ſich.

22 Jean Paul Briefe. II.
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[337/0353] 627. An Karoline Herold. [Hof, Anfang Juni 1797?] Ein Geburtstag ſol eigentlich der Todestag des innern Unkrauts [ſein], das ſich zwiſchen unſre Blüten und unſre Früchte mengt — Das Schikſal kan nur die Gewänder umändern, in denen wir uns ſehen und 5 umfaſſen, aber das Herz unter dem Gewand ändert ſich nie. — Ich fodere nur die ewige Reinigung und Erhöhung der Liebe d. i. die reifende Tugend. — Die Ausſicht, die Sie nicht durchbrechen oder durchſchauen können. — Dieſes mit dickem Dornengeſträuch durch- wachſene Leben durchſchauen wir nur mit troknen Augen. Was 10 glauben Sie daß der unendlichen Bruſt, an die ſich das Univerſum lehnt, gefält zu ſagen: „ich war froh auf deiner Welt und habe andere erfreuet“ oder zu ſagen: „ich habe mich ins Grab gequält und wer mich liebte, den durchdrang mein Schmerz“. An meinem Herzen ſollen deine Thränen abfallen. Schone mein Herz, denn es iſt zu warm und zu 15 wund — und erduldet nichts als Freude und Sehnſucht — ſchone es und liebe es. 628. An Präſident von Schuckmann in Bayreuth. Hof d. 3 Jun. 97 [Sonnabend]. Sogar die kurze kanoniſche Sieſte, die die Feiertage geben, wird 20 Ihnen geſtört. Ich wil meine Sache mit 3 Worten ſagen, und ich wünſche, daß mein Bruder, der ſie überbringt, nicht viele dazu ſezt. Dieſer Steuereinnehmer von Sparnek bekam jezt einen neuen Ante- zeſſor: der Schulmeiſter Friſch in Sparnek erhielt das Zol-, Malz- und Umgeldsweſen und die Zoltafel und wurde dazu in Mönchberg ver- 25 pflichtet. Meine und ſeine Bitte iſt die um eine Auflöſung dieſer Charade: wahrſcheinlich wurde auf irgend einer Seite Bernek und Sparnek verwechſelt. Dächt’ er und ſeine Frau wie ich: ſo bliebe die Auflöſung dieſes kleinen Räthſels dem Schlüſſel der Zeit überlaſſen. Da aber dieſes nicht iſt: ſo bitt’ ich Sie herzlich um Nachſicht für die 30 bange Wisbegierde, zu welcher die jezigen bürgerlichen Verhältniſſe zu oft die Seele einklemmen. Zu den ſeinigen gehöret noch die tägliche Anfoderung, daß er ſeinen Pacht und ſein Haus verlaſſe. Es thut mir wehe, daß die Dankbarkeit für Ihre Güte beinahe nichts zu bringen hat als — neue Bitten. Aber Ihre Denkungsart 35 vergiebt gewis, wie alle höhere Menſchen thun, andern mehr als ſich. [339] 22 Jean Paul Briefe. II.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:02:06Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:02:06Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/353>, abgerufen am 25.11.2024.