Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958.481. An Christian Otto. [Hof, 14. Dez. 1796]Hier hast du einen anonymen Brief, den ich für alle kaum gebe, die 482. An Friedrich von Oertel in Leipzig. [Kopie][Hof, 17. Dez. 1796]Seine Seele ist ein mit Fackeln erleuchtetes Koliseum: sie hat mein10 483. An Johann Friedrich von Meyer in Wetzlar.15 [Kopie][Hof, 17. Dez. 1796]Ihr Körper und Ihre Sprache kan nur ein Schleier aber keine Larve 481. An Chriſtian Otto. [Hof, 14. Dez. 1796]Hier haſt du einen anonymen Brief, den ich für alle kaum gebe, die 482. An Friedrich von Oertel in Leipzig. [Kopie][Hof, 17. Dez. 1796]Seine Seele iſt ein mit Fackeln erleuchtetes Koliſeum: ſie hat mein10 483. An Johann Friedrich von Meyer in Wetzlar.15 [Kopie][Hof, 17. Dez. 1796]Ihr Körper und Ihre Sprache kan nur ein Schleier aber keine Larve <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0295" n="280"/> <div type="letter" n="1"> <head>481. An <hi rendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 14. Dez. 1796]</hi> </dateline><lb/> <p>Hier haſt du einen anonymen Brief, den ich für alle kaum gebe, die<lb/> ich vom Briefträger noch bekam und der für [mich] etwas unüber-<lb/> windlich-Rührendes hat. — Amöne ſagte mir geſtern, du giengſt<lb n="5"/> heute hinunter (— heute kriegt er ſein Weihnachts- oder vielmehr<lb/> Adventsgeſchenk —) — iſts, ſo ſchreibe mirs, ich wil dabei ſein.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>482. An <hi rendition="#g">Friedrich von Oertel in Leipzig.</hi></head><lb/> <note type="editorial">[Kopie]</note> <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 17. Dez. 1796]</hi> </dateline><lb/> <p>Seine Seele iſt ein mit Fackeln erleuchtetes Koliſeum: ſie hat mein<lb n="10"/> Inneres wie mit einem befruchtenden Erdbeben aufgeregt. Das<lb/> Weihnachtsfeſt ziehe mit der Aurora einen goldnen Wiederſchein,<lb/> worin ſich die glänzenden Flitter nach der Kindheit nachbilden, vor<lb/> deinen Augen vorüber und erquicke dich mit dem Tauſch der Freude.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>483. An <hi rendition="#g">Johann Friedrich von Meyer in Wetzlar.</hi><lb n="15"/> </head> <note type="editorial">[Kopie]</note> <dateline> <hi rendition="#right">[Hof, 17. Dez. 1796]</hi> </dateline><lb/> <p>Ihr Körper und Ihre Sprache kan nur ein Schleier aber keine Larve<lb/> Ihres Herzens ſein. Ihr Brief war ein Morgen, eine Jugend, ein<lb/> Frühling, eine geſtirnte Sommernacht für mich. — Es iſt ein ge-<lb/> wöhnlicher Hang und Wahn des Jünglings und Menſchen, ſich und<lb n="20"/> <note place="left"><ref target="1922_Bd2_281">[281]</ref></note>ſeinen Lebenslauf — ſeine Wünſche — ſeine Hölle und ſeinen Himmel<lb/> für einzig, für Naturſpiel und Idiotiſmus des Schikſals zu halten. Es<lb/> iſt aber nicht wahr: wir ſind alle ähnlicher und verwandter als wir<lb/> meinen. Ich finde mich überal unter den Menſchen wieder, nur mit<lb/> andern Biegungen der Form: ich finde überal opfernde, ſo lang ich<lb n="25"/> Kinder und Eltern und Gatten ſehe. Den Menſchen fehlen ſelten<lb/> Herzen, nur Augen: im Tempel ihrer Bruſt ſteht der lodernde Altar,<lb/> aber der Gott fehlt ihm. Ach wie werden wir alle einmal erſtaunen,<lb/> daß [?] wir uns nicht genug geliebt und geachtet haben. — Keine<lb/> Gegenwart — ſelber für den Atheiſten — iſt erträglich ohne eine<lb n="30"/> Zukunft (nur daß er ſie dieſſeits der Bahre ſucht). Aber dieſe [Un-<lb/> genügſamkeit?] gilt nicht der Erde ſondern der Endlichkeit und ſelbſt im<lb/> 2<hi rendition="#sup">ten</hi> Leben werden wir nach aller Möglichkeit unſrer Natur nicht anders<lb/> ſeelig werden als durch die Perſpektive einer 3<hi rendition="#sup">ten</hi>. Meine Blätter ſind<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [280/0295]
481. An Chriſtian Otto.
[Hof, 14. Dez. 1796]
Hier haſt du einen anonymen Brief, den ich für alle kaum gebe, die
ich vom Briefträger noch bekam und der für [mich] etwas unüber-
windlich-Rührendes hat. — Amöne ſagte mir geſtern, du giengſt 5
heute hinunter (— heute kriegt er ſein Weihnachts- oder vielmehr
Adventsgeſchenk —) — iſts, ſo ſchreibe mirs, ich wil dabei ſein.
482. An Friedrich von Oertel in Leipzig.
[Hof, 17. Dez. 1796]
Seine Seele iſt ein mit Fackeln erleuchtetes Koliſeum: ſie hat mein 10
Inneres wie mit einem befruchtenden Erdbeben aufgeregt. Das
Weihnachtsfeſt ziehe mit der Aurora einen goldnen Wiederſchein,
worin ſich die glänzenden Flitter nach der Kindheit nachbilden, vor
deinen Augen vorüber und erquicke dich mit dem Tauſch der Freude.
483. An Johann Friedrich von Meyer in Wetzlar. 15
[Hof, 17. Dez. 1796]
Ihr Körper und Ihre Sprache kan nur ein Schleier aber keine Larve
Ihres Herzens ſein. Ihr Brief war ein Morgen, eine Jugend, ein
Frühling, eine geſtirnte Sommernacht für mich. — Es iſt ein ge-
wöhnlicher Hang und Wahn des Jünglings und Menſchen, ſich und 20
ſeinen Lebenslauf — ſeine Wünſche — ſeine Hölle und ſeinen Himmel
für einzig, für Naturſpiel und Idiotiſmus des Schikſals zu halten. Es
iſt aber nicht wahr: wir ſind alle ähnlicher und verwandter als wir
meinen. Ich finde mich überal unter den Menſchen wieder, nur mit
andern Biegungen der Form: ich finde überal opfernde, ſo lang ich 25
Kinder und Eltern und Gatten ſehe. Den Menſchen fehlen ſelten
Herzen, nur Augen: im Tempel ihrer Bruſt ſteht der lodernde Altar,
aber der Gott fehlt ihm. Ach wie werden wir alle einmal erſtaunen,
daß [?] wir uns nicht genug geliebt und geachtet haben. — Keine
Gegenwart — ſelber für den Atheiſten — iſt erträglich ohne eine 30
Zukunft (nur daß er ſie dieſſeits der Bahre ſucht). Aber dieſe [Un-
genügſamkeit?] gilt nicht der Erde ſondern der Endlichkeit und ſelbſt im
2ten Leben werden wir nach aller Möglichkeit unſrer Natur nicht anders
ſeelig werden als durch die Perſpektive einer 3ten. Meine Blätter ſind
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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