Wäre nicht die Ausgabe meiner Zeit eine wahre Geldausgabe: so zög' ich sobald nicht von hier, weil ich dem Feldman fast nicht viel mehr zu zahlen habe als Hauszins, kein Kostgeld.
Drei oder vier neue philosophische Schreibbögen mögen meiner Zählung nach gleich vorn im 1 Bande zu Woldemars neuer Auflage5 gekommen sein und, wenn ich mich recht entsinne, einige alte weg.
Es ärgert mich nicht, daß mich der Teufel gerade ins Aequinok- ziumswetter geführt, das ich erwartet hatte (aber früher): ich habe in Hof, wo einen keine Fluth von Zimmer in Zimmer spühlt, den Nach- sommer besser zur Hand. Lebe wohl Alter! Ich wolte, ich hätte die10 2 Briefe schon fertig. Herzliche Grüsse an deine Schwester und an deinen lieben Justiziari[um].
Richter
N. S. Eben komm ich vom seel[igen] Ess[en]. Ich hätte den Völ- derndorf vor Liebe auch fressen mögen. Der biederste Man im spiz-15 bübischen Bayreuth.
2. N. S. Donnerstags: Sonabends fahr ich denk ich mit der Kropf nach Bernek, bleibe in Münchberg und Sontags siz' ich unter euch. Heute seh ich den Cassino Bal von 150 Menschen.
430. An Amöne Herold.20
Bayreuth d. 12 Okt. 1796.
Liebe Amöne! Ich erhielt in 1 Sekunde Ihren und drei andere Briefe, die alle die Möglichkeit meiner Behauptung prüften, daß in das [256]Menschenherz ein wenig mehr Liebe als Blut hineingehe *). Ich hatte Recht gehabt. Ich übe mich sogar zuweilen, daß ich Freunde und25 Freundinnen -- und jeden Akteur und Aktrice noch dazu im Blüten- stande der Forcerolle -- um mich in einem Zirkel stelle und meine Seele frage: kanst du sie alle neben einander (nach einander ist leicht) lieb- haben? Der Teufel solte die Seele holen, wenn sie nicht könte oder nicht wolte. Aber Übung brauchts -- und dan ist das ganze Herz ge-30 läutert und hat im Freunde nur die Freundschaft lieb, im Menschen die Menschheit.
*) Ich muste nämlich in derselben Sekunde 4 Personen auf einmal mit voller Seele lieben.
Wäre nicht die Ausgabe meiner Zeit eine wahre Geldausgabe: ſo zög’ ich ſobald nicht von hier, weil ich dem Feldman faſt nicht viel mehr zu zahlen habe als Hauszins, kein Koſtgeld.
Drei oder vier neue philoſophiſche Schreibbögen mögen meiner Zählung nach gleich vorn im 1 Bande zu Woldemars neuer Auflage5 gekommen ſein und, wenn ich mich recht entſinne, einige alte weg.
Es ärgert mich nicht, daß mich der Teufel gerade ins Aequinok- ziumswetter geführt, das ich erwartet hatte (aber früher): ich habe in Hof, wo einen keine Fluth von Zimmer in Zimmer ſpühlt, den Nach- ſommer beſſer zur Hand. Lebe wohl Alter! Ich wolte, ich hätte die10 2 Briefe ſchon fertig. Herzliche Grüſſe an deine Schweſter und an deinen lieben Juſtiziari[um].
Richter
N. S. Eben komm ich vom ſeel[igen] Eſſ[en]. Ich hätte den Völ- derndorf vor Liebe auch freſſen mögen. Der biederſte Man im ſpiz-15 bübiſchen Bayreuth.
2. N. S. Donnerſtags: Sonabends fahr ich denk ich mit der Kropf nach Bernek, bleibe in Münchberg und Sontags ſiz’ ich unter euch. Heute ſeh ich den Cassino Bal von 150 Menſchen.
430. An Amöne Herold.20
Bayreuth d. 12 Okt. 1796.
Liebe Amöne! Ich erhielt in 1 Sekunde Ihren und drei andere Briefe, die alle die Möglichkeit meiner Behauptung prüften, daß in das [256]Menſchenherz ein wenig mehr Liebe als Blut hineingehe *). Ich hatte Recht gehabt. Ich übe mich ſogar zuweilen, daß ich Freunde und25 Freundinnen — und jeden Akteur und Aktrice noch dazu im Blüten- ſtande der Forcerolle — um mich in einem Zirkel ſtelle und meine Seele frage: kanſt du ſie alle neben einander (nach einander iſt leicht) lieb- haben? Der Teufel ſolte die Seele holen, wenn ſie nicht könte oder nicht wolte. Aber Übung brauchts — und dan iſt das ganze Herz ge-30 läutert und hat im Freunde nur die Freundſchaft lieb, im Menſchen die Menſchheit.
*) Ich muſte nämlich in derſelben Sekunde 4 Perſonen auf einmal mit voller Seele lieben.
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Wäre nicht die Ausgabe meiner Zeit eine wahre Geldausgabe:
ſo zög’ ich ſobald nicht von hier, weil ich dem Feldman faſt nicht viel
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Drei oder vier neue philoſophiſche Schreibbögen mögen meiner
Zählung nach gleich vorn im 1 Bande zu Woldemars neuer Auflage 5
gekommen ſein und, wenn ich mich recht entſinne, einige alte weg.
Es ärgert mich nicht, daß mich der Teufel gerade ins Aequinok-
ziumswetter geführt, das ich erwartet hatte (aber früher): ich habe in
Hof, wo einen keine Fluth von Zimmer in Zimmer ſpühlt, den Nach-
ſommer beſſer zur Hand. Lebe wohl Alter! Ich wolte, ich hätte die 10
2 Briefe ſchon fertig. Herzliche Grüſſe an deine Schweſter und an
deinen lieben Juſtiziari[um].
Richter
N. S. Eben komm ich vom ſeel[igen] Eſſ[en]. Ich hätte den Völ-
derndorf vor Liebe auch freſſen mögen. Der biederſte Man im ſpiz- 15
bübiſchen Bayreuth.
2. N. S. Donnerſtags: Sonabends fahr ich denk ich mit der Kropf
nach Bernek, bleibe in Münchberg und Sontags ſiz’ ich unter euch.
Heute ſeh ich den Cassino Bal von 150 Menſchen.
430. An Amöne Herold. 20
Bayreuth d. 12 Okt. 1796.
Liebe Amöne! Ich erhielt in 1 Sekunde Ihren und drei andere Briefe,
die alle die Möglichkeit meiner Behauptung prüften, daß in das
Menſchenherz ein wenig mehr Liebe als Blut hineingehe *). Ich hatte
Recht gehabt. Ich übe mich ſogar zuweilen, daß ich Freunde und 25
Freundinnen — und jeden Akteur und Aktrice noch dazu im Blüten-
ſtande der Forcerolle — um mich in einem Zirkel ſtelle und meine Seele
frage: kanſt du ſie alle neben einander (nach einander iſt leicht) lieb-
haben? Der Teufel ſolte die Seele holen, wenn ſie nicht könte oder
nicht wolte. Aber Übung brauchts — und dan iſt das ganze Herz ge- 30
läutert und hat im Freunde nur die Freundſchaft lieb, im Menſchen die
Menſchheit.
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*) Ich muſte nämlich in derſelben Sekunde 4 Perſonen auf einmal mit voller
Seele lieben.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/271>, abgerufen am 07.07.2024.
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