Indessen verschattet mir das Weimarsche Riesengebirg, troz aller neuen Freunde und Freuden hier, doch die besten Weinreben und man- ches wird nicht zeitig. -- Ich wil dir einiges ausheben; aber das ver- sprochene Intelligenzblat vom Kriege vermag ich nicht beizuschliessen, weil ichs schon wieder verloren habe aus dem Kopf. Das weis ich noch,5 daß alles den Krieg bestätigt und den Frieden widerlegt.
Ich war bei Völderndorf [und] esse Mitwochs bei ihm. Ich halt' ihn unter den Staatsdienern für den redlichsten Man im Lande. Ich fand blos Güte, Offenheit, Patriotismus und Feuer bei ihm: er würde mich, wäre der Himmel und der Boden zu brauchen, auf sein Landgut10 mitnehmen. Wir öfneten uns einander weit und vol Wahrheit und Liebe. Sein Äusseres hat troz dem Quartanfieber, nichts von eckigen Klippen und Felsen; es gefiel mir. Wir kamen auch auf dich und deine Brüder zu reden; und ich hoffe nicht daß ich euch mehr als christlich und weiblich ist verläumdet und verschrieen habe. Deinen Albrecht15 lernt' er erst aus seinen gravaminibus gegen die Notarien-Dornenlese kennen. "Die Schrift, sagt er, that ihm wohl und weh zugleich" weh wegen des gekränkten Verdienstes und wohl wegen des existierenden. Er wolte durch ein Postskript sein Vergessen verbessern; aber man antwortete ihm befremdet in Anspach: das Buch sei einmal geschlossen.20 Heute (d. 12ten) seh' ich ihn am Teller.
Ich habe einen meisterhaften Klavieristen Destouches gehört. Ich habe einen sehr schönen und klugen Domhern (Rambold) bei der Kropf fast jeden Tag gesehen. Bei dieser ists alte Himmelsleben: nur daß Rambold ihr pastor fido ist, wodurch Ahlefeld ein pastor infido ge-25 worden. Dieser hat sich von seiner erotischen Auszehrung erholt und sieht ganz gut aus. -- Die Hofräthin Vogt, die meinetwegen das 2temal hieher gefahren war, gehöret wieder unter die ausgezeichnet[255] elektrisierten und elektrisierenden Weiber -- alt ist sie freilich. --
Ich schreibe diesesmal nur einen kurzen Brief weil ich (mit diesem)30 5 Briefe nach Hof zu machen habe, als Antworten auf fünf erhaltene. Die zwei, die ich jezt schreiben werde, an A[möne] und C[aroline] überliefere bald. Hier hast du noch dazu Oertel seinen. -- Zu Koelle mus ich, da er nicht da war, das zweitemal hingehen. Der junge er- zählte, Wieland habe von Erlang nach Hof gehen wollen und der ver-35 fluchte Mangel an Pferden in oder nach Streitberg hab' alles ver- nichtet. Das sind die leidigen Folgen des Kriegs.
Indeſſen verſchattet mir das Weimarſche Rieſengebirg, troz aller neuen Freunde und Freuden hier, doch die beſten Weinreben und man- ches wird nicht zeitig. — Ich wil dir einiges ausheben; aber das ver- ſprochene Intelligenzblat vom Kriege vermag ich nicht beizuſchlieſſen, weil ichs ſchon wieder verloren habe aus dem Kopf. Das weis ich noch,5 daß alles den Krieg beſtätigt und den Frieden widerlegt.
Ich war bei Völderndorf [und] eſſe Mitwochs bei ihm. Ich halt’ ihn unter den Staatsdienern für den redlichſten Man im Lande. Ich fand blos Güte, Offenheit, Patriotiſmus und Feuer bei ihm: er würde mich, wäre der Himmel und der Boden zu brauchen, auf ſein Landgut10 mitnehmen. Wir öfneten uns einander weit und vol Wahrheit und Liebe. Sein Äuſſeres hat troz dem Quartanfieber, nichts von eckigen Klippen und Felſen; es gefiel mir. Wir kamen auch auf dich und deine Brüder zu reden; und ich hoffe nicht daß ich euch mehr als chriſtlich und weiblich iſt verläumdet und verſchrieen habe. Deinen Albrecht15 lernt’ er erſt aus ſeinen gravaminibus gegen die Notarien-Dornenleſe kennen. „Die Schrift, ſagt er, that ihm wohl und weh zugleich“ weh wegen des gekränkten Verdienſtes und wohl wegen des exiſtierenden. Er wolte durch ein Poſtſkript ſein Vergeſſen verbeſſern; aber man antwortete ihm befremdet in Anſpach: das Buch ſei einmal geſchloſſen.20 Heute (d. 12ten) ſeh’ ich ihn am Teller.
Ich habe einen meiſterhaften Klavieriſten Destouches gehört. Ich habe einen ſehr ſchönen und klugen Domhern (Rambold) bei der Kropf faſt jeden Tag geſehen. Bei dieſer iſts alte Himmelsleben: nur daß Rambold ihr pastor fido iſt, wodurch Ahlefeld ein pastor infido ge-25 worden. Dieſer hat ſich von ſeiner erotiſchen Auszehrung erholt und ſieht ganz gut aus. — Die Hofräthin Vogt, die meinetwegen das 2temal hieher gefahren war, gehöret wieder unter die ausgezeichnet[255] elektriſierten und elektriſierenden Weiber — alt iſt ſie freilich. —
Ich ſchreibe dieſesmal nur einen kurzen Brief weil ich (mit dieſem)30 5 Briefe nach Hof zu machen habe, als Antworten auf fünf erhaltene. Die zwei, die ich jezt ſchreiben werde, an A[möne] und C[aroline] überliefere bald. Hier haſt du noch dazu Oertel ſeinen. — Zu Koelle mus ich, da er nicht da war, das zweitemal hingehen. Der junge er- zählte, Wieland habe von Erlang nach Hof gehen wollen und der ver-35 fluchte Mangel an Pferden in oder nach Streitberg hab’ alles ver- nichtet. Das ſind die leidigen Folgen des Kriegs.
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Indeſſen verſchattet mir das Weimarſche Rieſengebirg, troz aller
neuen Freunde und Freuden hier, doch die beſten Weinreben und man-
ches wird nicht zeitig. — Ich wil dir einiges ausheben; aber das ver-
ſprochene Intelligenzblat vom Kriege vermag ich nicht beizuſchlieſſen,
weil ichs ſchon wieder verloren habe aus dem Kopf. Das weis ich noch, 5
daß alles den Krieg beſtätigt und den Frieden widerlegt.
Ich war bei Völderndorf [und] eſſe Mitwochs bei ihm. Ich halt’
ihn unter den Staatsdienern für den redlichſten Man im Lande. Ich
fand blos Güte, Offenheit, Patriotiſmus und Feuer bei ihm: er würde
mich, wäre der Himmel und der Boden zu brauchen, auf ſein Landgut 10
mitnehmen. Wir öfneten uns einander weit und vol Wahrheit und
Liebe. Sein Äuſſeres hat troz dem Quartanfieber, nichts von eckigen
Klippen und Felſen; es gefiel mir. Wir kamen auch auf dich und deine
Brüder zu reden; und ich hoffe nicht daß ich euch mehr als chriſtlich
und weiblich iſt verläumdet und verſchrieen habe. Deinen Albrecht 15
lernt’ er erſt aus ſeinen gravaminibus gegen die Notarien-Dornenleſe
kennen. „Die Schrift, ſagt er, that ihm wohl und weh zugleich“ weh
wegen des gekränkten Verdienſtes und wohl wegen des exiſtierenden.
Er wolte durch ein Poſtſkript ſein Vergeſſen verbeſſern; aber man
antwortete ihm befremdet in Anſpach: das Buch ſei einmal geſchloſſen. 20
Heute (d. 12ten) ſeh’ ich ihn am Teller.
Ich habe einen meiſterhaften Klavieriſten Destouches gehört. Ich
habe einen ſehr ſchönen und klugen Domhern (Rambold) bei der Kropf
faſt jeden Tag geſehen. Bei dieſer iſts alte Himmelsleben: nur daß
Rambold ihr pastor fido iſt, wodurch Ahlefeld ein pastor infido ge- 25
worden. Dieſer hat ſich von ſeiner erotiſchen Auszehrung erholt und
ſieht ganz gut aus. — Die Hofräthin Vogt, die meinetwegen das
2temal hieher gefahren war, gehöret wieder unter die ausgezeichnet
elektriſierten und elektriſierenden Weiber — alt iſt ſie freilich. —
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Ich ſchreibe dieſesmal nur einen kurzen Brief weil ich (mit dieſem) 30
5 Briefe nach Hof zu machen habe, als Antworten auf fünf erhaltene.
Die zwei, die ich jezt ſchreiben werde, an A[möne] und C[aroline]
überliefere bald. Hier haſt du noch dazu Oertel ſeinen. — Zu Koelle
mus ich, da er nicht da war, das zweitemal hingehen. Der junge er-
zählte, Wieland habe von Erlang nach Hof gehen wollen und der ver- 35
fluchte Mangel an Pferden in oder nach Streitberg hab’ alles ver-
nichtet. Das ſind die leidigen Folgen des Kriegs.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/270>, abgerufen am 25.11.2024.
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