der Spangenbergin und in Memoires gefunden: so kans mir nicht verübelt werden, wenn ich aus so vielen Erfahrungen endlich das Axiom extrahiere: Leute von Welt reden gleich sehr bestimt und ungesucht. -- Die oft erörterte Sie kan sogar Latein und Zeichnen und andere Sprachen dazu (sogar die deutsche ohne Dialekt) und5 Klavier und -- Stricken, war wie Archenholz in Italien und England und hat mehr Zurükhaltung und weniger Stolz als manche Bürger- liche. -- Der Nuzen, mit einer Fürstin umzugehen ist der, man fässet doch den Muth, mit ihren Kammerjungfern umzugehen. Ein Elend ists, daß ich nicht das Herz habe, ihr einige der besten ausgearbeiteten10 astronomischen Anspielungen ins Gesicht zu sagen: z. B. vom Durch- gang der Venus durch die Sonne; vom Hesperus, der die Venus ist u. s. w.
Der D. Elrodt, bei dem ich eine Bouteille Wein getrunken und der sogar meinen Fixlein gelesen, dessen Korrektur er übernimt -- denn15 der Buchhändler hatte mit andern Leuten die Bedingungen des Druks früher als mit mir die des Verlages ausgemacht -- jener also besizt 3 Bände vom tridentinischen Konzilium, die das beste Werk hierüber sein sollen. 10 Bücher liegen hier vor dem feinen Briefpapier.20
Mir ist immerfort als wenn das Schiksal von diesem Labewein, wovon ich eine Bouteille um die andre aufsiegle, zulezt einigen nehmen und einen scharfen Weinessig für mich ansezen werde -- mögest du so froh wie ich jezt leben und möge das Schiksal mir nicht in dem deinigen jenen Essig reichen! -- Nur zuweilen abends drükt mich25 der Inkube und Alp der melancholischen Sehnsucht nach Hof und nach allem und nach nichts.
Vor Mitwochs Vormittag retournier' ich nicht. Ich werde Wiz- lebens zudringlicher Begleitung mit den feinsten Maasregeln be- gegnen und ausweichen: der Herweg mit ihm war zwar vol Unter-30 haltung und Lust -- nur daß es einen beim Genusse eines erhabenen Berges fast mehr stöhrt als erhebt, den Andern bemerken zu hören,[90] wie gut von einem solchen Berge die ganze Wiese nicht sowol mit At[a]lantens Füssen zu bestreichen sei als mit Kartätschen --; aber den unaussprechlich schönen Abend und Morgen der Herreise must'35 ich ohne volständige Berauschung durch den dichten Schleier einer Offiziers Montur ansehen.
der Spangenbergin und in Mémoires gefunden: ſo kans mir nicht verübelt werden, wenn ich aus ſo vielen Erfahrungen endlich das Axiom extrahiere: Leute von Welt reden gleich ſehr beſtimt und ungeſucht. — Die oft erörterte Sie kan ſogar Latein und Zeichnen und andere Sprachen dazu (ſogar die deutſche ohne Dialekt) und5 Klavier und — Stricken, war wie Archenholz in Italien und England und hat mehr Zurükhaltung und weniger Stolz als manche Bürger- liche. — Der Nuzen, mit einer Fürſtin umzugehen iſt der, man fäſſet doch den Muth, mit ihren Kammerjungfern umzugehen. Ein Elend iſts, daß ich nicht das Herz habe, ihr einige der beſten ausgearbeiteten10 aſtronomiſchen Anſpielungen ins Geſicht zu ſagen: z. B. vom Durch- gang der Venus durch die Sonne; vom Heſperus, der die Venus iſt u. ſ. w.
Der D. Elrodt, bei dem ich eine Bouteille Wein getrunken und der ſogar meinen Fixlein geleſen, deſſen Korrektur er übernimt — denn15 der Buchhändler hatte mit andern Leuten die Bedingungen des Druks früher als mit mir die des Verlages ausgemacht — jener alſo beſizt 3 Bände vom tridentiniſchen Konzilium, die das beſte Werk hierüber ſein ſollen. 10 Bücher liegen hier vor dem feinen Briefpapier.20
Mir iſt immerfort als wenn das Schikſal von dieſem Labewein, wovon ich eine Bouteille um die andre aufſiegle, zulezt einigen nehmen und einen ſcharfen Weineſſig für mich anſezen werde — mögeſt du ſo froh wie ich jezt leben und möge das Schikſal mir nicht in dem deinigen jenen Eſſig reichen! — Nur zuweilen abends drükt mich25 der Inkube und Alp der melancholiſchen Sehnſucht nach Hof und nach allem und nach nichts.
Vor Mitwochs Vormittag retournier’ ich nicht. Ich werde Wiz- lebens zudringlicher Begleitung mit den feinſten Maasregeln be- gegnen und ausweichen: der Herweg mit ihm war zwar vol Unter-30 haltung und Luſt — nur daß es einen beim Genuſſe eines erhabenen Berges faſt mehr ſtöhrt als erhebt, den Andern bemerken zu hören,[90] wie gut von einem ſolchen Berge die ganze Wieſe nicht ſowol mit At[a]lantens Füſſen zu beſtreichen ſei als mit Kartätſchen —; aber den unausſprechlich ſchönen Abend und Morgen der Herreiſe muſt’35 ich ohne volſtändige Berauſchung durch den dichten Schleier einer Offiziers Montur anſehen.
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Klavier und — Stricken, war wie Archenholz in Italien und England
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doch den Muth, mit ihren Kammerjungfern umzugehen. Ein Elend
iſts, daß ich nicht das Herz habe, ihr einige der beſten ausgearbeiteten 10
aſtronomiſchen Anſpielungen ins Geſicht zu ſagen: z. B. vom Durch-
gang der Venus durch die Sonne; vom Heſperus, der die Venus
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Der D. Elrodt, bei dem ich eine Bouteille Wein getrunken und der
ſogar meinen Fixlein geleſen, deſſen Korrektur er übernimt — denn 15
der Buchhändler hatte mit andern Leuten die Bedingungen des
Druks früher als mit mir die des Verlages ausgemacht — jener
alſo beſizt 3 Bände vom tridentiniſchen Konzilium, die das beſte
Werk hierüber ſein ſollen. 10 Bücher liegen hier vor dem feinen
Briefpapier. 20
Mir iſt immerfort als wenn das Schikſal von dieſem Labewein,
wovon ich eine Bouteille um die andre aufſiegle, zulezt einigen
nehmen und einen ſcharfen Weineſſig für mich anſezen werde —
mögeſt du ſo froh wie ich jezt leben und möge das Schikſal mir nicht in
dem deinigen jenen Eſſig reichen! — Nur zuweilen abends drükt mich 25
der Inkube und Alp der melancholiſchen Sehnſucht nach Hof und
nach allem und nach nichts.
Vor Mitwochs Vormittag retournier’ ich nicht. Ich werde Wiz-
lebens zudringlicher Begleitung mit den feinſten Maasregeln be-
gegnen und ausweichen: der Herweg mit ihm war zwar vol Unter- 30
haltung und Luſt — nur daß es einen beim Genuſſe eines erhabenen
Berges faſt mehr ſtöhrt als erhebt, den Andern bemerken zu hören,
wie gut von einem ſolchen Berge die ganze Wieſe nicht ſowol mit
At[a]lantens Füſſen zu beſtreichen ſei als mit Kartätſchen —; aber
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/105>, abgerufen am 24.11.2024.
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