Schäfer giebt mir Gold stat des Silbers, damit ich meinen Ehren- sold leichter transportiere.
Ich mus dich jezt ins Parterre der Pariser Oper stellen, damit du die grosse Wolke, die an durchsichtigen luftfärbigen Stricken ins Theater hereinhängt, ansehen kanst. Denn es stekt eine Göttin im5 Gewölk, die es den Augenblik spalten und daraus auf die Bühne niederhüpfen wird.
Da ist sie -- es ist die Fürstin Lunovsky... Nein, nein, ich wil mässiger erzählen und ich und du wollen die Göttin vom Theater weg in ein Ankleidezimmer führen und ihr da (jezt seh ich erst, was ich für10 Papier verschwende) nur soviel Kleider lassen als sie zu einer Frau braucht. Sie ist täglich bei Schäfer. Da ihr mein Hesperus recht ist (sie lieset blos Engländer, weil sie einmal einen heirathen wolte; und es ist schade daß sie die deutsche Lektüre nicht aus demselben Grunde sucht): so wolte sie, als eine Gönnerin der Gelehrsamkeit, den Ge-15 lehrten vor sich hinhaben, der den Hesperus in den Himmel gesezt. Es that dem Gelehrten Schaden, daß die Gasse der Präsentierteller war, auf dem er ihr hingehalten wurde. Ich und Schäfer begegneten ihr. Was thats? Ich sezte mich den andern Morgen hin und verbrachte ihn himlisch mit ihr, indem ich nichts geringers zeugte als ein poetisches --20 zehn Seiten langes punctum saliens, das ihr nachmittags zum ewigen Gebrauch Schäfer überreichte. Die Bescheidenheit verbeut mir, dir die Art zu sagen, wie die hohe Person das punctum aufnahm. Nachmittags erschien der salirende Punkt-Macher selber und war bis abends mit diesem hohen Haupte und mit seinem kahlen unter Einer25 Stubendecke. Gestern gieng sie und Schäfer und die 2 Kinder und die Niece (sie trägt noch ihre schönen Augen, aber ich mus sie auch etwan zu sehr vorgelobet haben) 2 Stunden spazieren und Paul wandelte mit.
Das sind dürre historische Aarons Reiser, aus denen jezt einiges Laub getrieben werden mus. Sie hat eine volkommen schöne Taille,30 grosse Augen, proporzionierte Züge und solche feste Theile: man schwebt bei ihr zwischen den logischen Urtheilen, sie war und sie ist [89]schön, mitten innen und es käme blos auf sie an, daß man eines ergriffe und festhielte. Sie drükt sich genau, bestimt, leicht und kurz und fein aus; aber das Fein-Fein-Fein (wie der beste Zucker heisset),35 worauf ich immer passe, ist eher bei Leuten beiderlei Geschlechts in unsern Ständen zu finden. Da ichs noch ausserdem bei Schäfer, bei
Schäfer giebt mir Gold ſtat des Silbers, damit ich meinen Ehren- ſold leichter transportiere.
Ich mus dich jezt ins Parterre der Pariſer Oper ſtellen, damit du die groſſe Wolke, die an durchſichtigen luftfärbigen Stricken ins Theater hereinhängt, anſehen kanſt. Denn es ſtekt eine Göttin im5 Gewölk, die es den Augenblik ſpalten und daraus auf die Bühne niederhüpfen wird.
Da iſt ſie — es iſt die Fürſtin Lunovsky... Nein, nein, ich wil mäſſiger erzählen und ich und du wollen die Göttin vom Theater weg in ein Ankleidezimmer führen und ihr da (jezt ſeh ich erſt, was ich für10 Papier verſchwende) nur ſoviel Kleider laſſen als ſie zu einer Frau braucht. Sie iſt täglich bei Schäfer. Da ihr mein Hesperus recht iſt (ſie lieſet blos Engländer, weil ſie einmal einen heirathen wolte; und es iſt ſchade daß ſie die deutſche Lektüre nicht aus demſelben Grunde ſucht): ſo wolte ſie, als eine Gönnerin der Gelehrſamkeit, den Ge-15 lehrten vor ſich hinhaben, der den Heſperus in den Himmel geſezt. Es that dem Gelehrten Schaden, daß die Gaſſe der Präſentierteller war, auf dem er ihr hingehalten wurde. Ich und Schäfer begegneten ihr. Was thats? Ich ſezte mich den andern Morgen hin und verbrachte ihn himliſch mit ihr, indem ich nichts geringers zeugte als ein poetiſches —20 zehn Seiten langes punctum saliens, das ihr nachmittags zum ewigen Gebrauch Schäfer überreichte. Die Beſcheidenheit verbeut mir, dir die Art zu ſagen, wie die hohe Perſon das punctum aufnahm. Nachmittags erſchien der ſalirende Punkt-Macher ſelber und war bis abends mit dieſem hohen Haupte und mit ſeinem kahlen unter Einer25 Stubendecke. Geſtern gieng ſie und Schäfer und die 2 Kinder und die Niece (ſie trägt noch ihre ſchönen Augen, aber ich mus ſie auch etwan zu ſehr vorgelobet haben) 2 Stunden ſpazieren und Paul wandelte mit.
Das ſind dürre hiſtoriſche Aarons Reiſer, aus denen jezt einiges Laub getrieben werden mus. Sie hat eine volkommen ſchöne Taille,30 groſſe Augen, proporzionierte Züge und ſolche feſte Theile: man ſchwebt bei ihr zwiſchen den logiſchen Urtheilen, ſie war und ſie iſt [89]ſchön, mitten innen und es käme blos auf ſie an, daß man eines ergriffe und feſthielte. Sie drükt ſich genau, beſtimt, leicht und kurz und fein aus; aber das Fein-Fein-Fein (wie der beſte Zucker heiſſet),35 worauf ich immer paſſe, iſt eher bei Leuten beiderlei Geſchlechts in unſern Ständen zu finden. Da ichs noch auſſerdem bei Schäfer, bei
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Schäfer giebt mir Gold ſtat des Silbers, damit ich meinen Ehren-
ſold leichter transportiere.
Ich mus dich jezt ins Parterre der Pariſer Oper ſtellen, damit du
die groſſe Wolke, die an durchſichtigen luftfärbigen Stricken ins
Theater hereinhängt, anſehen kanſt. Denn es ſtekt eine Göttin im 5
Gewölk, die es den Augenblik ſpalten und daraus auf die Bühne
niederhüpfen wird.
Da iſt ſie — es iſt die Fürſtin Lunovsky... Nein, nein, ich wil
mäſſiger erzählen und ich und du wollen die Göttin vom Theater weg
in ein Ankleidezimmer führen und ihr da (jezt ſeh ich erſt, was ich für 10
Papier verſchwende) nur ſoviel Kleider laſſen als ſie zu einer Frau
braucht. Sie iſt täglich bei Schäfer. Da ihr mein Hesperus recht iſt
(ſie lieſet blos Engländer, weil ſie einmal einen heirathen wolte; und
es iſt ſchade daß ſie die deutſche Lektüre nicht aus demſelben Grunde
ſucht): ſo wolte ſie, als eine Gönnerin der Gelehrſamkeit, den Ge- 15
lehrten vor ſich hinhaben, der den Heſperus in den Himmel geſezt. Es
that dem Gelehrten Schaden, daß die Gaſſe der Präſentierteller war,
auf dem er ihr hingehalten wurde. Ich und Schäfer begegneten ihr.
Was thats? Ich ſezte mich den andern Morgen hin und verbrachte ihn
himliſch mit ihr, indem ich nichts geringers zeugte als ein poetiſches — 20
zehn Seiten langes punctum saliens, das ihr nachmittags zum
ewigen Gebrauch Schäfer überreichte. Die Beſcheidenheit verbeut mir,
dir die Art zu ſagen, wie die hohe Perſon das punctum aufnahm.
Nachmittags erſchien der ſalirende Punkt-Macher ſelber und war bis
abends mit dieſem hohen Haupte und mit ſeinem kahlen unter Einer 25
Stubendecke. Geſtern gieng ſie und Schäfer und die 2 Kinder und die
Niece (ſie trägt noch ihre ſchönen Augen, aber ich mus ſie auch etwan
zu ſehr vorgelobet haben) 2 Stunden ſpazieren und Paul wandelte mit.
Das ſind dürre hiſtoriſche Aarons Reiſer, aus denen jezt einiges
Laub getrieben werden mus. Sie hat eine volkommen ſchöne Taille, 30
groſſe Augen, proporzionierte Züge und ſolche feſte Theile: man
ſchwebt bei ihr zwiſchen den logiſchen Urtheilen, ſie war und ſie iſt
ſchön, mitten innen und es käme blos auf ſie an, daß man eines
ergriffe und feſthielte. Sie drükt ſich genau, beſtimt, leicht und kurz und
fein aus; aber das Fein-Fein-Fein (wie der beſte Zucker heiſſet), 35
worauf ich immer paſſe, iſt eher bei Leuten beiderlei Geſchlechts in
unſern Ständen zu finden. Da ichs noch auſſerdem bei Schäfer, bei
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/104>, abgerufen am 27.11.2024.
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