mer und der Titel kam nur, wie bei vornemen Männern, etwas früher als der obige Kopf. "Wem Got ein Amt giebt, dem giebt er auch "Verstand; aber Got versteht mich" sezte Sancho noch hinzu und viel- leicht auch du mich. -- Ich wolte oben sagen, daß das Ende eines Briefs leichter geboren wird als der Anfang desselben und nichts ist5 leichter als den "gehorsamen Diener und Freund N." an eine Pointe anzuspiesen. Zur Verschönerung des Degengefässes gehört Kunst und Silber; aber zur Bildung seiner Spize Stal und ein Schleifstein, der iezt meinem Federmesser -- und du sezst wol noch dazu, meinem Wize -- felet. "Freiheit im Denken", schrieb ich einmal dem Doppel-10 "maier, zeugt nicht nur "gute Bücher, sondern auch gute Briefe" man redet aber am Ende des Briefs freier, ergo auch besser; ie mer Mühe ein Einfal kostet, desto weniger ist er sie wert und nur das, was die Oberfläche der Milch, sogleich anbietet, ist höfischer Ram oder leipziger Sane; eben so gebären die Weiber die toden Kinder mit grössern15 Schmerzen als die lebendigena). Von einer an der Geburt eines Leichnams gestorbnen Frau könte man sagen "sie gebar ihren "Tod."
Eben darum schreib ich niemanden lieber Briefe als dir; dies weis ich erst, seitdem ich dich verlassen. Ich kümmere mich wenig um das20 Deutsche; und neme ieden Einfal mit gastfreundlichem Gesichte auf, wie die Gelertenbuchhandlung iedes Buch. Beim Bücherschreiben ver- anlassen die Menge der Einfälle nur die Beleidigung des heiligen Gastfreundschaftsrechts und Rousseau sagt mit Recht, aber freilich in einem andern Sinne: c'est l'affluence des hotes qui detruit25 l'hospitalite. -- "Sachen, sagt Garve, die nicht für das Publikum[82] "bestimt worden, geraten am besten" die Briefe Voltairensgefallen mir besser als seine Bücher; (so Sevigne's Briefe, auch Gellerts Briefe sind an wirkliche Personen geschrieben) eben so nimt man zu einem Briefe feines Postpapier, allein zu einem Buche (Manuskript) nur30 schlechtes Konzeptpapier. Allein mein Buch und dieser Brief gleichen einander an Wert und daher an Papier -- in Hof giebts kein besseres.
a) Daher spint ein Dummer sein Buch mit mer Schweis als ein Genie das seinige und Voltaire tödete die Kinder des Frerons mit weniger Anstrengung des Arms als der Vater sie gebar. Mit welcher wiederholten Erschöpfung der35 Lunge yanet der Esel die Verlezung kurzer Oren heraus! stat daß die Lerche ihr Gedicht in Einem Atem wegwirbelt!
mer und der Titel kam nur, wie bei vornemen Männern, etwas früher als der obige Kopf. „Wem Got ein Amt giebt, dem giebt er auch „Verſtand; aber Got verſteht mich“ ſezte Sancho noch hinzu und viel- leicht auch du mich. — Ich wolte oben ſagen, daß das Ende eines Briefs leichter geboren wird als der Anfang deſſelben und nichts iſt5 leichter als den „gehorſamen Diener und Freund N.“ an eine Pointe anzuſpieſen. Zur Verſchönerung des Degengefäſſes gehört Kunſt und Silber; aber zur Bildung ſeiner Spize Stal und ein Schleifſtein, der iezt meinem Federmeſſer — und du ſezſt wol noch dazu, meinem Wize — felet. „Freiheit im Denken“, ſchrieb ich einmal dem Doppel-10 „maier, zeugt nicht nur „gute Bücher, ſondern auch gute Briefe“ man redet aber am Ende des Briefs freier, ergo auch beſſer; ie mer Mühe ein Einfal koſtet, deſto weniger iſt er ſie wert und nur das, was die Oberfläche der Milch, ſogleich anbietet, iſt höfiſcher Ram oder leipziger Sane; eben ſo gebären die Weiber die toden Kinder mit gröſſern15 Schmerzen als die lebendigena). Von einer an der Geburt eines Leichnams geſtorbnen Frau könte man ſagen „ſie gebar ihren „Tod.“
Eben darum ſchreib ich niemanden lieber Briefe als dir; dies weis ich erſt, ſeitdem ich dich verlaſſen. Ich kümmere mich wenig um das20 Deutſche; und neme ieden Einfal mit gaſtfreundlichem Geſichte auf, wie die Gelertenbuchhandlung iedes Buch. Beim Bücherſchreiben ver- anlaſſen die Menge der Einfälle nur die Beleidigung des heiligen Gaſtfreundſchaftsrechts und Rouſſeau ſagt mit Recht, aber freilich in einem andern Sinne: c’est l’affluence des hôtes qui detruit25 l’hospitalité. — „Sachen, ſagt Garve, die nicht für das Publikum[82] „beſtimt worden, geraten am beſten“ die Briefe Voltairensgefallen mir beſſer als ſeine Bücher; (ſo Sevigne’s Briefe, auch Gellerts Briefe ſind an wirkliche Perſonen geſchrieben) eben ſo nimt man zu einem Briefe feines Poſtpapier, allein zu einem Buche (Manuſkript) nur30 ſchlechtes Konzeptpapier. Allein mein Buch und dieſer Brief gleichen einander an Wert und daher an Papier — in Hof giebts kein beſſeres.
a) Daher ſpint ein Dummer ſein Buch mit mer Schweis als ein Genie das ſeinige und Voltaire tödete die Kinder des Frerons mit weniger Anſtrengung des Arms als der Vater ſie gebar. Mit welcher wiederholten Erſchöpfung der35 Lunge yanet der Eſel die Verlezung kurzer Oren heraus! ſtat daß die Lerche ihr Gedicht in Einem Atem wegwirbelt!
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leicht auch du mich. — Ich wolte oben ſagen, daß das Ende eines
Briefs leichter geboren wird als der Anfang deſſelben und nichts iſt 5
leichter als den „gehorſamen Diener und Freund N.“ an eine Pointe
anzuſpieſen. Zur Verſchönerung des Degengefäſſes gehört Kunſt und
Silber; aber zur Bildung ſeiner Spize Stal und ein Schleifſtein, der
iezt meinem Federmeſſer — und du ſezſt wol noch dazu, meinem
Wize — felet. „Freiheit im Denken“, ſchrieb ich einmal dem Doppel- 10
„maier, zeugt nicht nur „gute Bücher, ſondern auch gute Briefe“ man
redet aber am Ende des Briefs freier, ergo auch beſſer; ie mer Mühe
ein Einfal koſtet, deſto weniger iſt er ſie wert und nur das, was die
Oberfläche der Milch, ſogleich anbietet, iſt höfiſcher Ram oder leipziger
Sane; eben ſo gebären die Weiber die toden Kinder mit gröſſern 15
Schmerzen als die lebendigen a). Von einer an der Geburt eines
Leichnams geſtorbnen Frau könte man ſagen „ſie gebar ihren
„Tod.“
Eben darum ſchreib ich niemanden lieber Briefe als dir; dies weis
ich erſt, ſeitdem ich dich verlaſſen. Ich kümmere mich wenig um das 20
Deutſche; und neme ieden Einfal mit gaſtfreundlichem Geſichte auf, wie
die Gelertenbuchhandlung iedes Buch. Beim Bücherſchreiben ver-
anlaſſen die Menge der Einfälle nur die Beleidigung des heiligen
Gaſtfreundſchaftsrechts und Rouſſeau ſagt mit Recht, aber freilich
in einem andern Sinne: c’est l’affluence des hôtes qui detruit 25
l’hospitalité. — „Sachen, ſagt Garve, die nicht für das Publikum
„beſtimt worden, geraten am beſten“ die Briefe Voltairensgefallen mir
beſſer als ſeine Bücher; (ſo Sevigne’s Briefe, auch Gellerts Briefe
ſind an wirkliche Perſonen geſchrieben) eben ſo nimt man zu einem
Briefe feines Poſtpapier, allein zu einem Buche (Manuſkript) nur 30
ſchlechtes Konzeptpapier. Allein mein Buch und dieſer Brief gleichen
einander an Wert und daher an Papier — in Hof giebts kein beſſeres.
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a) Daher ſpint ein Dummer ſein Buch mit mer Schweis als ein Genie das
ſeinige und Voltaire tödete die Kinder des Frerons mit weniger Anſtrengung des
Arms als der Vater ſie gebar. Mit welcher wiederholten Erſchöpfung der 35
Lunge yanet der Eſel die Verlezung kurzer Oren heraus! ſtat daß die Lerche ihr
Gedicht in Einem Atem wegwirbelt!
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/98>, abgerufen am 04.07.2024.
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