felet, das ich [in] Leipzig gelassen. Könten Sie das Ihrige auf einige Zeit entberen, so würd' ich Sie darum bitten. Im entgegengesezten Falle bitte ich Sie um Schönfeld's Landwirtschaft, austat um den Pope. -- -- Die abscheuliche Gestalt dieses Wechselbalges von Brief rechnen Sie einer Reise auf etliche Stunden, an; der Apollo5 wirft auf die Gasse zuviele Stralen, um welche meinem Kopfe mit- zuteilen d. h. das schöne Wetter verursacht diesen schlechten Brief. -- Haben Sie schon Bücher aus dem Aukzionskatalogus sich aus- gezeichnet? -- Hier folgt auch ein Teil meiner Exzerpten, dessen Inhalt Sie im Register übersehen können. Sie werden finden, daß Young nicht10 blos weinen, sondern auch lachen kan, und daß er mit seinem Flügel eben so gut verwundet als fliegt. -- Ich dankte Ihnen oben für Selen- speise; hier unten mus ich auch Ihrer Gattin für die leibliche Speise danken. Sie speiset ihre Freunde so gut, als Sie einmal das Publikum speisen werden. -- Der enge Raum befielt mir, Ihnen nicht mer Lang-15 weile zu machen sondern gleich zu versichern daß ich bin
Ihr [Spaltenumbruch]Hof den [15.] Junius 1783.[Spaltenumbruch]warmer Freund J. P. F. Richter
N. S. Das Postskript ist dem Briefe das, was die Doxologie, die20 Luther als Mönch nicht betete, dem Vaterunser ist. -- Ich erinnere mich noch Ihrer Exzerpten, aus denen Sie mir einmal vorgelesen. Sie sehen, was für ein Vielfras ich bin; sogar nach Ihrer Bibliothek in nuce, nach wizigen Quintessenzen lange ich. etc.
47. An Oerthel in Leipzig.25
Hof den 17 Jun. 1783.
Lieber Örthel,
Da mir nicht gleich ein Anfang zu diesem Brief einfält, so wil ich von den Anfängen der Briefe überhaupt reden. Lessing sagt "man [81]spricht am meisten von der Tugend, wenn man sie nicht hat" ich rede30 vom Anfange, weil ich keinen habe. "Ihr lügt solange bis ihr warredet" sagte Heinrich der ote in deinem Kollektaneenbuch; ich hingegen habe solange im vorigen Perioden wargeredet, daß ich gelogen habe und nun felet der goldnen Krone (dein Name) dieses Briefs der Kopf nicht
felet, das ich [in] Leipzig gelaſſen. Könten Sie das Ihrige auf einige Zeit entberen, ſo würd’ ich Sie darum bitten. Im entgegengeſezten Falle bitte ich Sie um Schönfeld’s Landwirtſchaft, auſtat um den Pope. — — Die abſcheuliche Geſtalt dieſes Wechſelbalges von Brief rechnen Sie einer Reiſe auf etliche Stunden, an; der Apollo5 wirft auf die Gaſſe zuviele Stralen, um welche meinem Kopfe mit- zuteilen d. h. das ſchöne Wetter verurſacht dieſen ſchlechten Brief. — Haben Sie ſchon Bücher aus dem Aukzionskatalogus ſich aus- gezeichnet? — Hier folgt auch ein Teil meiner Exzerpten, deſſen Inhalt Sie im Regiſter überſehen können. Sie werden finden, daß Young nicht10 blos weinen, ſondern auch lachen kan, und daß er mit ſeinem Flügel eben ſo gut verwundet als fliegt. — Ich dankte Ihnen oben für Selen- ſpeiſe; hier unten mus ich auch Ihrer Gattin für die leibliche Speiſe danken. Sie ſpeiſet ihre Freunde ſo gut, als Sie einmal das Publikum ſpeiſen werden. — Der enge Raum befielt mir, Ihnen nicht mer Lang-15 weile zu machen ſondern gleich zu verſichern daß ich bin
Ihr [Spaltenumbruch]Hof den [15.] Junius 1783.[Spaltenumbruch]warmer Freund J. P. F. Richter
N. S. Das Poſtſkript iſt dem Briefe das, was die Doxologie, die20 Luther als Mönch nicht betete, dem Vaterunſer iſt. — Ich erinnere mich noch Ihrer Exzerpten, aus denen Sie mir einmal vorgeleſen. Sie ſehen, was für ein Vielfras ich bin; ſogar nach Ihrer Bibliothek in nuce, nach wizigen Quinteſſenzen lange ich. ꝛc.
47. An Oerthel in Leipzig.25
Hof den 17 Jun. 1783.
Lieber Örthel,
Da mir nicht gleich ein Anfang zu dieſem Brief einfält, ſo wil ich von den Anfängen der Briefe überhaupt reden. Leſſing ſagt „man [81]ſpricht am meiſten von der Tugend, wenn man ſie nicht hat“ ich rede30 vom Anfange, weil ich keinen habe. „Ihr lügt ſolange bis ihr warredet“ ſagte Heinrich der ote in deinem Kollektaneenbuch; ich hingegen habe ſolange im vorigen Perioden wargeredet, daß ich gelogen habe und nun felet der goldnen Krone (dein Name) dieſes Briefs der Kopf nicht
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0097"n="74"/>
felet, das ich <metamark>[</metamark>in<metamark>]</metamark> Leipzig gelaſſen. Könten Sie das Ihrige auf einige<lb/>
Zeit entberen, ſo würd’ ich Sie darum bitten. Im entgegengeſezten<lb/>
Falle bitte ich Sie um <hirendition="#g">Schönfeld’s Landwirtſchaft,</hi> auſtat um<lb/>
den Pope. —— Die abſcheuliche Geſtalt dieſes Wechſelbalges von<lb/>
Brief rechnen Sie einer Reiſe auf etliche Stunden, an; der Apollo<lbn="5"/>
wirft auf die Gaſſe zuviele Stralen, um welche meinem Kopfe mit-<lb/>
zuteilen d. h. das ſchöne Wetter verurſacht dieſen ſchlechten Brief.<lb/>— Haben Sie ſchon Bücher aus dem Aukzionskatalogus ſich aus-<lb/>
gezeichnet? — Hier folgt auch ein Teil meiner Exzerpten, deſſen Inhalt<lb/>
Sie im Regiſter überſehen können. Sie werden finden, daß Young nicht<lbn="10"/>
blos weinen, ſondern auch lachen kan, und daß er mit ſeinem Flügel<lb/>
eben ſo gut verwundet als fliegt. — Ich dankte Ihnen oben für Selen-<lb/>ſpeiſe; hier unten mus ich auch Ihrer Gattin für die leibliche Speiſe<lb/>
danken. Sie ſpeiſet ihre Freunde ſo gut, als Sie einmal das Publikum<lb/>ſpeiſen werden. — Der enge Raum befielt mir, Ihnen nicht mer Lang-<lbn="15"/>
weile zu machen ſondern gleich zu verſichern daß ich bin</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Ihr</hi><lb/><cb/><date><hirendition="#left">Hof den <metamark>[</metamark>15.<metamark>]</metamark> Junius<lb/>
1783.</hi></date><cb/><hirendition="#right">warmer Freund<lb/>
J. P. F. Richter</hi></salute></closer><lb/><postscript><p>N. S. Das Poſtſkript iſt dem Briefe das, was die Doxologie, die<lbn="20"/>
Luther als Mönch nicht betete, dem Vaterunſer iſt. — Ich erinnere<lb/>
mich noch Ihrer Exzerpten, aus denen Sie mir einmal vorgeleſen.<lb/>
Sie ſehen, was für ein Vielfras ich bin; ſogar nach Ihrer Bibliothek<lb/><hirendition="#aq">in nuce,</hi> nach wizigen Quinteſſenzen lange ich. ꝛc.</p></postscript></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>47. An <hirendition="#g">Oerthel in Leipzig.</hi><lbn="25"/></head><dateline><hirendition="#right">Hof den 17 Jun. 1783.</hi></dateline><lb/><opener><salute><hirendition="#et">Lieber Örthel,</hi></salute></opener><lb/><p>Da mir nicht gleich ein Anfang zu dieſem Brief einfält, ſo wil ich<lb/>
von den Anfängen der Briefe überhaupt reden. Leſſing ſagt „man<lb/><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd#_81">[81]</ref></note>ſpricht am meiſten von der Tugend, wenn man ſie nicht hat“ ich rede<lbn="30"/>
vom Anfange, weil ich keinen habe. „Ihr lügt ſolange bis ihr warredet“<lb/>ſagte Heinrich der o<hirendition="#sup">te</hi> in deinem Kollektaneenbuch; ich hingegen habe<lb/>ſolange im vorigen Perioden wargeredet, daß ich gelogen habe und<lb/>
nun felet der goldnen Krone (dein Name) dieſes Briefs der Kopf nicht<lb/></p></div></body></text></TEI>
[74/0097]
felet, das ich [in] Leipzig gelaſſen. Könten Sie das Ihrige auf einige
Zeit entberen, ſo würd’ ich Sie darum bitten. Im entgegengeſezten
Falle bitte ich Sie um Schönfeld’s Landwirtſchaft, auſtat um
den Pope. — — Die abſcheuliche Geſtalt dieſes Wechſelbalges von
Brief rechnen Sie einer Reiſe auf etliche Stunden, an; der Apollo 5
wirft auf die Gaſſe zuviele Stralen, um welche meinem Kopfe mit-
zuteilen d. h. das ſchöne Wetter verurſacht dieſen ſchlechten Brief.
— Haben Sie ſchon Bücher aus dem Aukzionskatalogus ſich aus-
gezeichnet? — Hier folgt auch ein Teil meiner Exzerpten, deſſen Inhalt
Sie im Regiſter überſehen können. Sie werden finden, daß Young nicht 10
blos weinen, ſondern auch lachen kan, und daß er mit ſeinem Flügel
eben ſo gut verwundet als fliegt. — Ich dankte Ihnen oben für Selen-
ſpeiſe; hier unten mus ich auch Ihrer Gattin für die leibliche Speiſe
danken. Sie ſpeiſet ihre Freunde ſo gut, als Sie einmal das Publikum
ſpeiſen werden. — Der enge Raum befielt mir, Ihnen nicht mer Lang- 15
weile zu machen ſondern gleich zu verſichern daß ich bin
Ihr
Hof den [15.] Junius
1783.
warmer Freund
J. P. F. Richter
N. S. Das Poſtſkript iſt dem Briefe das, was die Doxologie, die 20
Luther als Mönch nicht betete, dem Vaterunſer iſt. — Ich erinnere
mich noch Ihrer Exzerpten, aus denen Sie mir einmal vorgeleſen.
Sie ſehen, was für ein Vielfras ich bin; ſogar nach Ihrer Bibliothek
in nuce, nach wizigen Quinteſſenzen lange ich. ꝛc.
47. An Oerthel in Leipzig. 25
Hof den 17 Jun. 1783.
Lieber Örthel,
Da mir nicht gleich ein Anfang zu dieſem Brief einfält, ſo wil ich
von den Anfängen der Briefe überhaupt reden. Leſſing ſagt „man
ſpricht am meiſten von der Tugend, wenn man ſie nicht hat“ ich rede 30
vom Anfange, weil ich keinen habe. „Ihr lügt ſolange bis ihr warredet“
ſagte Heinrich der ote in deinem Kollektaneenbuch; ich hingegen habe
ſolange im vorigen Perioden wargeredet, daß ich gelogen habe und
nun felet der goldnen Krone (dein Name) dieſes Briefs der Kopf nicht
[81]
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/97>, abgerufen am 04.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.