Und wenn ich sagen könte: zornigster Freund, so hätte niemand die [416]Schuld als ich. Ich wolte Ihnen immer die zweite Ausgabe meines5 Buchs bringen (denn es wurden 2 gemacht, eine auf Schweizerpapier) -- ich wolt' es immer selber überreichen -- ich wolte mich immer bessern -- -- kurz ich machte es wie mit der Tugend: --
Erst heute bekommen Sie es durch einen bessern Briefträger als mich; und morgen können Sie gegen mich predigen.10
Ueber das Buch, das glüklicher war als seine Brüder ohne darum besser zu sein (es geht den Menschen auch so), sag' ich nichts, sondern Sie sollen etwas darüber sagen. Ich weis nicht, ob sich Ihre Apathie mit dem Pathos dieses Buchs versöhnen wird; und Sie werden mir dasmal stat der Satire, das Extrem ihres Gegentheils vorwerfen.15
Ihre Antwort ist für mich eine Amnestie-Akte und ein Gnadenbrief, nach dessen Empfange ich aus meiner Stube in Ihre eilen werde. (Apropos zu meinen Hindernissen müssen Sie eine dreiwöchentliche Reise über Erlang mit rechnen) -- Ich werde Ihnen eine ganze philosophische Brieftasche mitbringen; schreiben aber werd' ich nicht20 eher philosophische Bücher als im Alter wo man ein philosophisches Leben führt, was meines noch nicht ist.
Empfehlen [Sie mich] der Frau Pfarrerin. Ich habe die Ehre -- mit der sehnsüchtigsten Erwartung einer Antwort, die nur das Buch, aber nicht den Verfasser kritisiert -- mit der wärmsten Hochachtung für25 meinen ältesten litterarischen Wolthäter zu bleiben, was ich nie aufgehört zu sein
[Spaltenumbruch]
Eiligst[Spaltenumbruch]Ihr gehors. Freund J. Paul Fr. Richter
N. S. Nehmen Sie die körperlichen Drukfehler weg, eh Sie die30 tranßendenten vor Gericht ziehen.
439. An Christian Otto.
[Schwarzenbach]d. 24 Jul. 93.
Lieber Leser
hätt' ich beinahe gesagt: und im Grund ist auch ein solcher Brief vor35 einem Buche eine Vorrede.
438. An Pfarrer Vogel in Arzberg.
Schwarzenbach d. 27 Jul. 1793 [Sonnabend].
Theuerſter Freund,
Und wenn ich ſagen könte: zornigſter Freund, ſo hätte niemand die [416]Schuld als ich. Ich wolte Ihnen immer die zweite Ausgabe meines5 Buchs bringen (denn es wurden 2 gemacht, eine auf Schweizerpapier) — ich wolt’ es immer ſelber überreichen — ich wolte mich immer beſſern — — kurz ich machte es wie mit der Tugend: —
Erſt heute bekommen Sie es durch einen beſſern Briefträger als mich; und morgen können Sie gegen mich predigen.10
Ueber das Buch, das glüklicher war als ſeine Brüder ohne darum beſſer zu ſein (es geht den Menſchen auch ſo), ſag’ ich nichts, ſondern Sie ſollen etwas darüber ſagen. Ich weis nicht, ob ſich Ihre Apathie mit dem Pathos dieſes Buchs verſöhnen wird; und Sie werden mir dasmal ſtat der Satire, das Extrem ihres Gegentheils vorwerfen.15
Ihre Antwort iſt für mich eine Amneſtie-Akte und ein Gnadenbrief, nach deſſen Empfange ich aus meiner Stube in Ihre eilen werde. (Apropos zu meinen Hinderniſſen müſſen Sie eine dreiwöchentliche Reiſe über Erlang mit rechnen) — Ich werde Ihnen eine ganze philoſophiſche Brieftaſche mitbringen; ſchreiben aber werd’ ich nicht20 eher philoſophiſche Bücher als im Alter wo man ein philoſophiſches Leben führt, was meines noch nicht iſt.
Empfehlen [Sie mich] der Frau Pfarrerin. Ich habe die Ehre — mit der ſehnſüchtigſten Erwartung einer Antwort, die nur das Buch, aber nicht den Verfaſſer kritiſiert — mit der wärmſten Hochachtung für25 meinen älteſten litterariſchen Wolthäter zu bleiben, was ich nie aufgehört zu ſein
[Spaltenumbruch]
Eiligſt[Spaltenumbruch]Ihr gehorſ. Freund J. Paul Fr. Richter
N. S. Nehmen Sie die körperlichen Drukfehler weg, eh Sie die30 tranſzendenten vor Gericht ziehen.
439. An Chriſtian Otto.
[Schwarzenbach]d. 24 Jul. 93.
Lieber Leſer
hätt’ ich beinahe geſagt: und im Grund iſt auch ein ſolcher Brief vor35 einem Buche eine Vorrede.
<TEI><text><body><pbfacs="#f0424"n="396"/><divtype="letter"n="1"><head>438. An <hirendition="#g">Pfarrer Vogel in Arzberg.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#right"><hirendition="#aq">Schwarzenbach d. 27 Jul.</hi> 1793 <metamark>[</metamark>Sonnabend<metamark>]</metamark>.</hi></dateline><lb/><opener><salute><hirendition="#et">Theuerſter Freund,</hi></salute></opener><lb/><p>Und wenn ich ſagen könte: zornigſter Freund, ſo hätte niemand die<lb/><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd#_416">[416]</ref></note>Schuld als ich. Ich wolte Ihnen immer die zweite Ausgabe meines<lbn="5"/>
Buchs bringen (denn es wurden 2 gemacht, eine auf Schweizerpapier)<lb/>— ich wolt’ es immer ſelber überreichen — ich wolte mich immer<lb/>
beſſern —— kurz ich machte es wie mit der Tugend: —</p><lb/><p>Erſt heute bekommen Sie es durch einen beſſern Briefträger als<lb/>
mich; und morgen können Sie gegen mich predigen.<lbn="10"/></p><p>Ueber das Buch, das glüklicher war als ſeine Brüder ohne darum<lb/>
beſſer zu ſein (es geht den Menſchen auch ſo), ſag’ ich nichts, ſondern<lb/>
Sie ſollen etwas darüber ſagen. Ich weis nicht, ob ſich Ihre Apathie<lb/>
mit dem Pathos dieſes Buchs verſöhnen wird; und Sie werden mir<lb/>
dasmal ſtat der Satire, das Extrem ihres Gegentheils vorwerfen.<lbn="15"/></p><p>Ihre Antwort iſt für mich eine Amneſtie-Akte und ein Gnadenbrief,<lb/>
nach deſſen Empfange ich aus meiner Stube in Ihre eilen werde.<lb/>
(Apropos zu meinen Hinderniſſen müſſen Sie eine dreiwöchentliche<lb/>
Reiſe über Erlang mit rechnen) — Ich werde Ihnen eine ganze<lb/>
philoſophiſche Brieftaſche mitbringen; ſchreiben aber werd’ ich nicht<lbn="20"/>
eher philoſophiſche Bücher als im Alter wo man ein philoſophiſches<lb/>
Leben führt, was meines noch nicht iſt.</p><lb/><p>Empfehlen <metamark>[</metamark>Sie mich<metamark>]</metamark> der Frau Pfarrerin. Ich habe die Ehre — mit<lb/>
der ſehnſüchtigſten Erwartung einer Antwort, die nur das Buch, aber<lb/>
nicht den Verfaſſer kritiſiert — mit der wärmſten Hochachtung für<lbn="25"/>
meinen älteſten litterariſchen Wolthäter zu bleiben, was ich nie<lb/>
aufgehört zu ſein</p><lb/><closer><cb/><salute><hirendition="#b #left">Eiligſt</hi><cb/><hirendition="#right">Ihr<lb/>
gehorſ. Freund<lb/>
J. Paul Fr. Richter</hi></salute></closer><lb/><postscript><p>N. S. Nehmen Sie die körperlichen Drukfehler weg, eh Sie die<lbn="30"/>
tranſzendenten vor Gericht ziehen.</p></postscript></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>439. An <hirendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#right"><metamark>[</metamark>Schwarzenbach<metamark>]</metamark><hirendition="#aq">d. 24 Jul.</hi> 93.</hi></dateline><lb/><opener><salute><hirendition="#et">Lieber Leſer</hi></salute></opener><lb/><p>hätt’ ich beinahe geſagt: und im Grund iſt auch ein ſolcher Brief vor<lbn="35"/>
einem Buche eine Vorrede.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[396/0424]
438. An Pfarrer Vogel in Arzberg.
Schwarzenbach d. 27 Jul. 1793 [Sonnabend].
Theuerſter Freund,
Und wenn ich ſagen könte: zornigſter Freund, ſo hätte niemand die
Schuld als ich. Ich wolte Ihnen immer die zweite Ausgabe meines 5
Buchs bringen (denn es wurden 2 gemacht, eine auf Schweizerpapier)
— ich wolt’ es immer ſelber überreichen — ich wolte mich immer
beſſern — — kurz ich machte es wie mit der Tugend: —
[416]
Erſt heute bekommen Sie es durch einen beſſern Briefträger als
mich; und morgen können Sie gegen mich predigen. 10
Ueber das Buch, das glüklicher war als ſeine Brüder ohne darum
beſſer zu ſein (es geht den Menſchen auch ſo), ſag’ ich nichts, ſondern
Sie ſollen etwas darüber ſagen. Ich weis nicht, ob ſich Ihre Apathie
mit dem Pathos dieſes Buchs verſöhnen wird; und Sie werden mir
dasmal ſtat der Satire, das Extrem ihres Gegentheils vorwerfen. 15
Ihre Antwort iſt für mich eine Amneſtie-Akte und ein Gnadenbrief,
nach deſſen Empfange ich aus meiner Stube in Ihre eilen werde.
(Apropos zu meinen Hinderniſſen müſſen Sie eine dreiwöchentliche
Reiſe über Erlang mit rechnen) — Ich werde Ihnen eine ganze
philoſophiſche Brieftaſche mitbringen; ſchreiben aber werd’ ich nicht 20
eher philoſophiſche Bücher als im Alter wo man ein philoſophiſches
Leben führt, was meines noch nicht iſt.
Empfehlen [Sie mich] der Frau Pfarrerin. Ich habe die Ehre — mit
der ſehnſüchtigſten Erwartung einer Antwort, die nur das Buch, aber
nicht den Verfaſſer kritiſiert — mit der wärmſten Hochachtung für 25
meinen älteſten litterariſchen Wolthäter zu bleiben, was ich nie
aufgehört zu ſein
Eiligſt
Ihr
gehorſ. Freund
J. Paul Fr. Richter
N. S. Nehmen Sie die körperlichen Drukfehler weg, eh Sie die 30
tranſzendenten vor Gericht ziehen.
439. An Chriſtian Otto.
[Schwarzenbach] d. 24 Jul. 93.
Lieber Leſer
hätt’ ich beinahe geſagt: und im Grund iſt auch ein ſolcher Brief vor 35
einem Buche eine Vorrede.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/424>, abgerufen am 25.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.