der Phantasie wäre aufzutreiben und zu erspringen gewesen. Sauer wirds, so vernünftig zu sein. Da ich aber doch gar zu langweilig werden könte und da ich den Orbilius in sovielen Seiten noch nicht über Schwarzenbach hinausgebracht habe: so wil ich ihn vorläufig sizen lassen wo er sizt, damit er dir size und du durch deine Kritik mir5 Mühe ersparest oder belohnest. Ich werde dem Schul-Emigranten von Minute zu Minute feinder ie länger ich ihn beschreibe. -- Sag alles recht gerade heraus: nur must du, wenns zu machen ist, Tadel mit Lob versilbern, um welches ich dich ausdrüklich ersuche. Im halben Ernste: es wird mir wol thun und ich werde wissen woran ich bin,10 wenn du mir meine lucida intervalla deutlich angiebst. Das würde anspornen. Denn solche Stunden, wo man sein eigner Provokant ist und wo man das Ohrenklingen der 2ten Trompete der Fama hat, schlagen für mich so oft wie für dich (nur daß du es noch 13 mal weiter treibst) und man mus iemand haben, dessen Stimme man seiner eignen15 entgegensezt. -- Eile aber und gieb mir Sontags alles wieder.
Dafür aber, daß ich von Tage zu Tag vernünftiger wurde (welches ich mir nimmer verbergen kan) -- erlaube mir, daß ich auch einmal etwas recht Närrisches laiche. So ein Vergnügen, womit ich Haber- mans Reise in [den] Teufels Papieren machte, indem ich das rechte20 Bein am arktischen Pole und das linke am antarktischen hatte -- giebts schwerlich mehr, du müstest mir denn erlauben, mir es und die Reise noch einmal zu machen. Versicherst du mir also, daß solche Seil- tänze den Leser nicht gar zu unangenehm affizieren: so mach ichs und ich freue mich schon darauf. Thue mir den Gefallen und erlaube25 mir diese Tour, da ich Fälb[els] seine so ordentlich und geographisch mache.
Blos das anarchische Wetter hielt mich ab, meine äusserste Ab- arbeitung am Morgen durch den Abend und durch Hof zu heilen. Dafür trit der Himmel am Freitag etc. etc. etc. in desto schönere Harmonie30 zurük. Könt' es der Leistschneider noch mitnehmen: so wäre mir der Empfang des Oberons sehr lieb. -- Die Lina ist nichts für dich.
[343]Den ganzen Sontag versas und verruhte ich bei Herold.
Schik mir das de prodigo und mehr.
Am Sontag mus ich meinen Fälbel wieder haben, den ich erst 4, 5 mal35 wiedergebären solte eh er durch deine Zuckerraffinerie solte. Denn es wird sicher kein Stük von mir so oft gelesen als ichs geschrieben.
der Phantaſie wäre aufzutreiben und zu erſpringen geweſen. Sauer wirds, ſo vernünftig zu ſein. Da ich aber doch gar zu langweilig werden könte und da ich den Orbilius in ſovielen Seiten noch nicht über Schwarzenbach hinausgebracht habe: ſo wil ich ihn vorläufig ſizen laſſen wo er ſizt, damit er dir ſize und du durch deine Kritik mir5 Mühe erſpareſt oder belohneſt. Ich werde dem Schul-Emigranten von Minute zu Minute feinder ie länger ich ihn beſchreibe. — Sag alles recht gerade heraus: nur muſt du, wenns zu machen iſt, Tadel mit Lob verſilbern, um welches ich dich ausdrüklich erſuche. Im halben Ernſte: es wird mir wol thun und ich werde wiſſen woran ich bin,10 wenn du mir meine lucida intervalla deutlich angiebſt. Das würde anſpornen. Denn ſolche Stunden, wo man ſein eigner Provokant iſt und wo man das Ohrenklingen der 2ten Trompete der Fama hat, ſchlagen für mich ſo oft wie für dich (nur daß du es noch 13 mal weiter treibſt) und man mus iemand haben, deſſen Stimme man ſeiner eignen15 entgegenſezt. — Eile aber und gieb mir Sontags alles wieder.
Dafür aber, daß ich von Tage zu Tag vernünftiger wurde (welches ich mir nimmer verbergen kan) — erlaube mir, daß ich auch einmal etwas recht Närriſches laiche. So ein Vergnügen, womit ich Haber- mans Reiſe in [den] Teufels Papieren machte, indem ich das rechte20 Bein am arktiſchen Pole und das linke am antarktiſchen hatte — giebts ſchwerlich mehr, du müſteſt mir denn erlauben, mir es und die Reiſe noch einmal zu machen. Verſicherſt du mir alſo, daß ſolche Seil- tänze den Leſer nicht gar zu unangenehm affizieren: ſo mach ichs und ich freue mich ſchon darauf. Thue mir den Gefallen und erlaube25 mir dieſe Tour, da ich Fälb[els] ſeine ſo ordentlich und geographiſch mache.
Blos das anarchiſche Wetter hielt mich ab, meine äuſſerſte Ab- arbeitung am Morgen durch den Abend und durch Hof zu heilen. Dafür trit der Himmel am Freitag ꝛc. ꝛc. ꝛc. in deſto ſchönere Harmonie30 zurük. Könt’ es der Leiſtſchneider noch mitnehmen: ſo wäre mir der Empfang des Oberons ſehr lieb. — Die Lina iſt nichts für dich.
[343]Den ganzen Sontag verſas und verruhte ich bei Herold.
Schik mir das de prodigo und mehr.
Am Sontag mus ich meinen Fälbel wieder haben, den ich erſt 4, 5 mal35 wiedergebären ſolte eh er durch deine Zuckerraffinerie ſolte. Denn es wird ſicher kein Stük von mir ſo oft geleſen als ichs geſchrieben.
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der Phantaſie wäre aufzutreiben und zu erſpringen geweſen. Sauer
wirds, ſo vernünftig zu ſein. Da ich aber doch gar zu langweilig
werden könte und da ich den Orbilius in ſovielen Seiten noch nicht
über Schwarzenbach hinausgebracht habe: ſo wil ich ihn vorläufig
ſizen laſſen wo er ſizt, damit er dir ſize und du durch deine Kritik mir 5
Mühe erſpareſt oder belohneſt. Ich werde dem Schul-Emigranten von
Minute zu Minute feinder ie länger ich ihn beſchreibe. — Sag alles
recht gerade heraus: nur muſt du, wenns zu machen iſt, Tadel mit
Lob verſilbern, um welches ich dich ausdrüklich erſuche. Im halben
Ernſte: es wird mir wol thun und ich werde wiſſen woran ich bin, 10
wenn du mir meine lucida intervalla deutlich angiebſt. Das würde
anſpornen. Denn ſolche Stunden, wo man ſein eigner Provokant iſt
und wo man das Ohrenklingen der 2ten Trompete der Fama hat,
ſchlagen für mich ſo oft wie für dich (nur daß du es noch 13 mal weiter
treibſt) und man mus iemand haben, deſſen Stimme man ſeiner eignen 15
entgegenſezt. — Eile aber und gieb mir Sontags alles wieder.
Dafür aber, daß ich von Tage zu Tag vernünftiger wurde (welches
ich mir nimmer verbergen kan) — erlaube mir, daß ich auch einmal
etwas recht Närriſches laiche. So ein Vergnügen, womit ich Haber-
mans Reiſe in [den] Teufels Papieren machte, indem ich das rechte 20
Bein am arktiſchen Pole und das linke am antarktiſchen hatte —
giebts ſchwerlich mehr, du müſteſt mir denn erlauben, mir es und die
Reiſe noch einmal zu machen. Verſicherſt du mir alſo, daß ſolche Seil-
tänze den Leſer nicht gar zu unangenehm affizieren: ſo mach ichs und
ich freue mich ſchon darauf. Thue mir den Gefallen und erlaube 25
mir dieſe Tour, da ich Fälb[els] ſeine ſo ordentlich und geographiſch
mache.
Blos das anarchiſche Wetter hielt mich ab, meine äuſſerſte Ab-
arbeitung am Morgen durch den Abend und durch Hof zu heilen. Dafür
trit der Himmel am Freitag ꝛc. ꝛc. ꝛc. in deſto ſchönere Harmonie 30
zurük. Könt’ es der Leiſtſchneider noch mitnehmen: ſo wäre mir der
Empfang des Oberons ſehr lieb. — Die Lina iſt nichts für dich.
Den ganzen Sontag verſas und verruhte ich bei Herold.
[343]
Schik mir das de prodigo und mehr.
Am Sontag mus ich meinen Fälbel wieder haben, den ich erſt 4, 5 mal 35
wiedergebären ſolte eh er durch deine Zuckerraffinerie ſolte. Denn es
wird ſicher kein Stük von mir ſo oft geleſen als ichs geſchrieben.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/350>, abgerufen am 04.07.2024.
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