Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.der Phantasie wäre aufzutreiben und zu erspringen gewesen. Sauer Dafür aber, daß ich von Tage zu Tag vernünftiger wurde (welches Blos das anarchische Wetter hielt mich ab, meine äusserste Ab- [343]Den ganzen Sontag versas und verruhte ich bei Herold. Schik mir das de prodigo und mehr. Am Sontag mus ich meinen Fälbel wieder haben, den ich erst 4, 5 mal35 der Phantaſie wäre aufzutreiben und zu erſpringen geweſen. Sauer Dafür aber, daß ich von Tage zu Tag vernünftiger wurde (welches Blos das anarchiſche Wetter hielt mich ab, meine äuſſerſte Ab- [343]Den ganzen Sontag verſas und verruhte ich bei Herold. Schik mir das de prodigo und mehr. Am Sontag mus ich meinen Fälbel wieder haben, den ich erſt 4, 5 mal35 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0350" n="324"/> der Phantaſie wäre aufzutreiben und zu erſpringen geweſen. Sauer<lb/> wirds, ſo vernünftig zu ſein. Da ich aber doch gar zu langweilig<lb/> werden könte und da ich den Orbilius in ſovielen Seiten noch nicht<lb/> über Schwarzenbach hinausgebracht habe: ſo wil ich ihn vorläufig<lb/> ſizen laſſen wo er ſizt, damit er dir ſize und du durch deine Kritik mir<lb n="5"/> Mühe erſpareſt oder belohneſt. Ich werde dem Schul-Emigranten von<lb/> Minute zu Minute feinder ie länger ich ihn beſchreibe. — Sag alles<lb/> recht gerade heraus: nur muſt du, wenns zu machen iſt, Tadel mit<lb/> Lob verſilbern, um welches ich dich ausdrüklich erſuche. Im halben<lb/> Ernſte: es wird mir wol thun und ich werde wiſſen woran ich bin,<lb n="10"/> wenn du mir meine <hi rendition="#aq">lucida intervalla</hi> deutlich angiebſt. Das würde<lb/> anſpornen. Denn ſolche Stunden, wo man ſein eigner Provokant iſt<lb/> und wo man das Ohrenklingen der 2<hi rendition="#sup">ten</hi> Trompete der Fama hat,<lb/> ſchlagen für mich ſo oft wie für dich (nur daß du es noch 13 mal weiter<lb/> treibſt) und man mus iemand haben, deſſen Stimme man ſeiner eignen<lb n="15"/> entgegenſezt. — Eile aber und gieb mir Sontags alles wieder.</p><lb/> <p>Dafür aber, daß ich von Tage zu Tag vernünftiger wurde (welches<lb/> ich mir nimmer verbergen kan) — erlaube mir, daß ich auch einmal<lb/> etwas recht Närriſches laiche. So ein Vergnügen, womit ich Haber-<lb/> mans Reiſe in <metamark>[</metamark>den<metamark>]</metamark> Teufels Papieren machte, indem ich das rechte<lb n="20"/> Bein am arktiſchen Pole und das linke am antarktiſchen hatte —<lb/> giebts ſchwerlich mehr, du müſteſt mir denn erlauben, mir es und die<lb/> Reiſe noch einmal zu machen. Verſicherſt du mir alſo, daß ſolche Seil-<lb/> tänze den Leſer nicht gar zu unangenehm affizieren: ſo mach ichs und<lb/> ich freue mich ſchon darauf. Thue mir den Gefallen und erlaube<lb n="25"/> mir dieſe Tour, da ich Fälb<metamark>[</metamark>els<metamark>]</metamark> ſeine ſo ordentlich und geographiſch<lb/> mache.</p><lb/> <p>Blos das anarchiſche Wetter hielt mich ab, meine äuſſerſte Ab-<lb/> arbeitung am Morgen durch den Abend und durch Hof zu heilen. Dafür<lb/> trit der Himmel am Freitag ꝛc. ꝛc. ꝛc. in deſto ſchönere Harmonie<lb n="30"/> zurük. Könt’ es der Leiſtſchneider noch mitnehmen: ſo wäre mir der<lb/> Empfang des Oberons ſehr lieb. — Die Lina iſt nichts für dich.</p><lb/> <p><note place="left"><ref target="1922_Bd#_343">[343]</ref></note>Den ganzen Sontag verſas und verruhte ich bei Herold.</p><lb/> <p>Schik mir das <hi rendition="#aq">de prodigo</hi> und mehr.</p><lb/> <p>Am Sontag mus ich meinen Fälbel wieder haben, den ich erſt 4, 5 mal<lb n="35"/> wiedergebären ſolte eh er durch deine Zuckerraffinerie ſolte. Denn es<lb/> wird ſicher kein Stük von mir ſo oft geleſen als ichs geſchrieben.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [324/0350]
der Phantaſie wäre aufzutreiben und zu erſpringen geweſen. Sauer
wirds, ſo vernünftig zu ſein. Da ich aber doch gar zu langweilig
werden könte und da ich den Orbilius in ſovielen Seiten noch nicht
über Schwarzenbach hinausgebracht habe: ſo wil ich ihn vorläufig
ſizen laſſen wo er ſizt, damit er dir ſize und du durch deine Kritik mir 5
Mühe erſpareſt oder belohneſt. Ich werde dem Schul-Emigranten von
Minute zu Minute feinder ie länger ich ihn beſchreibe. — Sag alles
recht gerade heraus: nur muſt du, wenns zu machen iſt, Tadel mit
Lob verſilbern, um welches ich dich ausdrüklich erſuche. Im halben
Ernſte: es wird mir wol thun und ich werde wiſſen woran ich bin, 10
wenn du mir meine lucida intervalla deutlich angiebſt. Das würde
anſpornen. Denn ſolche Stunden, wo man ſein eigner Provokant iſt
und wo man das Ohrenklingen der 2ten Trompete der Fama hat,
ſchlagen für mich ſo oft wie für dich (nur daß du es noch 13 mal weiter
treibſt) und man mus iemand haben, deſſen Stimme man ſeiner eignen 15
entgegenſezt. — Eile aber und gieb mir Sontags alles wieder.
Dafür aber, daß ich von Tage zu Tag vernünftiger wurde (welches
ich mir nimmer verbergen kan) — erlaube mir, daß ich auch einmal
etwas recht Närriſches laiche. So ein Vergnügen, womit ich Haber-
mans Reiſe in [den] Teufels Papieren machte, indem ich das rechte 20
Bein am arktiſchen Pole und das linke am antarktiſchen hatte —
giebts ſchwerlich mehr, du müſteſt mir denn erlauben, mir es und die
Reiſe noch einmal zu machen. Verſicherſt du mir alſo, daß ſolche Seil-
tänze den Leſer nicht gar zu unangenehm affizieren: ſo mach ichs und
ich freue mich ſchon darauf. Thue mir den Gefallen und erlaube 25
mir dieſe Tour, da ich Fälb[els] ſeine ſo ordentlich und geographiſch
mache.
Blos das anarchiſche Wetter hielt mich ab, meine äuſſerſte Ab-
arbeitung am Morgen durch den Abend und durch Hof zu heilen. Dafür
trit der Himmel am Freitag ꝛc. ꝛc. ꝛc. in deſto ſchönere Harmonie 30
zurük. Könt’ es der Leiſtſchneider noch mitnehmen: ſo wäre mir der
Empfang des Oberons ſehr lieb. — Die Lina iſt nichts für dich.
Den ganzen Sontag verſas und verruhte ich bei Herold.
[343]
Schik mir das de prodigo und mehr.
Am Sontag mus ich meinen Fälbel wieder haben, den ich erſt 4, 5 mal 35
wiedergebären ſolte eh er durch deine Zuckerraffinerie ſolte. Denn es
wird ſicher kein Stük von mir ſo oft geleſen als ichs geſchrieben.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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