diesen Merkurius zu fixieren. Wäre mehr Papier übrig: ich wiederholte meine Bitte noch 20 mal.
333. An Beata Schäffer, geb. von Spangenberg.
[Kopie][Schwarzenbach, 8. Aug. 1790. Sonntag]
Ich erscheine so bücherarm vor Ihnen, daß ich besser gar nicht5 [318]erschiene: denn durch das beiliegende Geschriebne werd' ich das Gedrukte weniger ersezen als erst unentbehrlich machen. Meine Absicht war aber auch nur, mir selbst einen Gefallen zu thun und an Sie einen Brief zu schreiben, damit ich pralen und sagen könte, ich habe an das vor- treflichste Frauenzimmer, das ich in meinem närrischen blos tockierten10 Leben gesehen, einen kurzen Brief geschrieben, in dem ich wenigstens mit todten Worten etc.
Das schönste Schiksal dieser Aufsäze wäre, bei Ihnen zu bleiben; das schlimste wäre, wenns ihnen mislänge, das Herz und die Empfindung eines armen Satirenmachers zu rechtfertigen und zu beweisen, daß ich15 nicht unwerth war, einen Freund zu haben und dessen Freundin zu kennen. -- Mögen Ihre Tage so schön sein wie Sie -- Ihr Schiksal so sanft wie Ihr Karakter -- Ihre Freunde so gut wie Ihr voraus- gegangner -- Ihr Leben so lang bis Sie sich d. h. Ihr Kind beglücket haben -- und möge Ihr Geist nach einem langen Tage, dem er Stralen20 gab, sanft durch eine stille Abendröthe hindurch in den Himmel sinken.
334. An A. G. von Spangenberg in Venzka.
[Kopie][Schwarzenbach, 8. Aug. 1790]
[Sie] müssen ein halbes Blat aus meinem Lebenstagebuch lesen:25
"Der 27 etc. Jul. waren vielleicht ein Paar pränumerierte Tage aus einem himlischen Julius, die in meinen irdischen Kalender nicht gehören. Ich [habe] nichts mehr davon übrig als die Erinnerung, diesen stillen Nachsommer der menschlichen Freude, und als den Dank dafür, der aber keinem Menschen nüzt als mir, weil der Dank für ein30 Vergnügen selbst ein neues ist. Mögen die edlen Menschen, die so glüklich machen, es selbst immer sein und die Fortdauer ihres Glüks für seine Vermehrung halten. Wenn mein Betalliierter und Schlaf- associe sich an meinem Buch genug eingeschläfert hat: ... für die mit-
dieſen Merkurius zu fixieren. Wäre mehr Papier übrig: ich wiederholte meine Bitte noch 20 mal.
333. An Beata Schäffer, geb. von Spangenberg.
[Kopie][Schwarzenbach, 8. Aug. 1790. Sonntag]
Ich erſcheine ſo bücherarm vor Ihnen, daß ich beſſer gar nicht5 [318]erſchiene: denn durch das beiliegende Geſchriebne werd’ ich das Gedrukte weniger erſezen als erſt unentbehrlich machen. Meine Abſicht war aber auch nur, mir ſelbſt einen Gefallen zu thun und an Sie einen Brief zu ſchreiben, damit ich pralen und ſagen könte, ich habe an das vor- treflichſte Frauenzimmer, das ich in meinem närriſchen blos tockierten10 Leben geſehen, einen kurzen Brief geſchrieben, in dem ich wenigſtens mit todten Worten ꝛc.
Das ſchönſte Schikſal dieſer Aufſäze wäre, bei Ihnen zu bleiben; das ſchlimſte wäre, wenns ihnen mislänge, das Herz und die Empfindung eines armen Satirenmachers zu rechtfertigen und zu beweiſen, daß ich15 nicht unwerth war, einen Freund zu haben und deſſen Freundin zu kennen. — Mögen Ihre Tage ſo ſchön ſein wie Sie — Ihr Schikſal ſo ſanft wie Ihr Karakter — Ihre Freunde ſo gut wie Ihr voraus- gegangner — Ihr Leben ſo lang bis Sie ſich d. h. Ihr Kind beglücket haben — und möge Ihr Geiſt nach einem langen Tage, dem er Stralen20 gab, ſanft durch eine ſtille Abendröthe hindurch in den Himmel ſinken.
334. An A. G. von Spangenberg in Venzka.
[Kopie][Schwarzenbach, 8. Aug. 1790]
[Sie] müſſen ein halbes Blat aus meinem Lebenstagebuch leſen:25
„Der 27 ꝛc. Jul. waren vielleicht ein Paar pränumerierte Tage aus einem himliſchen Julius, die in meinen irdiſchen Kalender nicht gehören. Ich [habe] nichts mehr davon übrig als die Erinnerung, dieſen ſtillen Nachſommer der menſchlichen Freude, und als den Dank dafür, der aber keinem Menſchen nüzt als mir, weil der Dank für ein30 Vergnügen ſelbſt ein neues iſt. Mögen die edlen Menſchen, die ſo glüklich machen, es ſelbſt immer ſein und die Fortdauer ihres Glüks für ſeine Vermehrung halten. Wenn mein Betalliierter und Schlaf- associé ſich an meinem Buch genug eingeſchläfert hat: … für die mit-
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0328"n="302"/>
dieſen Merkurius zu fixieren. Wäre mehr Papier übrig: ich wiederholte<lb/>
meine Bitte noch 20 mal.</p></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>333. An <hirendition="#g">Beata Schäffer, geb. von Spangenberg.</hi></head><lb/><notetype="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note><dateline><hirendition="#right"><metamark>[</metamark>Schwarzenbach, 8. Aug. 1790. Sonntag<metamark>]</metamark></hi></dateline><lb/><p>Ich erſcheine ſo bücherarm vor Ihnen, daß ich beſſer gar nicht<lbn="5"/><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd#_318">[318]</ref></note>erſchiene: denn durch das beiliegende Geſchriebne werd’ ich das Gedrukte<lb/>
weniger erſezen als erſt unentbehrlich machen. Meine Abſicht war<lb/>
aber auch nur, mir ſelbſt einen Gefallen zu thun und an Sie einen Brief<lb/>
zu ſchreiben, damit ich pralen und ſagen könte, ich habe an das vor-<lb/>
treflichſte Frauenzimmer, das ich in meinem närriſchen blos tockierten<lbn="10"/>
Leben geſehen, einen kurzen Brief geſchrieben, in dem ich wenigſtens<lb/>
mit todten Worten ꝛc.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Das ſchönſte Schikſal dieſer Aufſäze wäre, bei Ihnen zu bleiben; das<lb/>ſchlimſte wäre, wenns ihnen mislänge, das Herz und die Empfindung<lb/>
eines armen Satirenmachers zu rechtfertigen und zu beweiſen, daß ich<lbn="15"/>
nicht unwerth war, einen Freund zu haben und deſſen Freundin zu<lb/>
kennen. — Mögen Ihre Tage ſo ſchön ſein wie Sie — Ihr Schikſal<lb/>ſo ſanft wie Ihr Karakter — Ihre Freunde ſo gut wie Ihr voraus-<lb/>
gegangner — Ihr Leben ſo lang bis Sie ſich d. h. Ihr Kind beglücket<lb/>
haben — und möge Ihr Geiſt nach einem langen Tage, dem er Stralen<lbn="20"/>
gab, ſanft durch eine ſtille Abendröthe hindurch in den Himmel<lb/>ſinken.</p></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>334. An A. G. <hirendition="#g">von Spangenberg in Venzka.</hi></head><lb/><notetype="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note><dateline><hirendition="#right"><metamark>[</metamark>Schwarzenbach, 8. Aug. 1790<metamark>]</metamark></hi></dateline><lb/><p><metamark>[</metamark>Sie<metamark>]</metamark> müſſen ein halbes Blat aus meinem Lebenstagebuch leſen:<lbn="25"/></p><p>„Der 27 ꝛc. Jul. waren vielleicht ein Paar pränumerierte Tage aus<lb/>
einem himliſchen Julius, die in meinen irdiſchen Kalender nicht<lb/>
gehören. Ich <metamark>[</metamark>habe<metamark>]</metamark> nichts mehr davon übrig als die Erinnerung,<lb/>
dieſen ſtillen Nachſommer der menſchlichen Freude, und als den Dank<lb/>
dafür, der aber keinem Menſchen nüzt als mir, weil der Dank für ein<lbn="30"/>
Vergnügen ſelbſt ein neues iſt. Mögen die edlen Menſchen, die ſo<lb/>
glüklich machen, es ſelbſt immer ſein und die Fortdauer ihres Glüks<lb/>
für ſeine Vermehrung halten. Wenn mein Betalliierter und Schlaf-<lb/><hirendition="#aq">associé</hi>ſich an meinem Buch genug eingeſchläfert hat: … für die mit-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[302/0328]
dieſen Merkurius zu fixieren. Wäre mehr Papier übrig: ich wiederholte
meine Bitte noch 20 mal.
333. An Beata Schäffer, geb. von Spangenberg.
[Schwarzenbach, 8. Aug. 1790. Sonntag]
Ich erſcheine ſo bücherarm vor Ihnen, daß ich beſſer gar nicht 5
erſchiene: denn durch das beiliegende Geſchriebne werd’ ich das Gedrukte
weniger erſezen als erſt unentbehrlich machen. Meine Abſicht war
aber auch nur, mir ſelbſt einen Gefallen zu thun und an Sie einen Brief
zu ſchreiben, damit ich pralen und ſagen könte, ich habe an das vor-
treflichſte Frauenzimmer, das ich in meinem närriſchen blos tockierten 10
Leben geſehen, einen kurzen Brief geſchrieben, in dem ich wenigſtens
mit todten Worten ꝛc.
[318]
Das ſchönſte Schikſal dieſer Aufſäze wäre, bei Ihnen zu bleiben; das
ſchlimſte wäre, wenns ihnen mislänge, das Herz und die Empfindung
eines armen Satirenmachers zu rechtfertigen und zu beweiſen, daß ich 15
nicht unwerth war, einen Freund zu haben und deſſen Freundin zu
kennen. — Mögen Ihre Tage ſo ſchön ſein wie Sie — Ihr Schikſal
ſo ſanft wie Ihr Karakter — Ihre Freunde ſo gut wie Ihr voraus-
gegangner — Ihr Leben ſo lang bis Sie ſich d. h. Ihr Kind beglücket
haben — und möge Ihr Geiſt nach einem langen Tage, dem er Stralen 20
gab, ſanft durch eine ſtille Abendröthe hindurch in den Himmel
ſinken.
334. An A. G. von Spangenberg in Venzka.
[Schwarzenbach, 8. Aug. 1790]
[Sie] müſſen ein halbes Blat aus meinem Lebenstagebuch leſen: 25
„Der 27 ꝛc. Jul. waren vielleicht ein Paar pränumerierte Tage aus
einem himliſchen Julius, die in meinen irdiſchen Kalender nicht
gehören. Ich [habe] nichts mehr davon übrig als die Erinnerung,
dieſen ſtillen Nachſommer der menſchlichen Freude, und als den Dank
dafür, der aber keinem Menſchen nüzt als mir, weil der Dank für ein 30
Vergnügen ſelbſt ein neues iſt. Mögen die edlen Menſchen, die ſo
glüklich machen, es ſelbſt immer ſein und die Fortdauer ihres Glüks
für ſeine Vermehrung halten. Wenn mein Betalliierter und Schlaf-
associé ſich an meinem Buch genug eingeſchläfert hat: … für die mit-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/328>, abgerufen am 04.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.