Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ich komme bald" sagt die Apokalypsis und ich. Denn ich habe
ohnehin blos die Wahl, Sie entweder noch im Herbst oder im Mai zu
sehen, weil der Winter diesen langen Weg verbietet und verbauet.
Leider bleib' ich nachher auch mehr als Eine Nacht bei Ihnen.

Sein Sie so glüklich wie Ihre Beichtkinder daß sie Sie haben und5
schreiben Sie mehr und länger an und über mich. Ich habe die Ehre
mich den vier genanten Augen zu empfehlen und bin mit gröster
Hochachtung

Ew. Hoch Ehrwürden
gehors. Diener und Freund10
J. P. F. Richter
287. In ein Stammbuch.
[Kopie]

Wie einer der die Sonne untergehen sah, von Hügel zu Hügel
klettert, um ihren Untergang noch einmal zu sehen und wie iede15
[291]neue Höhe ihm den Untergang wiederholet: so zieht der arme Sterb-
liche von Hofnung zu Hofnung und trit höher, um von den Freuden,
die untergesunken, noch einmal Stralen ins Angesicht zu bekommen
und ihren Untergang weniger zu verschieben als zu verdoppeln ..
Trit höher und stosse die Erde zurük: so geht keine Freude und keine20
Sonne mehr unter, sondern beide stehen.

Diese 14 Zeilen hab' ich gemacht, nicht um Sie an mich
-- sondern um mich an Sie zu erinnern, wenn ich in
der Abendsonne spazieren gehe und an die Menschen
denke, die ihr und ihrem Abschied ähnlich.25

288. An Kammerrat von Oerthel in Töpen.
[Kopie]

.. das Geschenk des Buchs werden Sie doch für keine Grobheit
halten, sonst wolt' ich höflicher gewesen sein -- Da ich das Glük habe,
mit einer Girlande [?] und Garnitur von Gläubigern umzogen in der30
Welt herumzugehen: so kan ich Sie, da das Kreditorenkorps nicht
soviel wie Sie allein besizt, nicht eher bezahlen, bis ich die minder
reichen bezahlt habe. -- Sie sehen aber, da ich soviel Schulden ge-
macht, wieviel ich Satiren machen [mus], sie zu tilgen. .. da ich das
Blut, das Ihre Briefe kochen genug liessen, abzukühlen und zu be-35
herschen trachtete: so sehen Sie, daß ich noch immer suche, zu sein etc.

„Ich komme bald“ ſagt die Apokalypſis und ich. Denn ich habe
ohnehin blos die Wahl, Sie entweder noch im Herbſt oder im Mai zu
ſehen, weil der Winter dieſen langen Weg verbietet und verbauet.
Leider bleib’ ich nachher auch mehr als Eine Nacht bei Ihnen.

Sein Sie ſo glüklich wie Ihre Beichtkinder daß ſie Sie haben und5
ſchreiben Sie mehr und länger an und über mich. Ich habe die Ehre
mich den vier genanten Augen zu empfehlen und bin mit gröſter
Hochachtung

Ew. Hoch Ehrwürden
gehorſ. Diener und Freund10
J. P. F. Richter
287. In ein Stammbuch.
[Kopie]

Wie einer der die Sonne untergehen ſah, von Hügel zu Hügel
klettert, um ihren Untergang noch einmal zu ſehen und wie iede15
[291]neue Höhe ihm den Untergang wiederholet: ſo zieht der arme Sterb-
liche von Hofnung zu Hofnung und trit höher, um von den Freuden,
die untergeſunken, noch einmal Stralen ins Angeſicht zu bekommen
und ihren Untergang weniger zu verſchieben als zu verdoppeln ..
Trit höher und ſtoſſe die Erde zurük: ſo geht keine Freude und keine20
Sonne mehr unter, ſondern beide ſtehen.

Dieſe 14 Zeilen hab’ ich gemacht, nicht um Sie an mich
— ſondern um mich an Sie zu erinnern, wenn ich in
der Abendſonne ſpazieren gehe und an die Menſchen
denke, die ihr und ihrem Abſchied ähnlich.25

288. An Kammerrat von Oerthel in Töpen.
[Kopie]

.. das Geſchenk des Buchs werden Sie doch für keine Grobheit
halten, ſonſt wolt’ ich höflicher geweſen ſein — Da ich das Glük habe,
mit einer Girlande [?] und Garnitur von Gläubigern umzogen in der30
Welt herumzugehen: ſo kan ich Sie, da das Kreditorenkorps nicht
ſoviel wie Sie allein beſizt, nicht eher bezahlen, bis ich die minder
reichen bezahlt habe. — Sie ſehen aber, da ich ſoviel Schulden ge-
macht, wieviel ich Satiren machen [mus], ſie zu tilgen. .. da ich das
Blut, das Ihre Briefe kochen genug lieſſen, abzukühlen und zu be-35
herſchen trachtete: ſo ſehen Sie, daß ich noch immer ſuche, zu ſein ꝛc.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <pb facs="#f0301" n="276"/>
        <p>&#x201E;Ich komme bald&#x201C; &#x017F;agt die Apokalyp&#x017F;is und ich. Denn ich habe<lb/>
ohnehin blos die Wahl, Sie entweder noch im Herb&#x017F;t oder im Mai zu<lb/>
&#x017F;ehen, weil der Winter die&#x017F;en langen Weg verbietet und verbauet.<lb/>
Leider bleib&#x2019; ich nachher auch mehr als Eine Nacht bei Ihnen.</p><lb/>
        <p>Sein Sie &#x017F;o glüklich wie Ihre Beichtkinder daß &#x017F;ie Sie haben und<lb n="5"/>
&#x017F;chreiben Sie mehr und länger an und über mich. Ich habe die Ehre<lb/>
mich den <hi rendition="#g">vier</hi> genanten Augen zu empfehlen und bin mit grö&#x017F;ter<lb/>
Hochachtung</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Ew. Hoch Ehrwürden<lb/>
gehor&#x017F;. Diener und Freund<lb n="10"/>
J. P. F. Richter</hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>287. <hi rendition="#g">In ein Stammbuch.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note>
        <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>Hof, 17. Okt. 1789<metamark>]</metamark></hi> </dateline><lb/>
        <p>Wie einer der die Sonne untergehen &#x017F;ah, von Hügel zu Hügel<lb/>
klettert, um ihren Untergang noch einmal zu &#x017F;ehen und wie iede<lb n="15"/>
<note place="left"><ref target="1922_Bd#_291">[291]</ref></note>neue Höhe ihm den Untergang wiederholet: &#x017F;o zieht der arme Sterb-<lb/>
liche von Hofnung zu Hofnung und trit höher, um von den Freuden,<lb/>
die unterge&#x017F;unken, noch einmal Stralen ins Ange&#x017F;icht zu bekommen<lb/>
und ihren Untergang weniger zu ver&#x017F;chieben als zu verdoppeln ..<lb/>
Trit höher und &#x017F;to&#x017F;&#x017F;e die Erde zurük: &#x017F;o geht keine Freude und keine<lb n="20"/>
Sonne mehr unter, &#x017F;ondern beide <hi rendition="#g">&#x017F;tehen.</hi></p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">Die&#x017F;e 14 Zeilen hab&#x2019; ich gemacht, nicht um Sie an mich<lb/>
&#x2014; &#x017F;ondern um mich an Sie zu erinnern, wenn ich in<lb/>
der Abend&#x017F;onne &#x017F;pazieren gehe und an die Men&#x017F;chen<lb/>
denke, die ihr und ihrem Ab&#x017F;chied ähnlich.<lb n="25"/>
</hi> </p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>288. An <hi rendition="#g">Kammerrat von Oerthel in Töpen.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note>
        <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>Hof, 19. Okt. 1789<metamark>]</metamark></hi> </dateline><lb/>
        <p>.. das Ge&#x017F;chenk des Buchs werden Sie doch für keine Grobheit<lb/>
halten, &#x017F;on&#x017F;t wolt&#x2019; ich höflicher gewe&#x017F;en &#x017F;ein &#x2014; Da ich das Glük habe,<lb/>
mit einer Girlande <metamark>[?]</metamark> und Garnitur von Gläubigern umzogen in der<lb n="30"/>
Welt herumzugehen: &#x017F;o kan ich Sie, da das Kreditorenkorps nicht<lb/>
&#x017F;oviel wie Sie allein be&#x017F;izt, nicht eher bezahlen, bis ich die minder<lb/>
reichen bezahlt habe. &#x2014; Sie &#x017F;ehen aber, da ich &#x017F;oviel Schulden ge-<lb/>
macht, wieviel ich Satiren machen <metamark>[</metamark>mus<metamark>]</metamark>, &#x017F;ie zu tilgen. .. da ich das<lb/>
Blut, das Ihre Briefe kochen genug lie&#x017F;&#x017F;en, abzukühlen und zu be-<lb n="35"/>
her&#x017F;chen trachtete: &#x017F;o &#x017F;ehen Sie, daß ich noch immer &#x017F;uche, zu &#x017F;ein &#xA75B;c.</p>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0301] „Ich komme bald“ ſagt die Apokalypſis und ich. Denn ich habe ohnehin blos die Wahl, Sie entweder noch im Herbſt oder im Mai zu ſehen, weil der Winter dieſen langen Weg verbietet und verbauet. Leider bleib’ ich nachher auch mehr als Eine Nacht bei Ihnen. Sein Sie ſo glüklich wie Ihre Beichtkinder daß ſie Sie haben und 5 ſchreiben Sie mehr und länger an und über mich. Ich habe die Ehre mich den vier genanten Augen zu empfehlen und bin mit gröſter Hochachtung Ew. Hoch Ehrwürden gehorſ. Diener und Freund 10 J. P. F. Richter 287. In ein Stammbuch. [Hof, 17. Okt. 1789] Wie einer der die Sonne untergehen ſah, von Hügel zu Hügel klettert, um ihren Untergang noch einmal zu ſehen und wie iede 15 neue Höhe ihm den Untergang wiederholet: ſo zieht der arme Sterb- liche von Hofnung zu Hofnung und trit höher, um von den Freuden, die untergeſunken, noch einmal Stralen ins Angeſicht zu bekommen und ihren Untergang weniger zu verſchieben als zu verdoppeln .. Trit höher und ſtoſſe die Erde zurük: ſo geht keine Freude und keine 20 Sonne mehr unter, ſondern beide ſtehen. [291] Dieſe 14 Zeilen hab’ ich gemacht, nicht um Sie an mich — ſondern um mich an Sie zu erinnern, wenn ich in der Abendſonne ſpazieren gehe und an die Menſchen denke, die ihr und ihrem Abſchied ähnlich. 25 288. An Kammerrat von Oerthel in Töpen. [Hof, 19. Okt. 1789] .. das Geſchenk des Buchs werden Sie doch für keine Grobheit halten, ſonſt wolt’ ich höflicher geweſen ſein — Da ich das Glük habe, mit einer Girlande [?] und Garnitur von Gläubigern umzogen in der 30 Welt herumzugehen: ſo kan ich Sie, da das Kreditorenkorps nicht ſoviel wie Sie allein beſizt, nicht eher bezahlen, bis ich die minder reichen bezahlt habe. — Sie ſehen aber, da ich ſoviel Schulden ge- macht, wieviel ich Satiren machen [mus], ſie zu tilgen. .. da ich das Blut, das Ihre Briefe kochen genug lieſſen, abzukühlen und zu be- 35 herſchen trachtete: ſo ſehen Sie, daß ich noch immer ſuche, zu ſein ꝛc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/301
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/301>, abgerufen am 24.11.2024.