wundet." Zorn! der du meinen guten Freund so sehr misleiten kanst; ich kan dich nicht mehr leiden und du darfst nicht hoffen, mich gleichfals zu bethören und mir gegen ihn die Hand zu führen. -- Darum wollen wir einander alles vergeben und wenn ich Ihren Brief vergebe, so thu' ichs nicht umsonst: denn Sie haben mir auch etwas zu vergeben5 etc.... Hat sich Ihre Abneigung gegen mich auch Ihren lieben An- gehörigen mitgetheilt: so verschaffen Sie mir die alte Liebe wieder und lassen Sie den, der so lange in Ihrer Familie [?] der Isaak war, nicht länger den gehasten Ismael sein.
136. An Frau von Weitershausen in Hof.10
[Kopie][Hof, 29. Dez. 1785]
.. Vielleicht ist Ihre Antwort auf diese Bitte die Krone, die Sie Ihren guten Handlungen des vorigen Jahres aufsezen. -- Diese Erinnerung ans alte Jahr bringt mich darauf, daß alles eitel ist, alles und das Elend und Hof und dieser Brief; nur nicht ein tugendhaftes15 Herz und die Hochachtung etc.
137. An Oerthel in Töpen.
[Nicht abgeschickt][Hof, Ende 1785 oder 1786]
Lieber Oerthel,
Das Reisen nüzet viel und ist für den Geist, dessen unaufhörlich20 sizende Lebensart -- denn er durchliefe gern einen Raum, aber er hat[202] es noch nicht einmal so weit gebracht, daß er einen einnähme -- uns allen wol bekant ist, eine schöne Art von Mozion: lieber Himmel, wie viel würden wir beide, ich und du, nicht darum geben, wenn unsere Seele nicht im Kopfe sässe, sondern in unserer Erde als eine Art von25 Weltseele? In ieder Stunde könten wir über 1000 Poststazionen fahren und am Neuiahrsh. Abend viel klüger zurükkommen; welchen Vortheil iezt blos die Seele in unserer Erde allein geniesset. Indessen machest du doch die stete Bewegung der Weltseele, die iedes Jahr die grosse Tour durch unser Planetensystem macht, gut genug nach und30 reitest von Zeit zu Zeit herein. Allein denke doch ia nicht, daß du damit schon sehr viel gethan; denn der Erdboden ist gar gros und eine Meile ist darauf soviel wie nichts
wundet.“ Zorn! der du meinen guten Freund ſo ſehr misleiten kanſt; ich kan dich nicht mehr leiden und du darfſt nicht hoffen, mich gleichfals zu bethören und mir gegen ihn die Hand zu führen. — Darum wollen wir einander alles vergeben und wenn ich Ihren Brief vergebe, ſo thu’ ichs nicht umſonſt: denn Sie haben mir auch etwas zu vergeben5 ꝛc.... Hat ſich Ihre Abneigung gegen mich auch Ihren lieben An- gehörigen mitgetheilt: ſo verſchaffen Sie mir die alte Liebe wieder und laſſen Sie den, der ſo lange in Ihrer Familie [?] der Iſaak war, nicht länger den gehaſten Iſmael ſein.
136. An Frau von Weitershauſen in Hof.10
[Kopie][Hof, 29. Dez. 1785]
.. Vielleicht iſt Ihre Antwort auf dieſe Bitte die Krone, die Sie Ihren guten Handlungen des vorigen Jahres aufſezen. — Dieſe Erinnerung ans alte Jahr bringt mich darauf, daß alles eitel iſt, alles und das Elend und Hof und dieſer Brief; nur nicht ein tugendhaftes15 Herz und die Hochachtung ꝛc.
137. An Oerthel in Töpen.
[Nicht abgeſchickt][Hof, Ende 1785 oder 1786]
Lieber Oerthel,
Das Reiſen nüzet viel und iſt für den Geiſt, deſſen unaufhörlich20 ſizende Lebensart — denn er durchliefe gern einen Raum, aber er hat[202] es noch nicht einmal ſo weit gebracht, daß er einen einnähme — uns allen wol bekant iſt, eine ſchöne Art von Mozion: lieber Himmel, wie viel würden wir beide, ich und du, nicht darum geben, wenn unſere Seele nicht im Kopfe ſäſſe, ſondern in unſerer Erde als eine Art von25 Weltſeele? In ieder Stunde könten wir über 1000 Poſtſtazionen fahren und am Neuiahrsh. Abend viel klüger zurükkommen; welchen Vortheil iezt blos die Seele in unſerer Erde allein genieſſet. Indeſſen macheſt du doch die ſtete Bewegung der Weltſeele, die iedes Jahr die groſſe Tour durch unſer Planetenſyſtem macht, gut genug nach und30 reiteſt von Zeit zu Zeit herein. Allein denke doch ia nicht, daß du damit ſchon ſehr viel gethan; denn der Erdboden iſt gar gros und eine Meile iſt darauf ſoviel wie nichts
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0216"n="191"/>
wundet.“ Zorn! der du meinen guten Freund ſo ſehr misleiten kanſt;<lb/>
ich kan dich nicht mehr leiden und du darfſt nicht hoffen, mich gleichfals<lb/>
zu bethören und mir gegen ihn die Hand zu führen. — Darum wollen<lb/>
wir einander alles vergeben und wenn ich Ihren Brief vergebe, ſo<lb/>
thu’ ichs nicht umſonſt: denn Sie haben mir auch etwas zu vergeben<lbn="5"/>ꝛc.... Hat ſich Ihre Abneigung gegen mich auch Ihren lieben An-<lb/>
gehörigen mitgetheilt: ſo verſchaffen Sie mir die alte Liebe wieder und<lb/>
laſſen Sie den, der ſo lange in Ihrer Familie <metamark>[?]</metamark> der Iſaak war, nicht<lb/>
länger den gehaſten Iſmael ſein.</p></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>136. An <hirendition="#g">Frau von Weitershauſen in Hof.</hi><lbn="10"/></head><notetype="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note><dateline><hirendition="#right"><metamark>[</metamark>Hof, 29. Dez. 1785<metamark>]</metamark></hi></dateline><lb/><p>.. Vielleicht iſt Ihre Antwort auf dieſe Bitte die Krone, die Sie<lb/>
Ihren guten Handlungen des vorigen Jahres aufſezen. — Dieſe<lb/>
Erinnerung ans alte Jahr bringt mich darauf, daß alles eitel iſt, alles<lb/>
und das Elend und Hof und dieſer Brief; nur nicht ein tugendhaftes<lbn="15"/>
Herz und die Hochachtung ꝛc.</p></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>137. An <hirendition="#g">Oerthel in Töpen.</hi></head><lb/><notetype="editorial"><metamark>[</metamark>Nicht abgeſchickt<metamark>]</metamark></note><dateline><hirendition="#right"><metamark>[</metamark>Hof, Ende 1785 oder 1786<metamark>]</metamark></hi></dateline><lb/><opener><salute><hirendition="#et">Lieber Oerthel,</hi></salute></opener><lb/><p>Das Reiſen nüzet viel und iſt für den Geiſt, deſſen unaufhörlich<lbn="20"/>ſizende Lebensart — denn er durchliefe gern einen Raum, aber er hat<noteplace="right"><reftarget="1922_Bd#_202">[202]</ref></note><lb/>
es noch nicht einmal ſo weit gebracht, daß er einen einnähme — uns<lb/>
allen wol bekant iſt, eine ſchöne Art von Mozion: lieber Himmel, wie<lb/>
viel würden wir beide, ich und du, nicht darum geben, wenn unſere<lb/>
Seele nicht im Kopfe ſäſſe, ſondern in unſerer Erde als eine Art von<lbn="25"/>
Weltſeele? In ieder Stunde könten wir über 1000 Poſtſtazionen<lb/>
fahren und am Neuiahrsh. Abend viel klüger zurükkommen; welchen<lb/>
Vortheil iezt blos die Seele in unſerer Erde allein genieſſet. Indeſſen<lb/>
macheſt du doch die ſtete Bewegung der Weltſeele, die iedes Jahr die<lb/>
groſſe Tour durch unſer Planetenſyſtem macht, gut genug nach und<lbn="30"/>
reiteſt von Zeit zu Zeit herein. Allein denke doch ia nicht, daß du damit<lb/>ſchon ſehr viel gethan; denn der Erdboden iſt gar gros und eine Meile<lb/>
iſt darauf ſoviel wie nichts</p></div><lb/></body></text></TEI>
[191/0216]
wundet.“ Zorn! der du meinen guten Freund ſo ſehr misleiten kanſt;
ich kan dich nicht mehr leiden und du darfſt nicht hoffen, mich gleichfals
zu bethören und mir gegen ihn die Hand zu führen. — Darum wollen
wir einander alles vergeben und wenn ich Ihren Brief vergebe, ſo
thu’ ichs nicht umſonſt: denn Sie haben mir auch etwas zu vergeben 5
ꝛc.... Hat ſich Ihre Abneigung gegen mich auch Ihren lieben An-
gehörigen mitgetheilt: ſo verſchaffen Sie mir die alte Liebe wieder und
laſſen Sie den, der ſo lange in Ihrer Familie [?] der Iſaak war, nicht
länger den gehaſten Iſmael ſein.
136. An Frau von Weitershauſen in Hof. 10
[Hof, 29. Dez. 1785]
.. Vielleicht iſt Ihre Antwort auf dieſe Bitte die Krone, die Sie
Ihren guten Handlungen des vorigen Jahres aufſezen. — Dieſe
Erinnerung ans alte Jahr bringt mich darauf, daß alles eitel iſt, alles
und das Elend und Hof und dieſer Brief; nur nicht ein tugendhaftes 15
Herz und die Hochachtung ꝛc.
137. An Oerthel in Töpen.
[Hof, Ende 1785 oder 1786]
Lieber Oerthel,
Das Reiſen nüzet viel und iſt für den Geiſt, deſſen unaufhörlich 20
ſizende Lebensart — denn er durchliefe gern einen Raum, aber er hat
es noch nicht einmal ſo weit gebracht, daß er einen einnähme — uns
allen wol bekant iſt, eine ſchöne Art von Mozion: lieber Himmel, wie
viel würden wir beide, ich und du, nicht darum geben, wenn unſere
Seele nicht im Kopfe ſäſſe, ſondern in unſerer Erde als eine Art von 25
Weltſeele? In ieder Stunde könten wir über 1000 Poſtſtazionen
fahren und am Neuiahrsh. Abend viel klüger zurükkommen; welchen
Vortheil iezt blos die Seele in unſerer Erde allein genieſſet. Indeſſen
macheſt du doch die ſtete Bewegung der Weltſeele, die iedes Jahr die
groſſe Tour durch unſer Planetenſyſtem macht, gut genug nach und 30
reiteſt von Zeit zu Zeit herein. Allein denke doch ia nicht, daß du damit
ſchon ſehr viel gethan; denn der Erdboden iſt gar gros und eine Meile
iſt darauf ſoviel wie nichts
[202]
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/216>, abgerufen am 04.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.