Cicero's Ausspruch: "rerum copia verborum copiam gignit" (de Or. L. III. c. 31.) bleibt ewig wahr. Die Sprachlehren tragen auch ei¬ nen Theil der Schuld, aber hier ist nicht Zeit und Ort: "Deutsch über die Deutschen Sprachlehren" zu reden, und wider Wort¬ zwang, Sprachstapel, und Hochdeutscherei. Mehr noch mangelt es an einem Unterrichtsbuch für Lehrer und Schüler. Hülfsbücher sind ge¬ nug, mit vielem gesammelten Stoff, aber leider ohne Benutzung des Stufengangs, überdem mit Auslassung wichtiger Mittelglieder. Möge doch recht bald ein "Deutsches Sprachbuch," Lehre, Übungsschule, Anweisung enthaltend, er¬ scheinen, und die Wohlthat gewähren, "auf einem gebahnten Deutschen Wege Deutsch zu lernen." Wer die Mutterspra¬ che gründlich gelernt hat, findet sich leichter in allen andern Sprachen zurecht; zu den Büchern der Welt steht der Zugang ihm frei und offen. Gesang einer lebendigen Sprache übertönt das bloße Lautwerden einer nur le¬ benden. Dichtungskraft, und schöne Singbar¬ keit schmücken die unsere mit ursprünglicher Schönheit. Der zubescheidene Deutsche
Cicero's Ausſpruch: „rerum copia verborum copiam gignit“ (de Or. L. III. c. 31.) bleibt ewig wahr. Die Sprachlehren tragen auch ei¬ nen Theil der Schuld, aber hier iſt nicht Zeit und Ort: „Deutſch über die Deutſchen Sprachlehren“ zu reden, und wider Wort¬ zwang, Sprachſtapel, und Hochdeutſcherei. Mehr noch mangelt es an einem Unterrichtsbuch für Lehrer und Schüler. Hülfsbücher ſind ge¬ nug, mit vielem geſammelten Stoff, aber leider ohne Benutzung des Stufengangs, überdem mit Auslaſſung wichtiger Mittelglieder. Möge doch recht bald ein „Deutſches Sprachbuch,“ Lehre, Übungsſchule, Anweiſung enthaltend, er¬ ſcheinen, und die Wohlthat gewähren, „auf einem gebahnten Deutſchen Wege Deutſch zu lernen.“ Wer die Mutterſpra¬ che gründlich gelernt hat, findet ſich leichter in allen andern Sprachen zurecht; zu den Büchern der Welt ſteht der Zugang ihm frei und offen. Geſang einer lebendigen Sprache übertönt das bloße Lautwerden einer nur le¬ benden. Dichtungskraft, und ſchöne Singbar¬ keit ſchmücken die unſere mit urſprünglicher Schönheit. Der zubeſcheidene Deutſche
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0224"n="194"/><fwtype="pageNum"place="top">194<lb/></fw>Cicero's Ausſpruch: „<hirendition="#aq">rerum copia verborum<lb/>
copiam gignit“</hi> (<hirendition="#aq">de Or</hi>. <hirendition="#aq">L</hi>. <hirendition="#aq">III</hi>. <hirendition="#aq">c</hi>. 31.) bleibt<lb/>
ewig wahr. Die Sprachlehren tragen auch ei¬<lb/>
nen Theil der Schuld, aber hier iſt nicht Zeit<lb/>
und Ort: „<hirendition="#g">Deutſch über die Deutſchen<lb/>
Sprachlehren“</hi> zu reden, und wider Wort¬<lb/>
zwang, Sprachſtapel, und Hochdeutſcherei.<lb/>
Mehr noch mangelt es an einem Unterrichtsbuch<lb/>
für Lehrer und Schüler. Hülfsbücher ſind ge¬<lb/>
nug, mit vielem geſammelten Stoff, aber leider<lb/>
ohne Benutzung des Stufengangs, überdem mit<lb/>
Auslaſſung wichtiger Mittelglieder. Möge doch<lb/>
recht bald ein „<hirendition="#g">Deutſches Sprachbuch</hi>,“<lb/>
Lehre, Übungsſchule, Anweiſung enthaltend, er¬<lb/>ſcheinen, und die Wohlthat gewähren, „<hirendition="#g">auf<lb/>
einem gebahnten Deutſchen Wege<lb/>
Deutſch zu lernen</hi>.“ Wer die Mutterſpra¬<lb/>
che gründlich gelernt hat, findet ſich leichter in<lb/>
allen andern Sprachen zurecht; zu den Büchern<lb/>
der Welt ſteht der Zugang ihm frei und offen.<lb/><hirendition="#g">Geſang</hi> einer <hirendition="#g">lebendigen Sprache</hi><lb/>
übertönt das bloße Lautwerden einer nur <hirendition="#g">le¬<lb/>
benden</hi>. Dichtungskraft, und ſchöne Singbar¬<lb/>
keit ſchmücken die unſere mit urſprünglicher<lb/>
Schönheit. <hirendition="#g">Der zubeſcheidene Deutſche</hi><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[194/0224]
194
Cicero's Ausſpruch: „rerum copia verborum
copiam gignit“ (de Or. L. III. c. 31.) bleibt
ewig wahr. Die Sprachlehren tragen auch ei¬
nen Theil der Schuld, aber hier iſt nicht Zeit
und Ort: „Deutſch über die Deutſchen
Sprachlehren“ zu reden, und wider Wort¬
zwang, Sprachſtapel, und Hochdeutſcherei.
Mehr noch mangelt es an einem Unterrichtsbuch
für Lehrer und Schüler. Hülfsbücher ſind ge¬
nug, mit vielem geſammelten Stoff, aber leider
ohne Benutzung des Stufengangs, überdem mit
Auslaſſung wichtiger Mittelglieder. Möge doch
recht bald ein „Deutſches Sprachbuch,“
Lehre, Übungsſchule, Anweiſung enthaltend, er¬
ſcheinen, und die Wohlthat gewähren, „auf
einem gebahnten Deutſchen Wege
Deutſch zu lernen.“ Wer die Mutterſpra¬
che gründlich gelernt hat, findet ſich leichter in
allen andern Sprachen zurecht; zu den Büchern
der Welt ſteht der Zugang ihm frei und offen.
Geſang einer lebendigen Sprache
übertönt das bloße Lautwerden einer nur le¬
benden. Dichtungskraft, und ſchöne Singbar¬
keit ſchmücken die unſere mit urſprünglicher
Schönheit. Der zubeſcheidene Deutſche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/224>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.