"Völker, das ist der Lateiner oder Griechen. "Sie hüten sich in diesen schlecht zu schreiben, "und scheuen es in der ihrigen nicht, sie ge¬ "trauen sich nicht in erstern durch einen "Buchstaben gegen die Kunst zu verfehlen, und "in ihrer eigenen geschieht es bei jedem Worte. "Eine wunderliche Sache, daß so große Män¬ "ner alles dieses fremden Sprachen zu Ehren "thun, und die eigene nicht schreiben können." (Mit Schmidt's Worten in seiner Gesch. der Deutschen, 2. B. S. 129. 130., aus der Quelle in Schilter Thesaur. Antiquit. Teuton. Tom. II. p. 11.) Billig sollte, wer ans Volk reden und schreiben muß, sich vorher die Gabe der Volksfaßlichkeit (Siehe VIII 3.) erwerben, nicht Wetzlarer und Regensburger Deutsch vorbringen. Es sollte jeder Staatsbürger seine Meinung verständlich vortragen lernen in münd¬ licher Rede und Schrift. Unverantwortlich sün¬ digen gegen diese nothwendige Entwickelung die meisten Schulen, am Ärgsten solche die in ih¬ ren "oratorischen Classen" Ausarbeitungen über Aufgaben verlangen, die sich besser zu Preis¬ schriften schicken. Das ist der unrechte Weg;
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„Völker, das iſt der Lateiner oder Griechen. „Sie hüten ſich in dieſen ſchlecht zu ſchreiben, „und ſcheuen es in der ihrigen nicht, ſie ge¬ „trauen ſich nicht in erſtern durch einen „Buchſtaben gegen die Kunſt zu verfehlen, und „in ihrer eigenen geſchieht es bei jedem Worte. „Eine wunderliche Sache, daß ſo große Män¬ „ner alles dieſes fremden Sprachen zu Ehren „thun, und die eigene nicht ſchreiben können.“ (Mit Schmidt's Worten in ſeiner Geſch. der Deutſchen, 2. B. S. 129. 130., aus der Quelle in Schilter Thesaur. Antiquit. Teuton. Tom. II. p. 11.) Billig ſollte, wer ans Volk reden und ſchreiben muß, ſich vorher die Gabe der Volksfaßlichkeit (Siehe VIII 3.) erwerben, nicht Wetzlarer und Regensburger Deutſch vorbringen. Es ſollte jeder Staatsbürger ſeine Meinung verſtändlich vortragen lernen in münd¬ licher Rede und Schrift. Unverantwortlich ſün¬ digen gegen dieſe nothwendige Entwickelung die meiſten Schulen, am Ärgſten ſolche die in ih¬ ren „oratoriſchen Claſſen“ Ausarbeitungen über Aufgaben verlangen, die ſich beſſer zu Preis¬ ſchriften ſchicken. Das iſt der unrechte Weg;
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„Völker, das iſt der Lateiner oder Griechen.
„Sie hüten ſich in dieſen ſchlecht zu ſchreiben,
„und ſcheuen es in der ihrigen nicht, ſie ge¬
„trauen ſich nicht in erſtern durch einen
„Buchſtaben gegen die Kunſt zu verfehlen, und
„in ihrer eigenen geſchieht es bei jedem Worte.
„Eine wunderliche Sache, daß ſo große Män¬
„ner alles dieſes fremden Sprachen zu Ehren
„thun, und die eigene nicht ſchreiben können.“
(Mit Schmidt's Worten in ſeiner Geſch. der
Deutſchen, 2. B. S. 129. 130., aus der Quelle
in Schilter Thesaur. Antiquit. Teuton. Tom.
II. p. 11.) Billig ſollte, wer ans Volk reden
und ſchreiben muß, ſich vorher die Gabe der
Volksfaßlichkeit (Siehe VIII 3.) erwerben, nicht
Wetzlarer und Regensburger Deutſch
vorbringen. Es ſollte jeder Staatsbürger ſeine
Meinung verſtändlich vortragen lernen in münd¬
licher Rede und Schrift. Unverantwortlich ſün¬
digen gegen dieſe nothwendige Entwickelung die
meiſten Schulen, am Ärgſten ſolche die in ih¬
ren „oratoriſchen Claſſen“ Ausarbeitungen über
Aufgaben verlangen, die ſich beſſer zu Preis¬
ſchriften ſchicken. Das iſt der unrechte Weg;
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/223>, abgerufen am 23.11.2024.
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