Schirm gar leicht an einseitiger Überfeinung und Verzierlichung versiechen, Saft und Kraft verlieren, und marklos an der Auszehrung ver- quinen. Da sich die Mundarten nur sprach- thümlich fortpflanzen, nicht in Büchern, sondern in aller Leute Mund leben; so hindern sie gewalt- same Verregelungen und Verriegelungen der Gesammtsprache. Sie treten in die Landwehr, wenn das Buchheer geschlagen. Offenbare Sprachwidrigkeiten lassen sich Leute, die nach ihrer Altvordern Weise trachten, nicht zu Schul- den kommen, und lassen sich auch von ihres Gleichen keine Sprachunbilden gefallen. Sie köunen wohl Sprachfehler begehn, aber keine Sprachfrevel. Ein Schriftsteller kann weit eher der Sprache Gewalt anthun, und seine Nothzucht noch obendrein in einem Buche zu Ehren bringen, auch da seine Wälschlinge und Bankerte versorgen. Vor aller Leute Ohren und Munden geht das nicht ungestraft hin, da kann jeder Rüger sein.
Die Mundarten leben im ewigen Landfrie- den mit der Gesammtsprache, und treten vor den Riß, so bald in der Schriftsprache Lücken ent-
deckt
Schirm gar leicht an einſeitiger Überfeinung und Verzierlichung verſiechen, Saft und Kraft verlieren, und marklos an der Auszehrung ver- quinen. Da ſich die Mundarten nur ſprach- thümlich fortpflanzen, nicht in Büchern, ſondern in aller Leute Mund leben; ſo hindern ſie gewalt- ſame Verregelungen und Verriegelungen der Geſammtſprache. Sie treten in die Landwehr, wenn das Buchheer geſchlagen. Offenbare Sprachwidrigkeiten laſſen ſich Leute, die nach ihrer Altvordern Weiſe trachten, nicht zu Schul- den kommen, und laſſen ſich auch von ihres Gleichen keine Sprachunbilden gefallen. Sie köunen wohl Sprachfehler begehn, aber keine Sprachfrevel. Ein Schriftſteller kann weit eher der Sprache Gewalt anthun, und ſeine Nothzucht noch obendrein in einem Buche zu Ehren bringen, auch da ſeine Wälſchlinge und Bankerte verſorgen. Vor aller Leute Ohren und Munden geht das nicht ungeſtraft hin, da kann jeder Rüger ſein.
Die Mundarten leben im ewigen Landfrie- den mit der Geſammtſprache, und treten vor den Riß, ſo bald in der Schriftſprache Lücken ent-
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[XLIII/0049]
Schirm gar leicht an einſeitiger Überfeinung
und Verzierlichung verſiechen, Saft und Kraft
verlieren, und marklos an der Auszehrung ver-
quinen. Da ſich die Mundarten nur ſprach-
thümlich fortpflanzen, nicht in Büchern, ſondern
in aller Leute Mund leben; ſo hindern ſie gewalt-
ſame Verregelungen und Verriegelungen der
Geſammtſprache. Sie treten in die Landwehr,
wenn das Buchheer geſchlagen. Offenbare
Sprachwidrigkeiten laſſen ſich Leute, die nach
ihrer Altvordern Weiſe trachten, nicht zu Schul-
den kommen, und laſſen ſich auch von ihres
Gleichen keine Sprachunbilden gefallen. Sie
köunen wohl Sprachfehler begehn, aber keine
Sprachfrevel. Ein Schriftſteller kann weit
eher der Sprache Gewalt anthun, und ſeine
Nothzucht noch obendrein in einem Buche zu
Ehren bringen, auch da ſeine Wälſchlinge und
Bankerte verſorgen. Vor aller Leute Ohren
und Munden geht das nicht ungeſtraft hin, da
kann jeder Rüger ſein.
Die Mundarten leben im ewigen Landfrie-
den mit der Geſammtſprache, und treten vor den
Riß, ſo bald in der Schriftſprache Lücken ent-
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Jahn, Friedrich L.; Eiselen, Ernst W. B.: Die deutsche Turnkunst, zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt. Berlin, 1816, S. XLIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_turnkunst_1816/49>, abgerufen am 25.11.2024.
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