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Jahn, Friedrich L.; Eiselen, Ernst W. B.: Die deutsche Turnkunst, zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt. Berlin, 1816.

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zeit der Mühe entrathen, die Wörter aufs Neue
wieder umzudeutschen.

Da in die Turnsprache manche wesentlich
nothwendige Wörter aus Mundarten aufge-
nommen sind, z. B. Reck, Riege, Reede,
Tie, Schleet
aus dem Sassischen; -- An-
mann
(zu Vorder-Hinter- und Nebenmann) aus
dem Schweizerischen; -- schocken zunächst
aus dem Thüringischen; -- die Herrn von der
Schriftfeder über das Verhältniß der Mund-
arten zur Gesammtsprache noch lange nicht im
Klaren zu sein scheinen; so mögen folgende An-
deutungen auf eine künftige Berichtigung hin-
zielen.

Mundarten sind keinesweges für bloße
Sprachbehelfe zu halten, für Ausdrucksweisen
von niederm Range, die nur annoch in einem
Versteck und Schlupfwinkel des Sprachreichs
aus Gnade und Barmherzigkeit Duldung ge-
nießen. Im Gegentheil sind sie nach altem
wohlhergebrachten Recht in irgend einem Gau
auf Grund und Boden erb- und eingesessen.
Darum können sie niemals die Rücksicht auf
Heimath und Wohnstätte verläugnen. Sie

müs-

zeit der Mühe entrathen, die Wörter aufs Neue
wieder umzudeutſchen.

Da in die Turnſprache manche weſentlich
nothwendige Wörter aus Mundarten aufge-
nommen ſind, z. B. Reck, Riege, Reede,
Tie, Schleet
aus dem Saſſiſchen; — An-
mann
(zu Vorder-Hinter- und Nebenmann) aus
dem Schweizeriſchen; — ſchocken zunächſt
aus dem Thüringiſchen; — die Herrn von der
Schriftfeder über das Verhältniß der Mund-
arten zur Geſammtſprache noch lange nicht im
Klaren zu ſein ſcheinen; ſo mögen folgende An-
deutungen auf eine künftige Berichtigung hin-
zielen.

Mundarten ſind keinesweges für bloße
Sprachbehelfe zu halten, für Ausdrucksweiſen
von niederm Range, die nur annoch in einem
Verſteck und Schlupfwinkel des Sprachreichs
aus Gnade und Barmherzigkeit Duldung ge-
nießen. Im Gegentheil ſind ſie nach altem
wohlhergebrachten Recht in irgend einem Gau
auf Grund und Boden erb- und eingeſeſſen.
Darum können ſie niemals die Rückſicht auf
Heimath und Wohnſtätte verläugnen. Sie

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[XLI/0047] zeit der Mühe entrathen, die Wörter aufs Neue wieder umzudeutſchen. Da in die Turnſprache manche weſentlich nothwendige Wörter aus Mundarten aufge- nommen ſind, z. B. Reck, Riege, Reede, Tie, Schleet aus dem Saſſiſchen; — An- mann (zu Vorder-Hinter- und Nebenmann) aus dem Schweizeriſchen; — ſchocken zunächſt aus dem Thüringiſchen; — die Herrn von der Schriftfeder über das Verhältniß der Mund- arten zur Geſammtſprache noch lange nicht im Klaren zu ſein ſcheinen; ſo mögen folgende An- deutungen auf eine künftige Berichtigung hin- zielen. Mundarten ſind keinesweges für bloße Sprachbehelfe zu halten, für Ausdrucksweiſen von niederm Range, die nur annoch in einem Verſteck und Schlupfwinkel des Sprachreichs aus Gnade und Barmherzigkeit Duldung ge- nießen. Im Gegentheil ſind ſie nach altem wohlhergebrachten Recht in irgend einem Gau auf Grund und Boden erb- und eingeſeſſen. Darum können ſie niemals die Rückſicht auf Heimath und Wohnſtätte verläugnen. Sie müſ-

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich L.; Eiselen, Ernst W. B.: Die deutsche Turnkunst, zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt. Berlin, 1816, S. XLI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_turnkunst_1816/47>, abgerufen am 30.04.2024.