Lehre von der Unsterblichkeit der Seele wurde eine zweyte Veranlassung die Gott- heiten zu vermehren. Man glaubte, daß die Seelen der verstorbenen Häupter von Familien sich noch um die ihrigen beküm- merten und für sie sorgeten. Die Liebe und Ehrfurcht, die man im Leben für sie gehabt, erzeigte man ihnen noch nach dem Tode, und sie wurden nach und nach zu Hausgöttern. Als mit der Zeit Völ- kerschaften, und unter selbigen mächtige- re Häupter und berühmtere Helden ent- standen, wurden auch selbige nach dem Tode vergöttert. Diese Götter mußten auch nach dem Tode noch Gemahlinnen haben. Man vergötterte daher auch eini- ge von dem weiblichen Geschlechte. Man machte ihnen zu Ehren Bilder und vereh- rete in selbigen die darinne vorgestellte Gott- heit. Endlich unterschied man die Bilder und die Gottheit nicht mehr von einan- der, und betete die Bilder selbst als Gott- heiten an. Was ich bis anher gesagt, ist aus der heiligen und weltlichen Geschich- te so bekannt, daß ich nicht nöthig habe be- weisende Stellen davon anzuführen. Nur den letzten Satz muß beweisen, weil er von einigen widersprochen wird und mancher das Heidenthum davon gerne frey machen will. Allein nicht nur die Schrift bezeuget solches an manchen Stellen, und insonder- heit Jes. C. 44. v. 9-20. sondern man
findet
Lehre von der Unſterblichkeit der Seele wurde eine zweyte Veranlaſſung die Gott- heiten zu vermehren. Man glaubte, daß die Seelen der verſtorbenen Haͤupter von Familien ſich noch um die ihrigen bekuͤm- merten und fuͤr ſie ſorgeten. Die Liebe und Ehrfurcht, die man im Leben fuͤr ſie gehabt, erzeigte man ihnen noch nach dem Tode, und ſie wurden nach und nach zu Hausgoͤttern. Als mit der Zeit Voͤl- kerſchaften, und unter ſelbigen maͤchtige- re Haͤupter und beruͤhmtere Helden ent- ſtanden, wurden auch ſelbige nach dem Tode vergoͤttert. Dieſe Goͤtter mußten auch nach dem Tode noch Gemahlinnen haben. Man vergoͤtterte daher auch eini- ge von dem weiblichen Geſchlechte. Man machte ihnen zu Ehren Bilder und vereh- rete in ſelbigen die darinne vorgeſtellte Gott- heit. Endlich unterſchied man die Bilder und die Gottheit nicht mehr von einan- der, und betete die Bilder ſelbſt als Gott- heiten an. Was ich bis anher geſagt, iſt aus der heiligen und weltlichen Geſchich- te ſo bekannt, daß ich nicht noͤthig habe be- weiſende Stellen davon anzufuͤhren. Nur den letzten Satz muß beweiſen, weil er von einigen widerſprochen wird und mancher das Heidenthum davon gerne frey machen will. Allein nicht nur die Schrift bezeuget ſolches an manchen Stellen, und inſonder- heit Jeſ. C. 44. v. 9-20. ſondern man
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Lehre von der Unſterblichkeit der Seele
wurde eine zweyte Veranlaſſung die Gott-
heiten zu vermehren. Man glaubte, daß
die Seelen der verſtorbenen Haͤupter von
Familien ſich noch um die ihrigen bekuͤm-
merten und fuͤr ſie ſorgeten. Die Liebe
und Ehrfurcht, die man im Leben fuͤr ſie
gehabt, erzeigte man ihnen noch nach dem
Tode, und ſie wurden nach und nach zu
Hausgoͤttern. Als mit der Zeit Voͤl-
kerſchaften, und unter ſelbigen maͤchtige-
re Haͤupter und beruͤhmtere Helden ent-
ſtanden, wurden auch ſelbige nach dem
Tode vergoͤttert. Dieſe Goͤtter mußten
auch nach dem Tode noch Gemahlinnen
haben. Man vergoͤtterte daher auch eini-
ge von dem weiblichen Geſchlechte. Man
machte ihnen zu Ehren Bilder und vereh-
rete in ſelbigen die darinne vorgeſtellte Gott-
heit. Endlich unterſchied man die Bilder
und die Gottheit nicht mehr von einan-
der, und betete die Bilder ſelbſt als Gott-
heiten an. Was ich bis anher geſagt,
iſt aus der heiligen und weltlichen Geſchich-
te ſo bekannt, daß ich nicht noͤthig habe be-
weiſende Stellen davon anzufuͤhren. Nur
den letzten Satz muß beweiſen, weil er von
einigen widerſprochen wird und mancher
das Heidenthum davon gerne frey machen
will. Allein nicht nur die Schrift bezeuget
ſolches an manchen Stellen, und inſonder-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/60>, abgerufen am 28.11.2024.
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