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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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aber das erste betrifft, so wissen wir ja
nicht, wodurch die Seligkeit der erhöheten
Freunde Jesu in dem Himmel werde un-
terhalten werden. Wer kann behaupten,
daß wir in jener Welt alle Vollkommen-
heit auf einmal erhalten werden, und daß
selbige nicht nach und nach durch gewisse
Mittel werde erhöhet werden? Ja, welches
ist wol am wahrscheinlichsten? Dieses,
daß die Seligen alle Vollkommenheit auf
einmal und ohne Mittel, blos durch ein
Wunder der Allmacht, erlangen; oder
daß sie nach und nach durch uns noch un-
bekannte Mittel von einer Vollkommen-
heit zu der andern fortgehen. Paulus
versichert, daß das Stückwerk unsers hie-
sigen Wissens dort aufhören und wir zu
einer vollkommneren Erkänntniß gelangen
würden *): ist es zu vermuthen, daß die-
ses ohne alle Mittel geschehen werde?
Werden unsere Begierden ohne alle Mit-
tel den höchsten Grad der Heiligkeit er-
langen? Finden wir Exempel in den Ein-
richtungen Gottes, daß solche Sprünge in
denselben geschehen? Oder wo lesen wir,
daß dorten dergleichen vorgehen sollen?
Was hindert uns denn dieses Holz des
Lebens als ein Mittel anzusehen, wodurch
die Vollkommenheit der Seeligen wird
erhöhet werden? Und wer kann denn sa-

gen,
*) 1 Cor. C. 13.
F f 2

aber das erſte betrifft, ſo wiſſen wir ja
nicht, wodurch die Seligkeit der erhoͤheten
Freunde Jeſu in dem Himmel werde un-
terhalten werden. Wer kann behaupten,
daß wir in jener Welt alle Vollkommen-
heit auf einmal erhalten werden, und daß
ſelbige nicht nach und nach durch gewiſſe
Mittel werde erhoͤhet werden? Ja, welches
iſt wol am wahrſcheinlichſten? Dieſes,
daß die Seligen alle Vollkommenheit auf
einmal und ohne Mittel, blos durch ein
Wunder der Allmacht, erlangen; oder
daß ſie nach und nach durch uns noch un-
bekannte Mittel von einer Vollkommen-
heit zu der andern fortgehen. Paulus
verſichert, daß das Stuͤckwerk unſers hie-
ſigen Wiſſens dort aufhoͤren und wir zu
einer vollkommneren Erkaͤnntniß gelangen
wuͤrden *): iſt es zu vermuthen, daß die-
ſes ohne alle Mittel geſchehen werde?
Werden unſere Begierden ohne alle Mit-
tel den hoͤchſten Grad der Heiligkeit er-
langen? Finden wir Exempel in den Ein-
richtungen Gottes, daß ſolche Spruͤnge in
denſelben geſchehen? Oder wo leſen wir,
daß dorten dergleichen vorgehen ſollen?
Was hindert uns denn dieſes Holz des
Lebens als ein Mittel anzuſehen, wodurch
die Vollkommenheit der Seeligen wird
erhoͤhet werden? Und wer kann denn ſa-

gen,
*) 1 Cor. C. 13.
F f 2
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[451/0471] aber das erſte betrifft, ſo wiſſen wir ja nicht, wodurch die Seligkeit der erhoͤheten Freunde Jeſu in dem Himmel werde un- terhalten werden. Wer kann behaupten, daß wir in jener Welt alle Vollkommen- heit auf einmal erhalten werden, und daß ſelbige nicht nach und nach durch gewiſſe Mittel werde erhoͤhet werden? Ja, welches iſt wol am wahrſcheinlichſten? Dieſes, daß die Seligen alle Vollkommenheit auf einmal und ohne Mittel, blos durch ein Wunder der Allmacht, erlangen; oder daß ſie nach und nach durch uns noch un- bekannte Mittel von einer Vollkommen- heit zu der andern fortgehen. Paulus verſichert, daß das Stuͤckwerk unſers hie- ſigen Wiſſens dort aufhoͤren und wir zu einer vollkommneren Erkaͤnntniß gelangen wuͤrden *): iſt es zu vermuthen, daß die- ſes ohne alle Mittel geſchehen werde? Werden unſere Begierden ohne alle Mit- tel den hoͤchſten Grad der Heiligkeit er- langen? Finden wir Exempel in den Ein- richtungen Gottes, daß ſolche Spruͤnge in denſelben geſchehen? Oder wo leſen wir, daß dorten dergleichen vorgehen ſollen? Was hindert uns denn dieſes Holz des Lebens als ein Mittel anzuſehen, wodurch die Vollkommenheit der Seeligen wird erhoͤhet werden? Und wer kann denn ſa- gen, *) 1 Cor. C. 13. F f 2

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/471>, abgerufen am 28.11.2024.