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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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angezeiget wird. Jch aber glaube, daß
dieses Wort hier in seinem engern und ge-
wöhnlichern Verstande am füglichsten ge-
nommen, und durch Hurerey oder Ehe-
bruch übersetzet werde. Denn Jesus hat
nicht griechisch geredet, sondern diejenige
Sprache, welche damals im Jüdischen
Lande die gewöhnlichste war. Wir müs-
sen dahero auf dasjenige Jüdische Wort
zurück sehen, welches der Heiland bey die-
ser Materie muthmaßlich gebraucht hat,
und auf diejenige Bedeutung, so man in
dieser Materie damit verknüpfet. Er fällt
aber in dieser Sache der damals blühen-
den Jüdischen Secte der Schammäaner
bey, welche wider die Hillelianer, eine
andere, damals berühmte Secte, behau-
ptete, es sey wider die Absicht Gottes,
wenn man nach damaliger bösen Gewohn-
heit wegen einer jeden geringen Ursache der
Frau den Scheidebrief gäbe. Es könne
solches nicht mit Recht geschehen, als wenn
man sie im Ehebruch betroffen. Da nun
Christus den Schammäanern darinne bey-
stimmet, daß man nicht um einer jeden
Ursache eine Scheidung vornehmen könne,
so ist muthmaßlich, daß er sich auch bey
der Ausnahme derjenigen Worte bedienet,
so den Schammäanern gewöhnlich, und
zwar in derjenigen Bedeutung, die sie in
dieser Frage damit verbunden, und folglich
denjenigen Fall ausgenommen, wenn ein

Ehe-

angezeiget wird. Jch aber glaube, daß
dieſes Wort hier in ſeinem engern und ge-
woͤhnlichern Verſtande am fuͤglichſten ge-
nommen, und durch Hurerey oder Ehe-
bruch uͤberſetzet werde. Denn Jeſus hat
nicht griechiſch geredet, ſondern diejenige
Sprache, welche damals im Juͤdiſchen
Lande die gewoͤhnlichſte war. Wir muͤſ-
ſen dahero auf dasjenige Juͤdiſche Wort
zuruͤck ſehen, welches der Heiland bey die-
ſer Materie muthmaßlich gebraucht hat,
und auf diejenige Bedeutung, ſo man in
dieſer Materie damit verknuͤpfet. Er faͤllt
aber in dieſer Sache der damals bluͤhen-
den Juͤdiſchen Secte der Schammaͤaner
bey, welche wider die Hillelianer, eine
andere, damals beruͤhmte Secte, behau-
ptete, es ſey wider die Abſicht Gottes,
wenn man nach damaliger boͤſen Gewohn-
heit wegen einer jeden geringen Urſache der
Frau den Scheidebrief gaͤbe. Es koͤnne
ſolches nicht mit Recht geſchehen, als wenn
man ſie im Ehebruch betroffen. Da nun
Chriſtus den Schammaͤanern darinne bey-
ſtimmet, daß man nicht um einer jeden
Urſache eine Scheidung vornehmen koͤnne,
ſo iſt muthmaßlich, daß er ſich auch bey
der Ausnahme derjenigen Worte bedienet,
ſo den Schammaͤanern gewoͤhnlich, und
zwar in derjenigen Bedeutung, die ſie in
dieſer Frage damit verbunden, und folglich
denjenigen Fall ausgenommen, wenn ein

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[253/0273] angezeiget wird. Jch aber glaube, daß dieſes Wort hier in ſeinem engern und ge- woͤhnlichern Verſtande am fuͤglichſten ge- nommen, und durch Hurerey oder Ehe- bruch uͤberſetzet werde. Denn Jeſus hat nicht griechiſch geredet, ſondern diejenige Sprache, welche damals im Juͤdiſchen Lande die gewoͤhnlichſte war. Wir muͤſ- ſen dahero auf dasjenige Juͤdiſche Wort zuruͤck ſehen, welches der Heiland bey die- ſer Materie muthmaßlich gebraucht hat, und auf diejenige Bedeutung, ſo man in dieſer Materie damit verknuͤpfet. Er faͤllt aber in dieſer Sache der damals bluͤhen- den Juͤdiſchen Secte der Schammaͤaner bey, welche wider die Hillelianer, eine andere, damals beruͤhmte Secte, behau- ptete, es ſey wider die Abſicht Gottes, wenn man nach damaliger boͤſen Gewohn- heit wegen einer jeden geringen Urſache der Frau den Scheidebrief gaͤbe. Es koͤnne ſolches nicht mit Recht geſchehen, als wenn man ſie im Ehebruch betroffen. Da nun Chriſtus den Schammaͤanern darinne bey- ſtimmet, daß man nicht um einer jeden Urſache eine Scheidung vornehmen koͤnne, ſo iſt muthmaßlich, daß er ſich auch bey der Ausnahme derjenigen Worte bedienet, ſo den Schammaͤanern gewoͤhnlich, und zwar in derjenigen Bedeutung, die ſie in dieſer Frage damit verbunden, und folglich denjenigen Fall ausgenommen, wenn ein Ehe-

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/273>, abgerufen am 23.06.2024.