Zeiten. Eben dieses aber hatte auch die Wollüste auf das höchste getrieben und die allerabscheuligsten Laster eingeführet, wel- che jemahls erhöret worden. Aber eben da- durch wurden sie empfindlich, lästig und unerträglich. Besonders wurde das Rö- mische Gebiet inne, was Laster für Un- heil anrichten, da sich verschiedene Kaiser denselben ganz überliessen und dadurch die abscheulichsten Tyrannen wurden. Ein Tiberius, ein Caligula, ein Nero ein Domitianus waren solche Ungeheuer, daß sie auch die Heiden nicht ertragen konnten. Da derowegen um diese Zeit die ersten Lehrer des Evangelii auftraten und die so sanfte, angenehme und tröstliche Lehre des Christenthums vortrugen, so waren die Gemüther so wol durch die Wissenschaften und den verbesserten Geschmack, als auch durch die unerträglichen Lasten der aufs höchste gestiegenen Laster vorbereitet: eine so liebreiche, vergnügende und hoffnungsvolle Lehre anzunehmen. Jch meyne also, daß, wenn man die Natur des menschlichen Gemüths und die Beschaffenheit der da- mahligen Zeiten genau überleget, man Ur- sache findet, so wol den gebaueten Verstand und den verbesserten Geschmack und den mehrern Frieden zu den Zeiten des Augu- stus, als auch die Laster und Tyranneyen der folgenden Kaiser als Umstände anzusehen, welche dem Christenthume Vortheile ver-
schaffet
Zeiten. Eben dieſes aber hatte auch die Wolluͤſte auf das hoͤchſte getrieben und die allerabſcheuligſten Laſter eingefuͤhret, wel- che jemahls erhoͤret worden. Aber eben da- durch wurden ſie empfindlich, laͤſtig und unertraͤglich. Beſonders wurde das Roͤ- miſche Gebiet inne, was Laſter fuͤr Un- heil anrichten, da ſich verſchiedene Kaiſer denſelben ganz uͤberlieſſen und dadurch die abſcheulichſten Tyrannen wurden. Ein Tiberius, ein Caligula, ein Nero ein Domitianus waren ſolche Ungeheuer, daß ſie auch die Heiden nicht ertragen konnten. Da derowegen um dieſe Zeit die erſten Lehrer des Evangelii auftraten und die ſo ſanfte, angenehme und troͤſtliche Lehre des Chriſtenthums vortrugen, ſo waren die Gemuͤther ſo wol durch die Wiſſenſchaften und den verbeſſerten Geſchmack, als auch durch die unertraͤglichen Laſten der aufs hoͤchſte geſtiegenen Laſter vorbereitet: eine ſo liebreiche, vergnuͤgende und hoffnungsvolle Lehre anzunehmen. Jch meyne alſo, daß, wenn man die Natur des menſchlichen Gemuͤths und die Beſchaffenheit der da- mahligen Zeiten genau uͤberleget, man Ur- ſache findet, ſo wol den gebaueten Verſtand und den verbeſſerten Geſchmack und den mehrern Frieden zu den Zeiten des Augu- ſtus, als auch die Laſter und Tyranneyen der folgenden Kaiſer als Umſtaͤnde anzuſehen, welche dem Chriſtenthume Vortheile ver-
ſchaffet
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Zeiten. Eben dieſes aber hatte auch die
Wolluͤſte auf das hoͤchſte getrieben und die
allerabſcheuligſten Laſter eingefuͤhret, wel-
che jemahls erhoͤret worden. Aber eben da-
durch wurden ſie empfindlich, laͤſtig und
unertraͤglich. Beſonders wurde das Roͤ-
miſche Gebiet inne, was Laſter fuͤr Un-
heil anrichten, da ſich verſchiedene Kaiſer
denſelben ganz uͤberlieſſen und dadurch die
abſcheulichſten Tyrannen wurden. Ein
Tiberius, ein Caligula, ein Nero ein
Domitianus waren ſolche Ungeheuer, daß
ſie auch die Heiden nicht ertragen konnten.
Da derowegen um dieſe Zeit die erſten
Lehrer des Evangelii auftraten und die ſo
ſanfte, angenehme und troͤſtliche Lehre des
Chriſtenthums vortrugen, ſo waren die
Gemuͤther ſo wol durch die Wiſſenſchaften
und den verbeſſerten Geſchmack, als auch
durch die unertraͤglichen Laſten der aufs
hoͤchſte geſtiegenen Laſter vorbereitet: eine
ſo liebreiche, vergnuͤgende und hoffnungsvolle
Lehre anzunehmen. Jch meyne alſo, daß,
wenn man die Natur des menſchlichen
Gemuͤths und die Beſchaffenheit der da-
mahligen Zeiten genau uͤberleget, man Ur-
ſache findet, ſo wol den gebaueten Verſtand
und den verbeſſerten Geſchmack und den
mehrern Frieden zu den Zeiten des Augu-
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folgenden Kaiſer als Umſtaͤnde anzuſehen,
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/116>, abgerufen am 25.11.2024.
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